Schweiz

Leber-Warnhinweise zu Iberogast angeordnet

Remagen - 24.01.2018, 10:00 Uhr

In der Schweiz wird Arzneimittelinformation zu dem pflanzlichen Magen-Darm-Mittel Iberogast® angepasst. (Foto: Bayer)

In der Schweiz wird Arzneimittelinformation zu dem pflanzlichen Magen-Darm-Mittel Iberogast® angepasst. (Foto: Bayer)


Die Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic hat eine  Anpassung der Arzneimittelinformation zu dem pflanzlichen Magen-Darm-Mittel Iberogast® Tinktur vorgeschrieben. Hintergrund hierfür sind neuere Meldungen über sehr seltene, aber teils schwerwiegende Leberschädigungen.

Die Arzneimittelbehörde der Schweiz möchte die Anwendungssicherheit von Iberogast® im Alpenland erhöhen. Das Präparat wird dort - wie auch hierzulande - bei funktionellen Magen-Darm-Beschwerden (Reizmagen und Reizdarm) angewendet, die sich durch saures Aufstossen, Sodbrennen, Appetitlosigkeit, Blähungen und Völlegefühl, Übelkeit oder Brechreiz äußern. Auf ärztliche Verschreibung wird es in der Schweiz offenbar aber auch bei epigastrischem Schmerz sowie bei Bauchkrämpfen eingesetzt. Das Phytopharmakon ist eine Mixtur aus alkoholischen Extrakten von neun verschiedenen Arzneidrogen, einem Frischpflanzenauszug aus der Bitteren Schleifenblume sowie ethanolischen Auszügen von Angelikawurzeln, Kamillenblüten, Kümmelfrüchten, Mariendistelfrüchten, Melissenblättern, Pfefferminzblättern sowie von Schöllkraut und Süssholzwurzeln. Die Kombination  wurde von der Firma Steigerwald schon in den späten 1950er Jahren erforscht und entwickelt.

Stufenplanverfahren in Deutschland

Schöllkraut steht schon seit längerem in dem Verdacht, leberschädigend zu wirken. In Deutschland war im Jahr 2005 ein Stufenplanverfahren für Präparate zur innerlichen Anwendung initiiert worden, das im April 2008 mit einem Bescheid des BfArMs abgeschlossen wurde. Hiernach wurde die Zulassung für Arzneimittel mit einer Tagesdosierung von mehr als 2,5 mg Gesamtalkaloiden widerrufen. Für Präparate mit einer Tagesdosierung von 2,5 µg  bis höchstens 2,5 mg Gesamtalkaloide wurden Änderungen der Produktinformationen angeordnet, darunter eine entsprechende Ergänzung im Abschnitt „Nebenwirkungen“ und absolute Gegenanzeigen bei bestehenden Lebererkrankungen oder solchen in der Vorgeschichte oder gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln mit leberschädigenden Eigenschaften sowie in der Schwangerschaft. Außerdem sollten bei einer Anwendung von mehr als vier Wochen die Leberfunktionswerte (Transaminasen) kontrolliert werden.

Wahrscheinlich dosisabhängig

Ursprünglich sollten die Zulassungen Schöllkraut haltiger Arzneimittel bereits ab Tagesdosen von 2,5 µg Gesamtalkaloiden widerrufen werden, aber nach Vorlage neuer Daten im Anhörungsverfahren rückte das BfArM davon ab und entschied sich für die Grenzwertregelung. Zur Berechnung der Grenzwerte wurde auf spezielle Tox-Studien Bezug genommen, aus denen eine wahrscheinliche Dosisabhängigkeit der hepatotoxischen Wirkungen abgeleitet worden war.

Was schreibt Swissmedic vor?

