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Freie Apothekenwahl, Fernverordnungen, Werbung
Online-Arztpraxen fordern weitere Deregulierungen
In den kommenden Tagen könnte der Deutsche Ärztetag die Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes beschließen. Den Betreibern von Fernarzt-Portalen reicht diese Deregulierung aber nicht: Gegenüber DAZ.online erklären die Betreiber von „Fernarzt.com“ und „DrEd“, dass die Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes wenig bringe, solange es gerade bei der Arzneimittel-Verordnung noch viele Regulierungen gibt. Konkret geht es um die freie Apothekenwahl und das Verbot von Online-Rezepten.
Bislang sind im bundesweit gültigen Berufsrecht der Mediziner „ausschließliche“ Behandlungen von Patienten über Telefon und Internet untersagt. Dies könnte sich aber nun ändern: Laut einem Antrag des Vorstands der Bundesärztekammer soll dies künftig „im Einzelfall“ erlaubt sein, aber nur, wenn es ärztlich vertretbar und die Sorgfalt gewahrt ist. In Baden-Württemberg sind solche Fernbehandlungen im Rahmen von Modellprojekten bereits ermöglicht worden – die ersten Projekte sind auch schon gestartet. In Schleswig-Holstein hat die Ärztekammer das Verbot erst kürzlich komplett gekippt.
Insbesondere die Betreiber von Fernarzt-Portalen müsste dies eigentlich erfreuen, müsste man meinen. Schließlich musste sich die wohl bekannteste Online-Praxis, DrEd, aufgrund der Regulierungen hierzulande in Großbritannien niederlassen und von dort aus beraten. Erst vor wenigen Monaten eröffnete die Online-Praxis „Fernarzt.com“ – ebenfalls in Großbritannien. Und auch die dritte nennenswerte Konkurrenz von DrEd, „doktoronline.de“, sitzt im Ausland, nämlich in den Niederlanden.
Doch die Portalbetreiber sind keineswegs zufrieden mit der bloßen Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes. Gegenüber DAZ.online fordern sie weitergehende Deregulierungen in der Telemedizin, die sich insbesondere auf die Verordnung von Arzneimitteln beziehen. Die Betreiber von „Fernarzt.com“ haben sogar eine ganze Liste an Regulierungen und Gesetzen vorgelegt, die aus ihrer Sicht noch aufgehoben oder geändert werden sollten. Dazu gehören:
- Der Paragraf 9 des Heilmittelwerbegesetzes verbietet den Betreibern derzeit die Werbung für die Fernbehandlung: „Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung).”
- Paragraf 48 des Arzneimittelgesetzes wurde erst vor einigen Jahren geändert, die Rede ist hier vom sogenannten Fernverordnungsverbot: „Eine Abgabe von Arzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, darf nicht erfolgen, wenn vor der ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung offenkundig kein direkter Kontakt zwischen dem Arzt oder Zahnarzt und der Person, für die das Arzneimittel verschrieben wird, stattgefunden hat. Hiervon darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden, insbesondere, wenn die Person dem Arzt oder Zahnarzt aus einem vorangegangenen direkten Kontakt hinreichend bekannt ist und es sich lediglich um die Wiederholung oder die Fortsetzung der Behandlung handelt.”
- „Fernarzt.com“ stört sich auch daran, dass die Online-Portale wegen des Apothekengesetzes keine bestimmte Apotheke von sich aus beauftragen dürfen. Paragraf 11 des Apothekengesetzes verbietet es deutschen Ärzten bestimmten Apothekern ein Rezept zuzuweisen. Danach dürfen Apotheken und Ärzte keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die die Zuweisung von Verordnungen zum Gegenstand haben. Diese Vorschrift soll das freie Apothekenwahlrecht der Patienten schützen. Eine ähnliche Vorschrift befindet sich in der Berufsordnung der Ärzte (Empfehlungsverbot). Zumindest bei „Fernarzt.com“ ist das aber gelebte Realität: Die Online-Ärzte verschicken ihre Rezepte direkt an eine EU-Versandapotheke. Diese Praxis müssten die Betreiber einstellen, wenn sie sich in Deutschland niederlassen wollten.
