Interview Karin Maag (CDU)

„Von mir aus müssen wir das Honorar-Gutachten nicht aufgreifen“

Berlin - 05.03.2018, 07:00 Uhr

Die neue gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag, will das Honorar-Gutachten des BMWi nicht von sich aus aufgreifen, um die Vergütung der Apotheker zu reformieren. (Foto: Külker)

Die neue gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag, will das Honorar-Gutachten des BMWi nicht von sich aus aufgreifen, um die Vergütung der Apotheker zu reformieren. (Foto: Külker)


Eine zentrale Rolle in der Gesundheitspolitik der Großen Koalition wird die neue gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), spielen. DAZ.online hat nachgefragt, welche Pläne die Union im Apothekenmarkt verfolgen wird. Maags Ansage: Beim Rx-Versandverbot will sie nicht nachlassen. Freuen dürfen sich die Apotheker auch über Maags Aussage zum Honorar-Gutachten. Was die Anpassung des Honorars betrifft, sagt Maag ebenso deutlich: Die Apotheker sollten es nicht übertreiben.

DAZ.online: Sehr geehrte Frau Maag, seit etwa drei Wochen sind Sie nun gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion. Was hat sich geändert?

Maag: Man wird als Sprecherin schon vermehrt und auch stärker wahrgenommen, das mediale Interesse aber auch das politische Interesse an meiner Arbeit ist größer als zuvor. Natürlich sind auch viele neue Aufgaben auf mich zugekommen, beispielsweise organisiere ich jetzt die Arbeitsgruppe Gesundheit, auch für das Agenda Setting ist mein Büro nun zuständig.

DAZ.online: Zum Thema Agenda Setting: Welches Thema haben Sie denn gleich zu Anfang auf die Tagesordnung gesetzt?

Maag: Aktuell beschäftigt uns die europäische Nutzenbewertung, der Entwurf der HTA-Verordnung.

DAZ.online: Die EU-Kommission hat ihren Entwurf für diese Richtlinie doch erst kürzlich vorgestellt. Warum beschäftigt das den deutschen Gesetzgeber denn jetzt schon?

Maag: Ganz einfach: Weil wir schon sehr früh eine sogenannte Subsidiaritätsrüge bei der EU abgeben müssten, die Frist dafür verstreicht im April.  Mit solchen Rügen können sich die Nationalstaaten in noch laufende EU-Gesetzgebungsverfahren einmischen und sich über eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips beschweren. Wir sind aber noch nicht entschieden, ob wir das wirklich machen.

Zur Person

Karin Maag wurde 1962 in Stuttgart geboren, studierte nach dem Abitur Jura und arbeitete nach dem Studium zunächst als Rechtsanwältin. Später arbeitete sie in der Stadtverwaltung von Stuttgart, 2007 wechselte sie als Ministerialdirigentin an die Spitze der Verwaltung des baden-württembergischen Landtags. 2009 zog sie über das Direktmandat im Wahlkreis Stuttgart II in den Bundestag ein. Seitdem konnte sie ihren Wahlkreis stets gewinnen. Maag verfügt über eine große gesundheitspolitische Expertise: In den vergangenen beiden Legislaturperiode saß sie bereits im Gesundheitsausschuss. Ende Januar wurde sie von ihrer Fraktion zur neuen gesundheitspolitischen Sprecherin gewählt.

DAZ.online: Was spricht denn dafür und was dagegen?

Maag: Ich persönlich sage als Juristin natürlich: Lasst uns sicherheitshalber erstmal einen Rechtsbehelf einlegen. Denn später ärgert man sich vielleicht, dass man die Chance verpasst hat. Für Juristen wäre das ein gängiger Weg. Dagegen spricht, dass wir uns im Koalitionsvertrag für einen Aufbruch in Europa ausgesprochen haben. Da sollte die erste Amtshandlung vielleicht nicht gleich für eine Subsidiaritätsrüge sein. Das werden wir in Ruhe abwägen.

DAZ.online: Wie sehen Sie das denn inhaltlich mit der europäischen Nutzenbewertung?

Maag: An vielen Stellen muss ich noch schlauer werden, weil hier die Interessen der Krankenkassen und der Pharmaindustrie meilenweit auseinander klaffen. Ich bin mir aber sicher, dass wir im Falle einer solchen Nutzenbewertung auf EU-Ebene sehr genau hinschauen müssten, auf welche Standards wir uns einigen. Es kann nicht sein, dass wir unsere Standards absenken.

