- DAZ.online
- News
- Pharmazie
- Leber-Warnhinweise zu ...
Die Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic hat eine Anpassung der Arzneimittelinformation zu dem pflanzlichen Magen-Darm-Mittel Iberogast® Tinktur vorgeschrieben. Hintergrund hierfür sind neuere Meldungen über sehr seltene, aber teils schwerwiegende Leberschädigungen.
Die Arzneimittelbehörde der Schweiz möchte die Anwendungssicherheit von Iberogast® im Alpenland erhöhen. Das Präparat wird dort - wie auch hierzulande - bei funktionellen Magen-Darm-Beschwerden (Reizmagen und Reizdarm) angewendet, die sich durch saures Aufstossen, Sodbrennen, Appetitlosigkeit, Blähungen und Völlegefühl, Übelkeit oder Brechreiz äußern. Auf ärztliche Verschreibung wird es in der Schweiz offenbar aber auch bei epigastrischem Schmerz sowie bei Bauchkrämpfen eingesetzt. Das Phytopharmakon ist eine Mixtur aus alkoholischen Extrakten von neun verschiedenen Arzneidrogen, einem Frischpflanzenauszug aus der Bitteren Schleifenblume sowie ethanolischen Auszügen von Angelikawurzeln, Kamillenblüten, Kümmelfrüchten, Mariendistelfrüchten, Melissenblättern, Pfefferminzblättern sowie von Schöllkraut und Süssholzwurzeln. Die Kombination wurde von der Firma Steigerwald schon in den späten 1950er Jahren erforscht und entwickelt.
Stufenplanverfahren in Deutschland
Schöllkraut steht schon seit längerem in dem Verdacht, leberschädigend zu wirken. In Deutschland war im Jahr 2005 ein Stufenplanverfahren für Präparate zur innerlichen Anwendung initiiert worden, das im April 2008 mit einem Bescheid des BfArMs abgeschlossen wurde. Hiernach wurde die Zulassung für Arzneimittel mit einer Tagesdosierung von mehr als 2,5 mg Gesamtalkaloiden widerrufen. Für Präparate mit einer Tagesdosierung von 2,5 µg bis höchstens 2,5 mg Gesamtalkaloide wurden Änderungen der Produktinformationen angeordnet, darunter eine entsprechende Ergänzung im Abschnitt „Nebenwirkungen“ und absolute Gegenanzeigen bei bestehenden Lebererkrankungen oder solchen in der Vorgeschichte oder gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln mit leberschädigenden Eigenschaften sowie in der Schwangerschaft. Außerdem sollten bei einer Anwendung von mehr als vier Wochen die Leberfunktionswerte (Transaminasen) kontrolliert werden.
Wahrscheinlich dosisabhängig
Ursprünglich sollten die Zulassungen Schöllkraut haltiger Arzneimittel bereits ab Tagesdosen von 2,5 µg Gesamtalkaloiden widerrufen werden, aber nach Vorlage neuer Daten im Anhörungsverfahren rückte das BfArM davon ab und entschied sich für die Grenzwertregelung. Zur Berechnung der Grenzwerte wurde auf spezielle Tox-Studien Bezug genommen, aus denen eine wahrscheinliche Dosisabhängigkeit der hepatotoxischen Wirkungen abgeleitet worden war.
Was schreibt Swissmedic vor?
Nun sollen in der Schweiz neue Verdachtsfälle gemeldet worden sein, die Swissmedic zum Handeln veranlasst haben. So sollen in der Fachinformation die Rubriken „Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen und „unerwünschte Wikrungen“ um die Angabe ergänzt werden, dass Schöllkraut (Chelidonium)-Präparate in sehr seltenen Fällen mit Leberschädigungen in Verbindung gebracht worden seien. Bei Patienten mit aktuell bestehender oder anamnestisch bekannter Lebererkrankung sowie bei Patienten, die mit anderen Arzneimitteln behandelt werden, die die Leber oder die Leberwerte beeinträchtigen können, müsse der Nutzen des Arzneimittels sorgfältig gegen das Risiko von akutem Leberversagen oder einer nachteiligen Wirkung auf die Leberfunktionswerte abgewogen werden.
In der Patienteninformation müssten die Verwender ebenfalls über diese mögliche Risiken informiert werden. Sie sollen auf Anzeichen und Symptome achten, die auf eine Störung der Leberfunktion hinweisen können. Diese werden im Folgenden näher präzisiert. In solchen Fällen sollen sie die Behandlung abzusetzen und sich an ihren Arzt wenden.
Swissmedic betont, dass die Anpassung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes erfolge. Sollte sie der endgültigen gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten, will die Agentur darüber zu gegebener Zeit informieren.
Keine harmonisierte EU-Monographie für Schöllkraut
Auf
EU-Ebene hat das Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) bei der
Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die Beurteilung des BfArMs im September
2011 mit einem zusammenfassenden, so genannten „Public statement on Chelidonium
majus L., herba“ im Wesentlichen bestätigt. Wie
aus dem ausführlichen Bewertungsbericht des HMPC zu Schöllkraut weiter hervor
geht, deute
die Kausalitätsanalyse auf eine dosisabhängige Toxizität hin. Nach Meinung
eines Experten soll es unterhalb Tagesdosen von 9 mg keinen klaren Zusammenhang
zwischen Chelidonium und einer etwaigen Lebertoxizität geben. Im
Hinblick auf den Risikoaspekt einer möglichen Leberschädigung wollte der
Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel keine europäisch harmonisierte
Monographie mit einem positiven Nutzen/Risiko-Verhältnis für Mono-Zubereitungen
aus Schöllkraut verabschieden. Die traditionelle Anwendung sei gleichwohl gut
dokumentiert, heißt es in dem Public Statement.
Nur 0,3 mg Schöllkraut-Alkaloide in einer Tagesdosis von Iberogast
Wie DAZ.online auf Nachfrage von dem Inverkehrbringer von Iberogast® Bayer vital erfahren hat, enthält der für die Herstellung des Arzneimittels verwendete Schöllkraut-Extrakt nur eine sehr geringe Menge an Alkaloiden. Die mit der empfohlenen Tagesdosierung von dreimal täglich 20 Tropfen aufgenommene Menge an Schöllkraut-Alkaloiden liege bei etwa 0,3 mg. Eine Änderung der aktuellen Patienten- und Fachinformationen hinsichtlich der Verwendung von Schöllkraut sei derzeit nicht vorgesehen. Es lägen auch keine neuen Fakten vor, so dass sich die Sach- bzw. Beurteilungslage von Iberogast® nicht verändert habe. Das Nutzen-Risikoprofil des Arzneimittels bleibe unverändert positiv.
1 Kommentar
Gallenblase
von W.Wieder am 07.04.2018 um 18:29 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.