BGH-Urteil

Zuweisungsverbot gilt nicht für niederländische Versandapotheken

Berlin - 30.05.2018, 09:05 Uhr

Der BGH hat ein Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf bestätigt, nach dem das Zuweisungsverbot in Deutschland nicht für EU-Versender gilt. (Foto: Imago)

Der BGH hat ein Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf bestätigt, nach dem das Zuweisungsverbot in Deutschland nicht für EU-Versender gilt. (Foto: Imago)


Wirbt eine niederländische Apotheke bei deutschen Gynäkologen für einen günstigen Bezug von Intrauterinpessaren und anderen rezeptpflichtigen Verhütungsmitteln, die vom Arzt zu applizieren sind, so verstößt dies nicht gegen deutsches Recht. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das im Apothekengesetz verankerte Zuweisungsverbot vor – denn an dieses muss sich eine niederländische Apotheke nicht halten. Dies entschied vor gut einem Jahr das Oberlandesgericht Düsseldorf. Nun blieb auch die Revision des klagenden Wettbewerbsvereins gegen den Versender erfolglos.

Es ist ein Urteil, das in keiner öffentlich zugänglichen Rechtsprechungsdatenbank zu finden ist: Die Entscheidung des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 8. Juni 2017 in einem Rechtsstreit des Verbands Sozialer Wettbewerb (VSV) gegen die niederländische Apotheek Bad Nieueschans B.V. Doch dieser Richterspruch desselben Zivilsenats, der die Rx-Preisbindung für niederländische Versandapotheken auf den Prüfstand des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stellte – und damit zu Fall – gebracht hat, hat es in sich. Und nun hat der Bundesgerichtshof die hiergegen gerichtete Revision zurückgewiesen – die schriftlichen Gründe dieser Entscheidung stehen allerdings noch aus (Urteil des BGH vom 26.  April 2018, Az. : ZR 121/17).

Doch worum ging es überhaupt? Der Verband Sozialer Wettbewerb wollte der niederländischen Apotheke gerichtlich untersagen lassen, bei deutschen Gynäkologen mit einem „Informationsschreiben“ für den Bezug von Verhütungsmitteln zu werben, die Patientinnen selbst zahlen müssen, die aber nur in der Arztpraxis appliziert werden können – unter anderem Intrauterinpessare. Diese verschreibungspflichtigen Arzneimittel bietet die Apotheke aus Holland günstiger an als die Arzneimittelpreisverordnung es für hiesige Apotheken vorsieht.

Das Landgericht Düsseldorf entschied in erster Instanz noch zugunsten des VSV. Das beanstandete Werbeschreiben begründe eine Erstbegehungsgefahr für einen Verstoß gegen das Zuweisungsverbot in § 11 ApoG. Doch das OLG kassierte diese Entscheidung im vergangenen Jahr. In ihrem Urteil prüfen die Richter alle in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte: Sind Verbraucherschutzgesetze oder das Marktverhalten regelnde Vorschriften verletzt, sodass ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch zu bejahen ist? Ihr Ergebnis: Nein.

Keine Veranlassung zur EuGH-Wiedervorlage

Dabei ist ihr erster Prüfungspunkt der Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung. Ein solcher sei nicht gegeben, weil diese auf eine niederländische Versandapotheke nicht anwendbar ist. Das hat bekanntlich der EuGH im Oktober 2016 entschieden. Recht ausführlich geht der 20. Zivilsenat – auf dessen Vorlage hin besagtes EuGH-Urteil fiel – auf die Möglichkeit einer erneuten Prüfung durch den EuGH ein. Dafür besteht nämlich aus Sicht der OLG-Richter keine Veranlassung – auch wenn der Bundesgerichtshof (BGH) dies in seiner „Freunde werben Freunde“-Entscheidung von Ende 2016 für nicht ausgeschlossen gehalten hat, wenn neue Tatsachen vorgetragen werden können. Die Schlussfolgerung der Luxemburger Richter, die deutschen Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel seien nicht geeignet, das Ziel der Sicherstellung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung zu erreichen, beruhten „nicht auf ungenügenden Feststellungen“, konstatiert das OLG Düsseldorf. Die Bundesregierung habe im Vorabentscheidungsverfahren umfassend zur Rechtfertigung des Festpreissystems vorgetragen. „Diesen Vortrag haben der Generalanwalt und der Gerichtshof auch berücksichtigt, er reichte indes nicht aus, um die von der Bundesregierung angeführten Argumente zu belegen bzw. zu untermauern“, heißt es im Urteil. Und weiter – unter Hinweis auf die BGH-Entscheidung: „Es waren demnach nicht verfahrensbedingt unzureichende Tatsachenfeststellungen, sondern unzureichender Sachvortrag der beteiligten Bundesregierung, der die Entscheidung des EuGH begründet“.

