Weltasthmatag / Pädiatrie

Asthma – was bei Kindern anders ist

Stuttgart - 02.05.2018, 12:20 Uhr

Bei Kindern
unter fünf Jahren sollen grundsätzlich
Treibgasdosieraerosole mit Spacer bevorzugt werden. Sobald wie möglich wird die Gesichtsmaske aber durch ein
Mundstück ersetzt. (Foto: Miroslav Beneda / stock.adobe.com) 

Bei Kindern unter fünf Jahren sollen grundsätzlich Treibgasdosieraerosole mit Spacer bevorzugt werden. Sobald wie möglich wird die Gesichtsmaske aber durch ein Mundstück ersetzt. (Foto: Miroslav Beneda / stock.adobe.com) 


In Deutschland ist Asthma eine der häufigsten chronischen Erkrankungen, die bei circa zehn Prozent der Kinder und fünf Prozent der Erwachsenen vorkommt. Zu diesem Häufigkeitsverhältnis passt das Motto des gestrigen Weltasthmatages: „Never too early, never too late.“ Während sich also bei Erwachsenen der Beginn einer Asthmatherapie immer lohnt, sollten gerade auch Kinder frühzeitig behandelt werden. Was bei Kindern anders ist, hat DAZ.online auf Basis der aktuellen Asthma-Leitlinien zusammengestellt.

Mehr als die Hälfte der Asthmapatienten, bei denen im Kindesalter Asthma diagnostiziert wurde, haben im Erwachsenenalter keine Asthma-typischen Symptome mehr. Das ist nicht der einzige Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen beim Thema Asthma. Je jünger die Kinder sind, desto schwieriger ist es, die Diagnose Asthma zu stellen. So machen beispielsweise viele Kleinkinder mehrfach obstruktive Bronchitiden durch, denen aber Virusinfektionen zugrunde liegen, sodass die Symptomatik nach dem dritten Lebensjahr oft verschwindet. Dennoch können die Symptome Anzeichen eines frühkindlichen Asthmas sein. Klassisch liegen bei Kindern dann wiederholte Episoden von erschwerter Atmung oder Atemnot vor. Sie werden oft von trockenem Reizhusten und geräuschvoller Ausatmung begleitet – zum Beispiel während oder nach dem (körperlich aktiven) Spielen oder Lachen. Bei Asthma-Verdacht sollte deshalb aktiv nach Beschwerden bei körperlicher Belastung und nach allergologischen Befunden gefragt werden.

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Die Empfehlungen zur medikamentösen Asthma-Therapie der aktuellen deutschen Asthma-Leitlinien beziehen sich auf Kinder ab dem sechsten Geburtstag. Klein- und Vorschulkinder sind somit als eigene Patientengruppe zu betrachten und von der Darstellung in den Leitlinien ausgenommen. In der abgelaufenen nationalen Versorgungsleitlinie Asthma wurde auch speziell auf Kleinkinder eingegangen, sie befindet sich derzeit in Überarbeitung.

Wie bei Erwachsenen kann auch bei Kindern und Jugendlichen schon ab der ersten Therapiestufe der Einsatz eines niedrig dosierten inhalativen Glucocorticoids (ICS) erwogen werden. Bei Bedarf werden bei beiden Altersgruppen sowohl in Stufe eins als auch in Stufe zwei kurz wirksame Beta-2-Agonisten (SABA) empfohlen. Bei Kindern unter fünf Jahren sollen für die Inhalation grundsätzlich Treibgasdosieraerosole mit Spacer bevorzugt werden. Sobald wie möglich sollte aber die Gesichtsmaske durch ein Mundstück ersetzt werden. 

Asthma-Stufentherapie für Kinder und Jugendliche nach Leitlinie
1. Wahl  Andere Optionen Bei Bedarf
Stufe eins Niedrige ICS-Dosis erwägen SABA 
Stufe zwei niedrige Dosis ICS LTRA
Stufe drei

Mittlere Dosis ICS

(Erwachsene: Niedrige Dosis ICS und LABA)

 

(Erwachsene: Mittlere bis hohe ICS-Dosis, ICS plus LTRA)

SABA oder bei Jugendlichen über zwölf Jahren: niedrig dosiertes ICS plus Formoterol
Stufe vier

Mittlere Dosis ICS

Kombination mit LABA und/oder LTRA  (Erwachsene: Mittlere bis hohe Dosis ICS und LABA)

hohe ICS-Dosis, Kombination mit LABA und/oder LTRA 

(Erwachsene: plus Tiotropium) 