Europa und die Apotheker

DAZ.online: Auf für Apotheker werden europapolitische Fragen immer wichtiger. Erst entscheidet der EuGH, dass sich EU-Versandapotheken nicht an die hiesige Preisbindung halten müssen, dann beschließt das EU-Parlament eine neue Dienstleistungsrichtlinie, die sich negativ auf die Freien Berufe auswirken könnte. War nicht eigentlich ausgemacht, dass sich Europa aus den Gesundheitssystemen der Nationalstaaten heraushält?

Maag: Und das soll auch genau so bleiben. Auch ich sehe, dass sich Europa mit Hinweis auf den freien Binnenmarkt immer mehr Krümel vom Kuchen sichern will. Ich setze mich dafür ein, dass die Grenze für das Gesundheitswesen eingehalten wird. Es gibt klare Zuständigkeiten – wenn sich jeder daran hält, gibt es auch keinen Ärger. Ich bin eine klare Europa-Befürworterin. In vielen Bereichen macht eine engere Zusammenarbeit Sinn, etwa in der Verteidigung oder in der Außenpolitik. In der Gesundheitspolitik macht eine weitere Angleichung der Systeme wenig Sinn, vor allem wenn Qualitätsstandards abgesenkt werden

DAZ.online: Also schmeckt es Ihnen vermutlich auch nicht, dass niederländische Versandapotheken hierzulande aggressiv um die Rezepte von Chronikern werben?

Maag: Richtig, das gefällt mir überhaupt nicht. Schon am selben Abend des EuGH-Urteils konnte man vor der Tagesschau die Boni-Versprechungen der EU-Versender sehen. Aus meiner Sicht sollten wir die Überlebensfähigkeit unserer eigenen Apotheken sichern, bevor wir uns um das Wohl der ausländischen Versandapotheken kümmern. Deswegen setzen wir uns auch für ein Rx-Versandverbot ein.

Karin Maag und DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer im Gespräch. (Foto: Külker)

DAZ.online: Warum steht da eigentlich „nur“ „Einsetzen“ im Koalitionsvertrag?

Maag: Weil auch das Rx-Versandverbot kein leichtes Unterfangen ist. Die Juristen des BMG werden sehr genau und klug formulieren müssen, um das Vorhaben rechtssicher zu machen. Aber zumindest der politische Druck sollte nun wegfallen, schließlich müsste sich auch die SPD an den Vertrag halten.

DAZ.online: Gibt es denn schon einen Zeitplan für das Verbot?

Maag: Nein, das wäre noch zu früh. Wir haben ja noch nicht einmal eine Regierung. Aber zu lange werden wir nicht warten, denn auch das Notifizierungsverfahren wird einige Zeit in Anspruch nehmen.

Jens Spahn und das Rx-Versandverbot

DAZ.online: Mit Jens Spahn haben Sie ja dann einen Bundesgesundheitsminister an der Seite, der – wie man hört – das Verbot eher kritisch sieht. In seiner Zeit als Staatssekretär im Finanzministerium widersprach das Finanzressort schließlich auch gegen das Verbot. Meinen Sie, Spahn wird das Vorhaben ausbremsen?

Maag: Zunächst einmal freue ich mich sehr über diese Nominierung. Herr Spahn und ich haben schon oft gut zusammengearbeitet. In dieser Frage werde ich allerdings nicht die Seiten wechseln: Für die AG Gesundheit der Unionsfraktion steht fest: Das Rx-Versandverbot muss kommen. Ich bin mir sicher, dass man das auch im BMG so sieht.

DAZ.online: Es gibt ja auch noch viele andere brisante Themen im Apothekenmarkt. Die Apotheker erwarten beispielsweise eine Debatte um ihr Honorar – schließlich liegt im Wirtschaftsministerium ein teures Honorar-Gutachten, das ihr eventuell künftiger Koalitionspartner in Auftrag gegeben hatte…

Maag: Also ich werde aus diesem Gutachten keine weiteren Schlussfolgerungen ziehen und hinsichtlich der Honorar-Debatte jetzt erst einmal nichts weiter unternehmen. Die darin vorhanden Daten sind schon interessant, allerdings sind fast alle Aussagen mit einer bestimmten Brille betrachtet und wirken sehr politisch. Von mir aus müssen wir dieses Gutachten also nicht weiter aufgreifen.

„Das Honorar-Fass sollten die Apotheker lieber nicht aufmachen"

DAZ.online: Aber auch die Apotheker wollen an ihrem Honorar schrauben. Einerseits fordern sie seit Jahren eine Dynamisierung ihres Fixhonorars, andererseits hätten sie gerne vergütete Beratungsleistungen. Eine realistische Forderung?