Zuweisungsverbot gilt nur für deutsche Apotheken

Ebenfalls interessant sind die Ausführungen zu § 11 ApoG – Stichwort Zuweisungsverbot. Während der BGH schon einmal entschieden hat, dass eine Abrede zwischen Arzt und Apotheker über die Zuweisung von Verschreibungen unzulässig ist, wenn es um Applikationsarzneimittel geht, ist eine niederländische Apotheke den Düsseldorfer Richtern zufolge nicht an diese Norm gebunden. § 11 ApoG richte sich nämlich allein an deutsche Apotheken und gehöre auch nicht zu den Vorschriften, die ausländische Versandapotheken nach § 73 Abs. 1 Nr. 1a AMG einhalten müssen. § 11 ApoG habe einen klaren Wortlaut und richte sich an „Erlaubnisinhaber und deren Personal“. Die beklagte Apotheke sei aber keine Inhaberin einer deutschen Betriebserlaubnis. „Ihr Verhalten unterliegt damit nicht nur der Aufsicht der niederländischen Behörden, es richtet sich allein danach, was in den Niederlanden zulässig ist“, heißt es im Urteil.

Die OLG-Richter gehen zudem weitere in Betracht kommende Regelungen durch: Es liege keine Verleitung des Arztes zu einem Verstoß gegen § 43 AMG vor, wonach nur Apotheken Arzneimittel für Endverbraucher in den Verkehr bringen dürfen. Denn es handele sich hier um Applikationsarzneimittel – und dessen Anwendung durch den Arzt stelle sich nicht als in den Verkehr bringen, sondern als Endverbrauch im Sinne des Arzneimittelgesetzes dar. Ebenso wenig werde gegen das Verbringungsverbot (§73 AMG) verstoßen. Schließlich erkennen die Düsseldorfer Richter auch keine Verleitung der Ärzte zu einem berufsordnungswidrigen Verhalten. Verboten sei nach der ärztlichen Berufsordnung nur die Verweisung eines Patienten an eine bestimmte Apotheke „ohne hinreichenden Grund“. Ein solcher Grund könne aber schon daran liegen, dass der Patientin ein erneutes Aufsuchen der Arztpraxis erspart bleibt, wie hier.

BGH weist Revision zurück - Urteil hat Bestand

Dieses Urteil hat nun Bestand – denn der BGH hat die Revision des VSV zurückgewiesen. Seitens der Prozessbeteiligten ist jedoch zu hören, dass die Karlsruher Richter in der mündlichen Verhandlung durchblicken ließen, dass sie die Auffassung nicht teilen, die Unionsrechtswidrigkeit der Preisbindung auch für EU-ausländische Apotheken stehe durch die EuGH-Rechtsprechung fest. Da es sich hier um denselben Zivilsenat handelt, der im DocMorris-Verfahren „Freunde werben Freunde“ eine erneute Vorlage zum EuGH nicht ausschloss, ist dies nachvollziehbar. Doch darauf kommt es offenbar aus Sicht des BGH vorliegend nicht an, weil die Parteien des Rechtsstreits vorgetragen hätten, einen solcher Verstoß liege nicht vor.

Im Hinblick auf § 11 ApoG hält der BGH es laut Prozessbeteiligten nach Sinn und Zweck zwar für geboten, diese Norm auch auf ausländische Versandapotheken anzuwenden. Im Hinblick auf den Wortlaut sei die Anwendung jedoch problematisch. Auf die genauen Urteilsgründe darf man nun gespannt sein.

Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. Juni 2017 Az.: I-20 U 38/16

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. April 2018, Az. I ZR 121/17 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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3 Kommentare

Autovervollständigung

von Martin Didunyk am 30.05.2018 um 12:52 Uhr

Autovervollständigung macht aus BAK -> Bakterien......
Sorry für paar kleine Rechtschreibfehler..... Inhalt dürfte verstanden werden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Mitbewerber aus der EU + Gerichte entwickeln Geschäftsmodelle / WIR SCHWEIGEN !

von Martin Didunyk am 30.05.2018 um 10:42 Uhr

Liebe Kolleginnen, Kollegen,

-AMPreisVerordnung - ein Schatten seiner selbst - zunehmen ein Schweizer Käse.

-Fremdbesitz - Berichterstattung über Übernahmen im deutschen Versandapothekenmarkt zeigt die Facetten der Umgehungsstrategie.

-Zuweisung unter Leistungserbringern - siehe hier

-Zuweisung der Patienten durch Krankenkassen ? - eine Frage der Phantasie ?

in Berlin baut unsere ABDA ein neues repräsentatives Gebäude von schlichter Eleganz.

Die Fundamente der deutschen auf denen die deutsche Apothekerschaft existiert und agiert sind aber während dessen deutlich aufgeweicht. Zu kümmern scheint es in der oberen Etagen der ABDA, DAV, Bakterien aber niemanden. Offensichtlich sind die Rücklagen aus Gebühren der letzten Jahrzehnte noch so hoch, daß das "Tagesgeschäft" keine Rolle spielt. Aber dabei könnten wir uns irren.

@Berlin
bitte setzt eine strategische Richtung und Ziele um, anstatt nonstop aus der hinteren Reihe zu reagieren.
Übernehmt thematische und kommunikative Hoheit anstatt präsidialer Tipps.
Nutzt Engagement und Expertise des Berufsstandes und holt frische Gesichter voller Energie und KnowHow anstatt politische Geschäftsmodelle fortzusetzen, die schon in den letzten 15 Jahren versagten.

Wäre das nichts ?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

Ausländische

von Christian Becker am 30.05.2018 um 10:10 Uhr

Soweit ich weiß, geht es um ausländische Versandapotheken, nicht nur niederländische.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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