Beratungs-Quickie

Tropfen richtig tropfen

Schladming - 18.01.2018, 14:40 Uhr

Wie tropfen Patienten ihre Arzneitropfen richtig? Ob senkrecht oder schräg, hängt vom Tropfsystem ab. (Foto: womue / stock.adobe.com)

Wie tropfen Patienten ihre Arzneitropfen richtig? Ob senkrecht oder schräg, hängt vom Tropfsystem ab. (Foto: womue / stock.adobe.com)


Wann müssen Patienten Arzneitropfen zum Dosieren senkrecht halten, wann schräg? Fehlen diese Hinweise bei der Beratung in der Apotheke, drohen Fehldosierungen – kritisch ist das vor allem bei starken Analgetika wie Tramadol oder Neuroleptika wie Haloperidol. Können Apotheker die unterschiedlichen Tropfsysteme – Zentraltropfer und Randtropfer – von außen erkennen? Die Gebrauchsinformationen geben zum richtigen Tropfen nämlich meist keine Tipps – Dr. Wolfgang Kircher beim Pharmacon in Schladming schon.

Was kann man bei der Anwendung von Tropfen falsch machen? Offenbar so einiges. Unterschiedliche Tropfsysteme wollen unterschiedlich gehandhabt werden, was letztlich für eine korrekte Dosierung der flüssigen Arzneimittel essenziell ist. Zwar haben Apotheker die Unterschiede von „Zentraltropfern“ und „Randtropfern“ im Studium einmal eifrig gelernt. Ein „Refresh“ schadet aber nie. Das dachte sich auch Dr. Wolfgang Kircher beim aktuellen Pharmacon in Schladming. „Tropfen richtig anwenden, das klingt banal“, findet der oberbayerische Apotheker. Tatsächlich sei das aber wirklich ein Problem und ein ganz wichtiger Punkt bei der Beratung in der Apotheke. Kircher ist Experte bei Tipps zur richtigen Anwendung von Arzneimitteln – sein Buch „Arzneiformen richtig anwenden“ erscheint beim Deutschen Apotheker Verlag.

Zentraltropfer senkrecht, Randtropfer schräg halten

Grundsätzlich setzen pharmazeutische Unternehmer zwei verschiedene Tropfsysteme bei ihren peroralen flüssigen Arzneimitteln in Tropfenform ein: Einerseits wäre da der Zentraltropfer mit einem mittig angeordneten Flüssigkeitsaustrittsröhrchen. Diesen Tropfer müssen Patienten zur korrekten Dosierung senkrecht halten. Neben dem Zentraltropfer gibt es noch Tropfsysteme, die als Randtropfer konzipiert sind. Diese Arzneimittel wenden Patienten nur dann richtig an, wenn sie das Tropffläschchen bei der Dosierung schräg halten.

Unglücklicherweise vergessen wohl die meisten Arzneimittelhersteller, die Ärzte, Apotheker und Patienten zu informieren, welches Tropfsystem sie verwenden – beziehungsweise noch patientenfreundlicher wäre: Eine direkte Information dazu, wie die Patienten die Tropfen beim Dosieren halten müssen. Der Apotheker sei hier gefragt, appelliert Kircher: „Das ist der Hinweis, den Apotheker immer wieder geben müssen, weil er in den meisten Packungsbeilagen nicht drinsteht“.

Woran erkennt man einen Zentraltropfer?

Die spannende Frage ist natürlich – wenn die Packungsbeilage über die korrekte Anwendung des Tropfers nicht informiert – woran erkennt der Apotheker oder der Patient einen Zentraltropfer? Denn nur mit diesem Wissen kann er die Tropfen dann auch korrekt anwenden. „Man erkennt einen Zentraltropfer an dem exzentrisch angeordneten Belüftungsröhrchen“, erklärt Kircher. Randtropfer hingegen haben kein Röhrchen, nur eine Öffnung, aus der die Lösung rausläuft und am Rand abfällt.

Tropfer falsch gehalten – Dosierung weicht um 25 Prozent ab

Ist das überhaupt therapierelevant, wie Patienten ihre Flasche beim Tropfen halten? Hat das tatsächlich Auswirkungen auf die Dosierung? In der Tat, denn durch eine falsche Schrägstellung eines eigentlichen Zentraltropfers beim Abtropfen verringert sich die Tropfenmasse. In der Konsequenz bedeutet das: Der Patient unterdosiert sein Arzneimittel.

Aber wie relevant ist diese „Feldosierung“, in welchem Bereich der Unterdosierung bewegt man sich? Die Höhe der Abweichungen mögen so manchen Apotheker initial stutzen lassen: „Man kann sich als grobe Regel merken: Eine Neigung von 45 Grad verringert die Masse des abfallenden Tropfens um 20 bis 25 Prozent“, erklärt Kircher. Das sei zwar bei einigen Arzneimitteln mit einer großen therapeutischen Toleranz – beispielhaft nennt der Apotheker Baldriantropfen – weniger relevant oder klinisch bemerkbar. Bei neuropsychiatrischen Patienten, die vielleicht mit dem Wirkstoff Haloperidol behandelt werden, wertet Kircher derartige Fehldosierungen jedoch durchaus als „therapieentscheidend“.

