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Honorargutachten
Hüsgen: Einsparungen der Kassen liegen viel höher
Der GKV-Spitzenverband will sich am kommenden Mittwoch auf einer Sitzung mit der Apothekenstruktur und -vergütung befassen. Bezugnehmend auf das Honorargutachten fordert er Einsparungen von mehr als 1 Milliarde Euro. Der Diplom-Mathematiker und langjährige Geschäftsführer des Apothekerverbandes Nordrhein Uwe Hüsgen beweist nun, dass sich die Gutachter in eklatanter Weise verrechnet haben und von falschen Bezugsgrößen ausgehen.
Ende Dezember 2017 hatte das Bundeswirtschaftsministerium das von ihm in Auftrag gegebene und von der Unternehmensberatung 2HM & Associates GmbH erstellte Gutachten „Ermittlung der Erforderlichkeit und des Ausmaßes von Änderungen der in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) geregelten Preise“ veröffentlicht. Die Gutachter kommen in ihrer mehr als 350 Seiten umfassenden und rund 450.000 Euro teuren Arbeit unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Apotheken durchschnittlich 40.000 Euro weniger Honorar erhalten könnten und immer noch kostendeckend funktionieren würden. Mögliche Einbußen sollen durch Verteuerungen im Bereich der OTC-Arzneimittel auf Kosten der Kunden kompensiert werden. Für wirtschaftlich gefährdete Apotheken sehen die Gutachter Strukturfonds vor. Der Versandhandel soll die Bevölkerung in der Fläche und auf dem Land mit Arzneimitteln versorgen.
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Die Reaktionen auf die Publikation sind sehr unterschiedlich: Bestätigt fühlen sich zum Beispiel die Krankenkassen in der Annahme, dass den Apothekern mehr Honorar gezahlt wird, als ihnen eigentlich zustehe. Auch die öffentliche Meinung fällt ähnlich aus. Die Versandhändler (aus Deutschland) sehen in dem Honorargutachten ein Vehikel, mit dem sie das drohende Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel versuchen abzuwenden.
Reaktionen auf Gutachten unterschiedlich
Die Standesvertretung der Apotheker will sich öffentlich und inhaltlich nicht zu dem Gutachten äußern. Die ABDA und insbesondere der Deutsche Apothekerverband (DAV) als legitime Vertreter der wirtschaftlichen Interessen der deutschen Apothekeninhaber hüllen sich in Schweigen. „Dieser Text, der jetzt vorliegt, darf keine Grundlage für eine echte politische Auseinandersetzung werden, weil er dafür ungeeignet ist!“, so ABDA-Präsident Friedemann Schmidt beim diesjährigen Pharmacon-Kongress in Schladming. Er möchte nicht, dass darüber diskutiert wird, auch weil es „von falschen Annahmen“ ausgehe.
Kurz nach der Veröffentlichung begann die DAZ das
Honorargutachten aus betriebswirtschaftlicher, juristischer und
pharmazeutischer Sicht kritisch zu hinterfragen.
Insbesondere DAZ-Redakteur und Apothekenwirtschaftsexperte Dr. Thomas
Müller-Bohn konnte nachweisen, dass die Ergebnisse im Honorargutachten
stark
von der verwendeten Methode abhängen. So müssten die Apotheken nach der
„hälftigen Absatz-Umsatz-Methode“, die bisher üblicherweise bei
Berechnungen
zur Arzneimittelpreisverordnung verwendet wurde, eigentlich 1 Milliarde
mehr
pro Jahr statt 1 Milliarde Euro weniger erhalten.
Rechtsanwalt Heinz-Uwe Dettling spricht sogar von einem „Gutachten
voller
Rechtsfehler“. Das Gutachten verkenne, „dass es ohne Apotheken und ohne
Großhandel auch keine Versorgung mit verschreibungspflichtigen
Arzneimitteln
gibt“ .
Hüsgen legt nach
Nun legt der langjährige Geschäftsführer des Apothekerverbandes Nordrhein Uwe Hüsgen nach: Der Diplom-Mathematiker untersuchte das Papier – ausgehend von den Großhandelsdaten – bis ins Detail, weil man im Rahmen einer systematischen Analyse den Warenströmen folgen müsse. Er attestiert der Arbeit „Rechenfehler, falsche Bezugsgrößen sowie widersprüchliche Zahlen“.