Stufe fünf

Additiv zu Stufe vier:

Anti-IgE

(Erwachsene: Tiotropium oder Biologikum)

Gegebenenfalls niedrigste effektive Dosis oraler Corticoide

Speziell bei Kindern sollte darauf geachtet werden, die antiinflammatorische Langzeittherapie anzupassen, wenn regelmäßig SABA vor dem Sport notwendig sind. In Stufe zwei ist für Kinder die ICS-Therapie die erste Wahl; alternativ kann Montelukast (LTRA, Leukotrienrezeptor-Antagonist) zum Einsatz kommen. Montelukast ist in Deutschland nur für leichtes bis mittelschweres Asthma zugelassen. Es kann zwar auch bei erwachsenen Patienten eingesetzt werden, die eine ICS-Therapie ablehnen oder bei denen eine Therapie mit ICS nicht möglich ist. Zugelassen ist Montelukast in dieser Indikation als Monotherapie in Deutschland aber nur für Kinder, in anderen Ländern auch für Erwachsene. 

Während bei Erwachsenen in Stufe drei weiterhin niedrig dosierte ICS in Kombination mit LABA (langwirksamen Beta-2-Agonisten) angewendet werden, sollen bei Kindern ICS als Monotherapie in mittlerer Dosis eingesetzt werden. Eine andere Therapie-Option ist für Kinder in Stufe drei nicht vorgesehen. Zur Symptomkontrolle soll aber in jeder Therapiestufe ein SABA eingesetzt werden. Ab Therapiestufe drei kann dann bei Jugendlichen über zwölf Jahren und Erwachsenen alternativ auch eine Fixkombination aus ICS und Formoterol im Rahmen eines (S)MART-Konzeptes zur Symptomkontrolle eingesetzt werden ((S)MART: (Single inhaler) Maintenance And Reliever Therapy). In Einzelfällen kann bei Jugendlichen eine Kombination aus ICS mit LABA bereits bei Stufe zwei sinnvoll sein. 

Während bei Erwachsenen in begründeten Fällen Theophyllin mit verzögerter Wirkstofffreisetzung weiterhin verordnet werden kann, sollte es bei Kindern und Jugendlichen in Stufe drei nicht eingesetzt werden. Für Kinder und Jugendliche gilt, dass bei unzureichender Asthmakontrolle unter einer Therapie in Stufe drei die Vorstellung in einem spezialisierten Zentrum beziehungsweise bei einem Kinderpneumologen zur Klärung erwogen werden sollte.

Vor dem Übergang auf Therapiestufe vier, sollte das Asthma von Kindern und Jugendlichen also diagnostisch neu evaluiert werden. ICS werden dann in mittlerer  bis hoher Dosis in einer fixen Kombination mit einem LABA und/oder mit einem LTRA eingesetzt. Theophyllin sollte in Stufe vier nur ausnahmsweise als Add-on-Therapie erwogen werden. Tiotropium ist für Erwachsene mit ungenügender Asthma-Kontrolle trotz Behandlung mit ICS und LABA, sowie mindestens einer Exazerbation im letzten Jahr eine Option zur Therapie-Eskalation. Auch für Kinder und Jugendliche gibt es Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit, jedoch bestand bei Erstellung der Leitlinie in Deutschland keine Zulassung für Kinder (Stand 2017).

Cortison ist nicht gleich Cortison

Kinder und Jugendliche erhalten initial eine niedrige oder mittelhohe ICS-Dosis. Nur ausnahmsweise kommen schon bei der Erstbehandlung hochdosierte oder kombinierte Therapien zum Einsatz. Wie bei den Erwachsenen kann bei einer über einen längeren Zeitraum stabilen Asthmakontrolle (circa drei Monate) die Therapie stufenweise reduziert werden – sofern sich die Asthmakontrolle nicht wieder verschlechtert. 

Grad der Asthma-Kontrolle nach Leitlinie (gekürzt) Kontrolliertes Asthma bei Erwachsenen  Kontrolliertes Asthma bei Kindern 
Symptome tagsüber maximal zweimal pro Woche keine
Symptome nachts  keine keine
Bedarfsmedikation maximal zweimal pro Woche keine
Aktivitätseinschränkung keine keine
FEV1 normal normal
Exazerbation keine keine

Wenn nach initial niedrigdosierter ICS-Therapie die Asthmakontrolle also noch unzureichend ist, sollte sie zunächst in den oberen Niedrigdosisbereich beziehungsweise in den untersten mittelhohen Bereich erhöht werden – was dann Therapiestufe drei entspricht. Als nächster Schritt ist die Kombination mit einem LABA sinnvoll. Kommt es damit jedoch zu keiner Verbesserung der Symptome, sollte die LABA-Therapie wieder beendet werden. Stattdessen wird dann die ICS-Dosis verdoppelt. Alternativ kann die Kombination aus ICS und LTRA (Leukotrienrezeptor-Antagonist) versucht werden.