Nun sollen in der Schweiz neue Verdachtsfälle gemeldet worden sein, die Swissmedic zum Handeln veranlasst haben. So sollen in der Fachinformation die Rubriken „Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen und „unerwünschte Wikrungen“ um die Angabe ergänzt werden, dass Schöllkraut (Chelidonium)-Präparate in sehr seltenen Fällen mit Leberschädigungen in Verbindung gebracht worden seien. Bei Patienten mit aktuell bestehender oder anamnestisch bekannter Lebererkrankung sowie bei Patienten, die mit anderen Arzneimitteln behandelt werden, die die Leber oder die Leberwerte beeinträchtigen können, müsse der Nutzen des Arzneimittels sorgfältig gegen das Risiko von akutem Leberversagen oder einer nachteiligen Wirkung auf die Leberfunktionswerte abgewogen werden.

In der Patienteninformation müssten die Verwender ebenfalls über diese mögliche Risiken informiert werden. Sie sollen auf Anzeichen und Symptome achten, die auf eine Störung der Leberfunktion hinweisen können. Diese werden im Folgenden näher präzisiert. In solchen Fällen sollen sie die Behandlung abzusetzen und sich an ihren Arzt wenden.  

Swissmedic betont, dass die Anpassung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes erfolge. Sollte sie der endgültigen gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten, will die Agentur darüber zu gegebener Zeit informieren.  

Keine harmonisierte EU-Monographie für Schöllkraut

Auf EU-Ebene hat das Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die Beurteilung des BfArMs im September 2011 mit einem zusammenfassenden, so genannten „Public statement on Chelidonium majus L., herba“ im Wesentlichen bestätigt. Wie aus dem ausführlichen Bewertungsbericht des HMPC zu Schöllkraut weiter hervor geht, deute die Kausalitätsanalyse auf eine dosisabhängige Toxizität hin. Nach Meinung eines Experten soll es unterhalb Tagesdosen von 9 mg keinen klaren Zusammenhang zwischen Chelidonium und einer etwaigen Lebertoxizität geben. Im Hinblick auf den Risikoaspekt einer möglichen Leberschädigung wollte der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel keine europäisch harmonisierte Monographie mit einem positiven Nutzen/Risiko-Verhältnis für Mono-Zubereitungen aus Schöllkraut verabschieden. Die traditionelle Anwendung sei gleichwohl gut dokumentiert, heißt es in dem Public Statement. 

Nur 0,3 mg Schöllkraut-Alkaloide in einer Tagesdosis von Iberogast

Wie DAZ.online auf Nachfrage von dem Inverkehrbringer von Iberogast® Bayer vital erfahren hat, enthält der für die Herstellung des Arzneimittels verwendete Schöllkraut-Extrakt nur eine sehr geringe Menge an Alkaloiden. Die mit der empfohlenen Tagesdosierung von dreimal täglich 20 Tropfen aufgenommene Menge an Schöllkraut-Alkaloiden liege bei etwa 0,3 mg. Eine Änderung der aktuellen Patienten- und Fachinformationen hinsichtlich der Verwendung von Schöllkraut sei derzeit nicht vorgesehen. Es lägen auch keine neuen Fakten vor, so dass sich die Sach- bzw. Beurteilungslage von Iberogast® nicht verändert habe. Das Nutzen-Risikoprofil des Arzneimittels bleibe unverändert positiv.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Gallenblase

von W.Wieder am 07.04.2018 um 18:29 Uhr

Bei der letzten Sonographie (05.04.18) hat man festgestellt, dass meine Gallenblase, in der seit längerer Zeit 6 Gallensteine sich befinden, geschrumpft ist. Ich habe bis jetzt noch keine Beschwerden gehabt! Habe 2017 aber Iberogast verordnet bekommen und die gesamte Flüssigkeit gemäß
Anwendung vor dem Essen eingenommen. Besteht da ein Zusammenhang, dass die Gallenblase durch die Einnahme von Iberogast geschrumpft ist?
Ich bitte um eine Stellungnahme und bedanke mich im Voraus.

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