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Die teilweise Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes bewegt nicht nur die Ärzte, sondern auch die Politik und viele andere Bereiche im Gesundheitswesen. Die ABDA hingegen sieht keinen Handlungsbedarf: Für die Apotheker ändere sich nach dem Ärztetag-Beschluss nichts, teilte die Standesvertretung mit – obwohl es Ansätze zur Beteiligung der Apotheke vor Ort bereits gibt. Mit dieser Argumentation macht die ABDA nicht nur einen sachlichen Fehler, sondern läuft Gefahr, eine nicht mehr aufzuhaltende Entwicklung zu verschlafen und sie in fremde Hände zu geben, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer.
Für das Gesundheitswesen waren die Beschlüsse des diesjährigen Ärztetages revolutionär: Mit großer Mehrheit beschloss er eine Neufassung des § 7 Absatz 4 der (Muster-) Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte. Konkret soll die ausschließliche Fernbehandlung auch ohne vorherigen persönlichen Erstkontakt „in Einzelfällen“, und wenn es medizinisch-therapeutisch zu vertreten ist, erlaubt sein.
Dass dieser Beschluss das gesamte Gesundheitswesen bewegt, zeigte sich schon im Vorfeld: Etliche ärztliche Video- oder Telefonberatungsmodelle sprossen aus dem Boden, zwei Landesärztekammern änderten ihre Satzungen und immer mehr Unternehmen widmeten sich auch der Frage, wie man den fernbehandelten Patienten am Ende der Video-Beratung ein Rezept zukommen lassen könnte. Für GKV-Patienten gibt es da noch keine einfache Lösung, schließlich muss das Rezept in Papierform vorliegen. DrEd praktiziert den Rezept-Versand schon seit Jahren aus dem Ausland. Allerdings gilt seit einiger Zeit, von Modellprojekten abgesehen, ein Fernverordnungsverbot und Apotheken in Deutschland dürfen die Rezepte nicht beliefern. Und mit dem E-Health-Unternehmen Vitabook gibt es jetzt auch hierzulande ein Modell, das allerdings mehr als fragwürdig ist.
Kurzum: Da ist was los im Markt. Da bewegt sich was. Wäre es nicht gut, die Apotheker an einer solchen Entwicklung aktiv zu beteiligen? Die ABDA meint: Nein. In einer Pressemitteilung zur Eröffnung des Pharmacon-Kongresses in Meran schickte die Standesvertretung der Apotheker am gestrigen Montag einige Zitate von Bundesapothekerkammer-Präsident Andreas Kiefer in die Welt hinaus, die auch bei vielen Apothekern für Verwunderung sorgen dürften: „Die beste Art der Gesundheitsversorgung ist und bleibt persönlich und unmittelbar – auch in den öffentlichen Apotheken. Daran ändert auch der Beschluss des Deutschen Ärztetags zum Fernbehandlungsverbot nichts. Weil nach ausschließlicher Fernbehandlung auch nach Vorstellung der Bundesärztekammer keine Rezepte ausgestellt werden dürfen, ändert sich für Apotheken nichts.“
Nicht alles Neue ist auch gleichzeitig gut
Klar ist: Nicht alles, was neu ist, ist auch gleichzeitig gut. Aber sollte man bestimmte Entwicklungen nicht lieber mitgestalten, als das den DrEds und Vitabooks dieser Welt zu überlassen? Hinzu kommt, dass Kiefers Aussage teilweise auch falsch ist. So behauptet der BAK-Präsident, dass der Ärztetag sich neben der Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes dafür ausgesprochen habe, dass Rezepte weiterhin nicht online ausgestellt werden dürfen. Richtig ist, dass es auf dem Ärztetag zwar einen solchen Antrag gab – der wurde aber nicht beschlossen, sondern nur zur weiteren Beratung an den Vorstand überwiesen.
Die Kiefer-Aussage könnte sich mittel- bis langfristig aber auch zum Nachteil für den Berufsstand entwickeln. Denn die ABDA stellt damit sinngemäß klar: Wir werden uns an den neuen Formen der Telemedizin nicht beteiligen! Schon aus politischer Sicht ist das keine vielversprechende Taktik: Schließlich sitzt mit Jens Spahn (CDU) ein Minister im Bundesgesundheitsministerium, der neue, digitale Versorgungsformen unterstützen will und den Apothekern in der Vergangenheit mehrfach signalisiert hat: Spielt mit, macht uns Erneuerungsvorschläge, sonst wird an euch vorbei erneuert.
Telemedizin geht auch mit Apothekern
Die Aussage ist aber auch deswegen bedenklich, weil die ABDA damit
schlichtweg übersieht, was im Markt passiert. In Baden-Württemberg startete kürzlich
das Versorgungsmodell Teleclinic, bei dem (bislang nur privatversicherte)
Patienten nach der ärztlichen Video-Beratung ein Online-Rezept erhalten, dass
sie an eine Apotheke vor Ort weiterleiten können, damit es dort eingelöst wird –
und NUR dort. Auch die Noweda entwickelt derzeit ein ähnliches Modell, bei dem
der Kunde Online-Bestellungen über seine bekannte Vor-Ort-Apotheke einlöst.
Diese Projekte zeigen, dass es Apotheker gibt, die diese Entwicklung mitgehen
möchten und sich fragen: Warum sollte man dieses Feld den ausländischen Versand-Konzernen
überlassen? Die ABDA hingegen schließt dieses neue Versorgungs- und Geschäftsfeld von vornherein aus für die Apotheker.
Und auch mit Blick auf die Zufriedenheit der Patienten, dürfte sich die ABDA mit diesem Kurs ein Eigentor einfangen: Denn es dürfte nicht leicht zu erklären sein, dass Ärzte zwar per Video-Schaltung beraten dürfen, der Patient für das Rezept nach der Beratung aber doch noch einmal in die Praxis muss. DAZ.online wollte von der ABDA wissen, wie man sich den praktischen Ablauf eines solchen Beratungsgespräches vorstellt und wie man dem Patienten diesen Widerspruch erklären könne. Die Antwort von BAK-Präsident Kiefer: „Über Fragen der ärztlichen Berufsausübung entscheiden die Ärzteschaft und ihre Gremien.“
5 Kommentare
Überlebt die Deutsche Apotheke?
von Heiko Barz am 30.05.2018 um 11:28 Uhr
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AW: Überlebt die Deutsche Apotheke
von Martin Didunyk am 30.05.2018 um 12:27 Uhr
Eigentore und Fehlpässe
von Ulrich Ströh am 29.05.2018 um 18:31 Uhr
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Die Bundes* luft./. Realitätsverlust
von Martin Didunyk am 29.05.2018 um 13:31 Uhr
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Herr Froese !!!!
von gabriela aures am 29.05.2018 um 13:24 Uhr
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