Bei der Auswahl der ICS ist insbesondere für Kinder und Jugendliche zu beachten, dass die verfügbaren ICS ein unterschiedliches Risiko unerwünschter Wirkungen besitzen. Deshalb soll die jeweils niedrigste Dosis der Substanz mit dem geringsten Risiko für systemische Wirkungen bevorzugt werden. Auch bei Inhalation im niedrigen Dosisbereich ist eine systemische Wirkung nicht auszuschließen.

Tabelle nach Leitlinie

Tagesdosen inhalativer Glucocorticoide in µg

Niedrige DosisMittlere DosisHohe Dosis

Wirkstoff

ErwachseneKinder und Jugendliche Erwachsene Kinder und Jugendliche ErwachseneKinder und Jugendliche  
Beclometason: Produkte mit Standardpartikel-spektrum200-500100-200 500-1000200-400 > 1000> 400 
Beclometason: Produkte mit extrafeinem Partikelspektrum100-20050-100 200-400100-200 > 400> 200 
Budesonid: im Trockenpulver-inhalator (DPI)200-400100-200 400-800200-400 > 800> 400 
Fluticason propionat: als DPI und HFA100-25050-200 250-500200-400 > 500 > 400
Keine Zulassung für Kinder unter zwölf Jahren   
Fluticason furoat: als DPI100100 - -200 200
Mometason 110-220110 220-440220-440 > 440 440
Ciclesonid: als Treibgas (HFA, Hydrofluoralkane)8080 160-32080-160 > 320 > 160

Die regelmäßige systemische Glucocorticoid-Therapie stellt für Kinder und Jugendliche die letzte Therapie-Option dar: So sollte sie nur von einem in der Behandlung von schwerem Asthma erfahrenen Zentrum nach differentialdiagnostischer Klärung in Betracht gezogen werden. Alle Maßnahmen zu Allergenreduktion sollten ausgeschöpft sein. In der Regel ist dann auch ein Behandlungsversuch mit Omalizumab bereits erfolgt.

Anti-IgE-Antikörper

Omalizumab, ist ein monoklonaler humanisierter, gegen Immunglobulin E gerichteter Antikörper. Er wird für Kinder ab sechs Jahren, Jugendliche und Erwachsene mit schwergradigem allergischem Asthma empfohlen, das durch eine Stufe-vier-Therapie nicht adäquat zu kontrollieren ist: Ab dem siebten Lebensjahr ist Omalizumab also eine zusätzliche Option. Vor dem Einsatz muss ein Allergietest eine Reaktivität gegen ein ganzjährig auftretendes Aeroallergen zeigen und bei Kindern über zwölf Jahren eine reduzierte Lungenfunktion vorliegen. Die Patienten leiden zudem häufig unter Symptomen während des Tages oder an nächtlichem Erwachen. Trotz täglicher Therapie mit einem hoch dosierten ICS und einem LABA wurden vor der Omalizumab-Therapie schwere Exazerbationen dokumentiert. Allerdings ist ein Ansprechen auf Omalizumab nicht garantiert, auch wenn die Patienten alle genannten Kriterien erfüllen. Der Therapieerfolg sollte deshalb über mindestens vier Monate von erfahrenen Ärzten beurteilt werden, danach in jährlichen Intervallen.

Omalizumab kann auch bei Patienten ohne Allergienachweis wirksam sein, ist dafür aber nicht zugelassen.

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Übrigens äußert sich die Leitlinie auch zum Thema Asthmaprävention. Ihr Fazit lautet: „Zu meiden sind Tabakrauch- und KFZ-Abgasexposition, feuchtes Innenraumklima, Tierhaar- und Hausstaubmilbenexposition bei nachgewiesener Sensibiliserung und klinischen Symptomen, Übergewicht sowie Breitbandantibiotika und Paracetamol während der Schwangerschaft und ersten Lebensphase – wenn vertretbar! Eine vaginale Entbindung sollte, soweit möglich, angestrebt werden.“ 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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