- Die Betreiber des Portals befürchten auch, dass sie rechtliche Probleme bekommen könnten, wenn sie Patienten krankschreiben. Denn die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie des G-BA enthält die Passage: „Bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sind körperlicher, geistiger und seelischer Gesundheitszustand der oder des Versicherten gleichermaßen zu berücksichtigen. Deshalb dürfen die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit und die Empfehlung zur stufenweisen Wiedereingliederung nur auf Grund ärztlicher Untersuchungen erfolgen.”
DrEd: Uns egal, ob Versand oder Apotheke
Der Berliner Startup-Unternehmer, der mit seiner „Hitfox Group“ neben anderen Portalen auch „Fernarzt.com“ betreibt, erklärte gegenüber DAZ.online: „Wir finden es natürlich großartig, dass mit der neuen Musterberufsordnung erste Schritte in Richtung Liberalisierung unternommen wurden. Aber es muss noch viel mehr passieren, damit Telemedizin in der Realität ankommt: Deutsche Apotheker dürfen aktuell keine Rezepte von Telemedizin-Anbietern einlösen. Auch ist es rechtlich unsicher, ob per Fernbehandlung Krankschreibungen ausgestellt werden dürfen. Diskutiert wird außerdem, ob der postalische Versand von Arzneimitteln verboten wird. Auch ist die soeben beschlossene Musterberufsordnung nur eine Vorlage, die jetzt noch ihren Weg in die einzelnen Bundesländer finden muss. Im Saarland hat die Ärztekammer sich beispielsweise gerade gegen die Fernbehandlung gestellt. Und zuletzt muss man sich auch fragen, wie sich Telemedizin durchsetzen soll, wenn man sie nicht bewerben darf oder die Vergütung über die Krankenkassen nicht attraktiv ist.“
DrEd: Rx-Versandverbot wäre unnötige Einschränkung
Und auch die Online-Praxis DrEd fordert weitergehende Deregulierungen. Die Änderung der Musterberufsordnung bezeichnet eine Sprecherin des Londoner Unternehmens zwar als „Paradigmenwechsel“ und „klaren Durchbruch“. Allerdings hat auch DrEd noch weitere Forderungen an die Politik. „Um das volle Potenzial der Telemedizin ausschöpfen zu können, muss auch das Fernverordnungsverbot rückgängig gemacht werden. Eine Änderung des Heilmittelwerbegesetzes wäre ebenfalls zielführend, um die Telemedizin in Deutschland weiter voranzutreiben. Ein nächster logischer Schritt ist die Erstattung telemedizinischer Leistungen, um Patienten den Zugang zu Online-Beratungen und Behandlungen zu erleichtern.“ Ein Rx-Versandverbot hält das Unternehmen für ebenso unnötig wie seine Konkurrenz. Zugang und Wahl der Versorgung sollten erweitert werden und nicht beschränkt, so die Sprecherin.
DrEd pocht auch darauf, dass das oben genannte Fernverordnungsverbot wieder aufgehoben wird. Die Online-Arztpraxis hatte schon vor zwei Jahren erklärt, dass die Apotheker die wirklichen Verlierer des Verbotes seien, weil man nun gezwungen sei, mit EU-Versendern zusammenzuarbeiten. Und so erklärt die Sprecherin: „Durch die sogenannte ‚Lex DrEd‘ ist die Wahl für Patienten eingeschränkt worden. Wir würden es sehr begrüßen, wenn Patienten zukünftig wieder entscheiden könnten, ob sie Rezepte direkt in Apotheken vor Ort einlösen möchten.“ Und auch in Zukunft will man eine Zusammenarbeit mit den Apothekern nicht ausschließen. Denn: „Als Arztpraxis ist es für DrEd irrelevant, ob das Rezept in einer Apotheke vor Ort oder in einer Versandapotheke eingelöst wird. Hauptsache, die medikamentöse Versorgung unserer Patienten ist sichergestellt.“
2 Kommentare
Scheinheilige Mischpoke
von Gunnar Müller, Detmold am 10.05.2018 um 14:58 Uhr
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Fernbehandlung - nee is klar
von ratatosk am 09.05.2018 um 22:16 Uhr
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