Die Gutachter seien beispielsweise von einer falschen Packungsanzahl ausgegangen. Verantwortlich dafür soll nicht die Datenquelle, sondern ein peinlicher Rechenfehler sein. So wären Betäubungsmittel, Kühlartikel und hochpreisige Arzneimitteln, deren Distribution für die Großhändler kostenintensiver und aufwendiger ist, besonders berücksichtigt und anders gewichtet worden. Doch anschließend hätten es die Gutachter versäumt, diese „kostenintensiven“ Arzneimittel von der Anzahl der „sonstigen“ verschreibungspflichtigen Arzneimittel abzuziehen. Bei den weiteren Berechnungen, insbesondere den vorgeschlagenen Honorareinbußen, wäre man dann fälschlicherweise von 919,9 Millionen statt 863,7 Millionen (gewichteten) Packungen ausgegangen.
Gutachter rechnen mit falschen Durchschnittswerten
Darüber hinaus konnte Hüsgen zeigen, dass im Gutachten mit einem falschen Durchschnittswert bei den hochpreisigen Fertigarzneimitteln gerechnet wird. Dies führt zu signifikanten Verschiebungen zwischen dem Arzneimittelumsatz der Großhändler unter und über 1200 Euro. Der durchschnittliche Großhandelsabgabepreis für Hochpreiser betrug 2016 rund 3217 Euro; der durchschnittliche Herstellerabgabepreis damit rund 3178 Euro. Die Gutachter gehen jedoch von einem durchschnittlichen Herstellerabgabepreis von 3791 Euro aus und berechnen damit die Zahl an Packungen, was zu unterschiedlichen Anteilen hinsichtlich der Arzneimittel unter und über 1200 Euro führt.
Ein weiterer gravierender Fehler sei, dass die Gutachter bei den Einsparungen der Kostenträger (GKV, PKV, Beihilfe) und der Selbstzahler nicht die Mehrwertsteuer berücksichtigt haben. Außerdem seien nur Umsätze von Großhändlern beachtet worden, die Mitglied im Bundesverband Phagro sind. Zieht man auch das Direktgeschäft und das Geschäft der Nicht-Phagro-Großhändler hinzu, würden die Einsparungen nicht 1,24 Mrd. Euro betragen, sondern mind. 1,4 Mrd. Euro netto. Und unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer beliefen sich die Einsparungen für Kostenträger und Selbstzahler dann auf 1,67 Mrd. Euro brutto – eine Abweichung von immerhin rund 35 Prozent.
Hüsgen: Es fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen
Und weil den Gutachtern bei ihren Berechnungen zum Großhandel zahlreiche Fehler nachgewiesen werden konnten, müssten alle auf diesen Zahlen aufbauenden Berechnungen (auch für den Apothekenbereich) ebenso verworfen werden. Damit sei laut Hüsgen „das 2HM-Gutachten wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen“.
Diese und weitere Rechenfehler zu korrigieren und damit das Gutachten „retten“ zu können, hält er für aussichtlos. Das Gutachten beinhalte zu viele falsche Annahmen, hätte eine unpassende Methodik und würde seine Empfehlungen auf Grundlage widersprüchlicher Ergebnisse liefern. Außerdem seien viele Quellen „selbst für interessierte Leser nicht zugänglich, und deshalb auch nicht zu überprüfen“. Hüsgen resümiert: „Nachdem den Gutachtern endlich massive Fehler nachgewiesen werden konnten, kann man sich jetzt beruhigt auf die Anpassung des Apothekenhonorars konzentrieren.“ Denn da sieht der ehemalige Verbandsgeschäftsführer „echten Nachholbedarf“ (https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2017/daz-43-2017/von-der-politik-vergessen).
Uwe Hüsgens 15 Seiten umfassendes Gegengutachten (mit vielen weiteren kritischen Anmerkungen) finden Sie hier. Für die in dieser Woche erscheinenden DAZ Nr. 23 hat er seine wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst.
5 Kommentare
Gutachten : Dr Hüsgen
von Heiko Barz am 05.06.2018 um 13:37 Uhr
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Guter Moment
von Hubert Kaps am 05.06.2018 um 8:57 Uhr
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Danke,
von Dr.Diefenbach am 05.06.2018 um 8:55 Uhr
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Gegengutachten Dr. Huesgen: Hervorragend!
von Sylvia Trautmann am 04.06.2018 um 21:51 Uhr
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Excellente und gleichzeitig entlarvende Analyse!
von Uwe Hansmann am 04.06.2018 um 17:51 Uhr
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