Maag: Auch hier sage ich klar: Dieses Fass sollten die Apotheker zumindest in dieser Wahlperiode mit Blick auf das Rx-Versandverbot nicht mehr aufmachen. Wir haben mit den Rezeptur- und BtM-Honoraren in der vergangenen Legislaturperiode bereits viel unternommen. Davor wurde bereits das Fixum angepasst und die Notdienstpauschale eingeführt. Eine erneute Anpassung müsste man mir schon sehr gut erklären.

DAZ.online: Welche Themen werden Sie denn zu Ihren wichtigsten Baustellen machen?

Maag: Da fallen mir gleich mehrere Punkte ein. Natürlich wollen wir als Union in erster Linie in dieser Legislaturperiode die Versorgung im ländlichen Raum stärken und sogar verbessern. Das bezieht sich sowohl auf die ärztliche Versorgung, als auch auf die sektorenübergreifende Versorgung aber auch auf die Apotheken. Ein weiteres Mega-Thema wird die Digitalisierung. Hier liegt mir die elektronische Patientenakte besonders am Herzen, sie ist ein Muss, weil sie die Transparenz erhöht und die Versorgung verbessert. Ob die Akte letztlich auf Basis der Gematik kommt oder ob sich am Ende Einzellösungen wie etwa die von der AOK und der TK durchsetzen, wäre mir egal, solange gewährleistet ist, dass da kein Flickenteppich entsteht.

DAZ.online: Ihre Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie es mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen ja nicht ganz so ernst meinen können, wenn Sie gleichzeitig den Rx-Versandhandel verbieten können.

Maag: Die Liebe zur Digitalisierung am Rx-Versandhandelsverbot zu messen, halte ich für schwierig. Da wird ein Rezept per Brief abgeschickt, zwei Tage später kommt dann ein Paket geliefert, auch der Pizzaservice funktioniert ähnlich. Selbstverständlich liegt uns die Digitalisierung am Herzen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

Digitalisierung un RX

von Pharmie am 05.03.2018 um 14:59 Uhr

Endlich erkennt mal jemand was RX mit Digitalisierung zu tun hat... nämlich NIX!

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Da wäre es ja schon

von Stefan Haydn am 05.03.2018 um 11:45 Uhr

Darauf haben wir alle gewartet!

Noch mal zum Mitdenken: Das RX Versandverbot dient in erster Linie dem Verbraucher/Patienten, auch wenn es keiner wahr haben will. Diverse Tests der online Anbiter sollten dafür ausreichen.

Das hat aber nichts mit unserem Honorar zu tun. Sollen die Apotheken erneut auf den Inflationsausgleich und eine vernünftige Kostenrechnung verzichten?

Gerne, wenn das alle Übrigen im Gesundheitswesen und in Deutschland Tätigen auch freiwillig machen.
Unsere Politiker können da ja mal mit leuchtendem Beispiel vorangehen.
Davor darf aber gerne noch das Defizit der letzten Jahre ausgeglichen werden.

Auch der Verzicht auf Schulgeld bei den PTAs ist keine Wohltat für die Apotheke, sondern längst überfällig, nachdem auch die Heilerziehungspfleger kein Schulgeld mehr bezahlen müssen. Wie immer ist die Politik hier über drei Jahre zu spät dran.

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RX Versand

von Dr. Radman am 05.03.2018 um 9:30 Uhr

Es darf nicht den Eindruck entstehen, dass RX Vorsandverbot eine Gefälligkeit für die Apotheke sein wird. Es ist im Interesse der Versorgung der Bevölkerung und Erhalt der Apothekenstruktur in ländlichen Gebieten. Also ; bitte vorsichtig mit Formulierung, dass nur die Apotheker das wollen, sondern die betroffenen Menschen auf dem Land.

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ja klar, nicht übertreiben

von Karl Friedrich Müller am 05.03.2018 um 8:49 Uhr

wenn wir die gleichen Anpassungen bekommen, wie die Abgeordneten seit 2004, dann ist nichts übertrieben, oder?

DA MÜSST IHR ABER NOCH GANZ SCHÖN NACHLEGEN!

Was soll dieses dumme Gewäsch? Sind wir etwa Menschen 2. Klasse? Wie so viele Berufe im Gesundheitswesen? (Außer Ärzte)
Immer mehr Kosten! Immer mehr Aufwand!
Und unsere Mitarbeiter? Die Tarife sind VIEL zu niedrig!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: ja klar, nicht übertreiben

von DaKl am 06.03.2018 um 9:12 Uhr

Mag sein, aber das allerwichtigste und alles entscheidende politische Ziel, das um JEDEN Preis erreicht werden soll, ist doch eine Initiative gegen den RX-Versand, richtig? Das hat die Standesvertretung doch mehr als deutlich gemacht. Alles andere ist offenbar sekundär.

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