Aus Pflanzenabfall

Neues Verfahren zur Artemisinin-Gewinnung 

Berlin - 21.02.2018, 17:50 Uhr

Max-Planck-Forscher aus Magdeburg und Potsdam wollen Artemisinin in Zukunft kostengünstiger produzieren.(Foto: imago / manfred Ruckszio)

Max-Planck-Forscher aus Magdeburg und Potsdam wollen Artemisinin in Zukunft kostengünstiger produzieren.(Foto: imago / manfred Ruckszio)


Forscher haben eine Methode entwickelt, mit der sich der Malariawirkstoff Artemisinin in Zukunft umweltschonend und deutlich effizienter als bisher erzeugen lassen könnte – und zwar mit Hilfe von grüner Chemie, aus Pflanzenabfällen. In einem zu diesem Zweck von den Max-Planck-Forschern gegründeten Start-up-Unternehmen in den USA soll die Methode industriell umgesetzt werden.

Max-Planck-Forscher aus Magdeburg und Potsdam sind voller Optimismus, dass sich einer der wichtigsten Wirkstoffe gegen Malaria, Artemisinin, in Zukunft kostengünstiger produzieren lassen könnte. Nach eigenen Angaben haben sie dafür mit Hilfe grüner Chemie das Verfahren verbessert. Dabei werde Artemisinin schneller, umweltfreundlicher und effizienter als bisher aus Artemisia annua, dem einjährigen Beifuß gewonnen, sagte Peter Seeberger, Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam, am heutigen Mittwoch in Berlin. „Diese Entwicklung hat das Potenzial Millionen Leben zu retten.“ Andere Experten bleiben allerdings vorsichtiger.

Für die Entwicklung von Artemisinin aus Artemisia annua erhielt die chinesische Forscherin Tu Youyou 2015 den Medizin-Nobelpreis. Die neue Technik sei „ein Durchbruch bei der Artemisinin-Produktion“, sagt Seeberger nun. Das verbesserte Verfahren biete die Chance, die Herstellung von Malariamedikamenten zu revolutionieren. Denn durch eine ausreichende und effizientere Wirkstoff-Produktion würden Arzneien gegen Malaria auch für Menschen in Entwicklungsländern erschwinglicher.

Eine Revolution?

Jürgen May vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) würde es freuen, wenn den Kollegen ein Durchbruch gelungen wäre. „Revolutionen sieht man aber häufig erst ein paar Jahr später - im Rückblick“, schränkt er ein. Bei Malaria habe es schon viele Erfolgsmeldungen gegeben, die sich nicht bestätigten. May nennt seine Reaktion „vorsichtig optimistisch“. Jedes brauchbar neue Verfahren für Artemisinin sei aber erst einmal sinnvoll und gut.

Für May wäre allerdings die erfolgreiche Entwicklung eines synthetischen Wirkstoffs gegen Malaria etwas, das er eher mit Revolution verbindet. Das sei aber nicht in Sicht. Bereits heute gebe es Warnsignale aus Südostasien, wo sich Resistenzen gegen den Wirkstoff ausbilden. „Und dann bekommen wir ein Riesenproblem.“ Das sieht auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen so.

„Es müssen neue Mittel im Kampf gegen die Krankheit entwickelt werden“, sagt Marco Alves, Koordinator der Medikamentenkampagne in Berlin. „Ein Schwerpunkt sollte daher auch auf der Forschung liegen

Der natürliche Prozess beschleunigt

Bei den Max-Planck-Forschern ist die Freude über ihre Entdeckung aber erst einmal groß. Den Schlüssel zur Verbesserung der bisherigen Methode zur Artemisinin-Gewinnung fand die 27-jährige Doktorandin Susanne Triemer am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme in Magdeburg. Die Chemieingenieurin kopierte und beschleunigte sozusagen den natürlichen Prozess, den die einjährige Beifuß-Pflanze in der Natur zur Synthese von Artemisinin anwendet. Ausgangsstoff ist ein in der Pflanze enthaltener Vorläufer der Artemisininsäure, die Dihydroartemisininsäure. Für die industrielle Gewinnung des Wirkstoffs aus geernteten Pflanzen nutzte Triemer Licht, Luft und Chlorophyll, das als Photosensitizer dient. Das dauere weniger als 15 Minuten, heißt es. Das Verfahren ist nach Angaben der Wissenschaftler wesentlich effizienter als die bisherige Technik.

Artemisinin 

Artemisinin zerfällt bei hohen Eisenkonzentrationen, wie sie in  Erythrozyten, aber auch in Plasmodien vorkommen, in freie Radikale. Verantwortlich dafür ist die Peroxidstruktur der Substanz. Daher beruht ein Teil der Wirkung von Artemisinin vermutlich auf einer Abtötung der Plasmodien durch freie Radikale. Darüber hinaus scheinen Artemisinin und seine Derivate einen ATP-abhängigen Calciumtransporter (PfATP6) in der Zellmembran der Plasmodien zu hemmen. 

„Anbau vor Ort wäre sinnvoller gewesen“

Die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung wollen die Forscher mit einem Start-Up im US-Staat Kentucky sofort in die Praxis umsetzen. Ab 2019 werde dort auf 2500 Hektar Beifuß angebaut, der Wirkstoff werde nach der Ernte auch dort gewonnen. Geht die Rechnung auf, sollen dort in Zukunft 15 000 Hektar Beifuß angebaut werden. 

Jürgen May vom BNITM hätte es sinnvoller gefunden, eine verbesserte Produktion von Artemisinin in Entwicklungsländern anlaufen zu lassen, die gegen Malaria kämpfen. „Ich weiß, das ist nicht einfach“, sagt er. Anbau, Ernte und Verarbeitung von Beifuß-Pflanzen hält er aber für machbar. „Bei den Kentucky-Plänen müssen Entwicklungsländer die Medikamente immer noch aus dem Ausland einkaufen“, kritisiert er.



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