Stiftung Warentest

Keine cortisonhaltigen Nasensprays bei Heuschnupfen?

Stuttgart - 22.02.2018, 07:00 Uhr

Was hilft bei Heuschnupfen, fragt Stiftung Warentest. Die hier abgebildeten Samen sind übrigens nicht dafür verantwortlich, sondern die Pollen. (Foto: doris oberfrank-list / stock.adobe.com)

Was hilft bei Heuschnupfen, fragt Stiftung Warentest. Die hier abgebildeten Samen sind übrigens nicht dafür verantwortlich, sondern die Pollen. (Foto: doris oberfrank-list / stock.adobe.com)


Sollen Heuschnupfen-Patienten ihre allergischen Beschwerden mit lokalen Antihistaminika wie Levocabastin (Livocab®) und Azelastin (Vividrin® akut) behandeln oder eher mit topischen Corticoiden wie Beclometason, Mometason und Fluticason? Wissenschaftler haben eine klare Meinung zur besten Lokaltherapie bei allergischer Rhinitis. Stiftung Warentest auch – allerdings eine andere.

Auch wenn in manchen Regionen Deutschlands gerade noch die Überreste der letzten weißen Pracht liegen, denkt Stiftung Warentest bereits weiter. Frühjahr, Pollensaison, Heuschnupfen – welche Tipps haben die Verbraucherschützer auf Lager? Und: Entsprechen diese auch dem Stand der Wissenschaft? DAZ.online hat sich die Pollen-Tipps mal angeschaut.

Was rät Stiftung Warentest bei Heuschnupfen?

Als Mittel der ersten Wahl empfiehlt Stiftung Warentest Cromoglicinsäure noch vor lokalen Antihistaminika. Korrekt weisen die Verbraucherschützer auf die Wirklatenz von zwei Wochen hin. Rascher wirken lokale Antihistaminika. Heuschnupfen-Patienten, die vornehmlich Beschwerden an den Augen hätten, sollten versuchen mit Azelastin, Levocabastin oder Ketotifen der allergischen Reaktion beizukommen. Analog geht der therapeutische Rat für Allergiker mit verstopfter Nase zu antiallergischen Nasensprays. Die Verbraucherschützer präferieren als „Sprays für befreite Nasen“ die Wirkstoffe Azelastin und Levocabastin. Bei stärkeren allergischen Beschwerden empfehlen die Verbraucherschützer orale Antihistaminika wie Cetirizin und Loratadin. 

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Von Beclometason, Mometason, Fluticason – kein Wort. Stiftung Warentest vertritt allerdings einen generellen Standpunkt zu corticoidhaltigen Nasensprays bei allergischer Rhinitis: „Nasen­sprays mit Kortison etwa lindern die Beschwerden und belasten den Körper weit weniger als Kortison in Tabletten- oder Spritzenform. Doch bei Dauer­anwendung in der Nase sind örtliche Schäden nicht auszuschließen. Wir empfehlen die Sprays nur, wenn andere rezept­freie Mittel nicht reichen, und für höchs­tens vier Wochen am Stück.“

Lokale Glucocorticoide sind die effektivste Therapie bei allergischer Rhinitis

Da sind die Verbraucherschützer wohl schlauer als die aktuellste Leitlinie zur saisonalen allergischen Rhinitis. Die Wissenschaftler sehen das ein wenig anders, eigentlich genau andersrum. Sie bewerten eine lokale Therapie mit Corticosteroiden als die effektivste. Ließen sich die allergischen Beschwerden durch eine Monotherapie mit topischen Glucocorticoiden nicht hinreichend kontrollieren, sei der beste Kombinationspartner ein topisches Antihistaminikum. Von der gemeinsamen Gabe von topischen Corticoiden und oralen Antihistaminika rät die Leitlinie ab.

Auch die aktuellste deutsche Leitlinie „Therapie der akuten allergischen Rhinitis“ empfiehlt topische Corticoide: „Bei einer akuten allergischen und bei der rezidivierenden akuten Rhinosinusitis sollten lokale Corticoid-Anwendungen erfolgen.“

Nasale Gluco-corticoide Orale Anti-histami-nika Nasale Anti-histami-nika Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten
Obstruktion +++ + ++ +
Rhinorrhö +++ ++ ++ +
Niesen +++ ++ ++ +
Nasaler Juckreiz +++ ++ ++ +
Milde Symptome ++ + ++ ja
Schwere Symptome ++ Nein + Nicht als Monotherapie

Lokale Glucocorticoide sind die effektivste Maßnahme bei Heuschnupfen. Sie sind hinsichtlich Obstruktion, Rhinorrhö, Niesen und nasalem Juckreiz sowohl den nasalen als auch den systemischen Antihistaminika überlegen (siehe Tabelle; Quelle: Clinical Practice Guideline: Allergic Rhinitis).

Apotheker sollte Therapieentscheidung unterstützen 

Nicht ganz klar geht aus den Leitlinien hervor, ob bei milderen Symptomen topische Antihistaminika für die anti-allergische Therapie genügen. Vorteil der topischen Antihistaminika: Sie wirken schneller als lokale Corticoide.

Ohnehin sind Leitlinien – wie der Name sagt – Leitlinien und keine absolut verbindlichen Richtlinien. Meist haben sich jedoch schlaue Menschen lange Zeit wissenschaftlich mit dieser Erkrankung befasst – und man fährt therapeutisch wohl nicht ganz falsch, sich an diesen Empfehlungen zu orientieren. Letztlich sollte die endgültige Therapieentscheidung neben der besten wissenschaftlichen Evidenz immer auch die Patientenbedürfnisse berücksichtigen. Hier ist es jedoch nicht zuletzt auch Aufgabe des Apothekers überkritisch ablehnenden Patienten-Dogmen gegenüber Corticoiden jeder Art, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Und vielleicht auch empathisch über die potenziellen Gefahren – Etagenwechsel, Asthma – eines nur unzureichend behandelten „einfachen“ Heuschnupfens aufzuklären.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Scheindebatte...

von Christian Becker am 22.02.2018 um 11:24 Uhr

Was Stiftung Warentest oder irgendwelche Experten sagen, ist doch völlig egal.
Wichtig ist, was Glaeske und Becker-Brüser zu dem Thema sagen.

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