Warum verringert eine Schrägstellung die Tropfenmasse?

Halten Patienten die Flasche nicht ordnungsgemäß senkrecht, sondern schräg, verringert sich die Masse der abfallenden Tropfen. Warum ist das so? Die physikalisch Erklärung liefert die Formel nach Tate – sie verknüpft die Tropfenmasse mit der projizierten Abtropffläche, also derjenigen, die man bei Betrachtung von unten auf den fallenden Tropfen sieht. Bei einer Schrägstellung verringert sich diese Fläche vom Kreis zur Ellipse, und in der Folge verringert sich die Tropfenmasse.

Die bevorzugte Flaschenstellung der Patienten beim Dosieren ihrer Arzneitropfen ist offenbar die schräge. Auch dafür muss es wohl einen Grund geben. „Warum halten so viele Patienten das 'Flascherl' schräg?“, fragt der oberbayerische Apotheker. Laut Kircher dosieren 9 von 10 Patienten ihre Tropfen aus einer schrägen Position. Physikalische Überlegungen dürften die wenigsten Patienten anstellen, schätzt Kircher. Eher sei es die pure Erfahrung. Denn: „Die Schrägstellung der Tropfflasche verringert nicht nur die Dosierung, sie reduziert auch die Tropfgeschwindigkeit".

Patienten können beim schrägen Tropfen besser zählen

„Die Patienten merken ganz einfach, wenn sie das 'Flascherl' schräg halten, dann tropft es langsamer“, schildert Kircher seine Praxiserfahrung mit diesen Patienten aus der Apotheke. Und manche Arzneimittel tropfen mit rasanter Geschwindigkeit aus der Flasche – drei bis vier Tropfen pro Sekunde. Zu schnell für manche Patienten. Gerade Senioren, geriatrische Patienten oder Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson können mit diesem flotten Tempo beim Zählen nicht Schritt halten. Sie helfen sich dann auf ihre Art: Die Flasche wird schräg gehalten, es tropft langsamer, sie können besser zählen – und dosieren das Arzneimittel falsch.

Warum sich die Tropfgeschwindigkeit durch die Flaschenposition ändert, auch hierfür liefert Kircher die Erklärung: So ist ein Parameter, der die Tropfgeschwindigkeit wesentlich beeinflusst, der hydrostatische Druck, sprich die Höhe der Flüssigkeitssäule, die auf der Tropfermontur lastet. Halten Patienten die Flasche schräg, verringert sich die Höhe der Flüssigkeitssäule und der Druck wird geringer, und die Arzneimittel tropfen langsamer ab.

Wenn die Tropfen nicht antropfen wollen ...

Was ist der Grund, dass bei manchen Tropfflaschen es einfach nicht tropfen will? In diesem Fall ist in ist Flüssigkeit das Belüftungsröhrchen gelangt, verstopft diesen Lufteinlasskanal und verhindert so, dass die Tropfen aus dem Fläschchen kommen. Was können Apotheker Patienten bei solchen Fragen raten? „Vorsichtig auf den Flaschenboden klopfen, oder der Patient kann kräftig in die Tropfermontur blasen“, empfiehlt Kircher.

Arzneiformen richtig anwenden

Sachgerechte Anwendung und Aufbewahrung der Arzneimittel

Dr. Wolfgang Kircher

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Welches Tropfsystem ist genauer – der Zentraltropfer oder der Randtropfer?

Zentraltropfer dosieren laut Kircher exakter als Rundtropfer. War es früher aus diesem Grund häufig so, dass stark wirksamen Arzneimittel – wie Tramadol, Haloperidol – einen senkrechten Zentraltropfer hatten, könne man sich hierauf nicht verlassen, sagt der Apotheker. Der Blick auf den Tropfer wird dem Apotheker also nicht erspart. Von der Genauigkeit tropfen Zentraltropfer präziser, was dem Umstand geschuldet ist, dass „senkrecht" wenig Interpretationsspielraum lässt. Wohingegen bei „schräg" sich die einzelnen Winkel maßgeblich unterscheiden und so die Tropfmasse und die Dosis des Arzneimittels beeinflussen können.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Tropfen richtig tropfen

von Gregor Huesmann am 19.01.2018 um 9:49 Uhr

"Kräftig in die Tropfermontur blasen“: Das ist ja wohl ein Witz. Unhygienischer geht es ja wohl nicht. Absichtliche Kontamination!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Tropfen richtig tropfen

von Dr. Wolfgang Kircher am 23.01.2018 um 8:20 Uhr

Sehr geehrter Herr Huesmann,
natürlich verstößt ein Pusten des Patienten (keinesfalls der Pflegeperson) in den Tropfer grundsätzlich gegen hygienische Grundregeln der Arzneimittelanwendung. Andererseits kennen Sie sicher auch die Fälle, in denen es dem betroffenen Patienten in einer vertretbaren Zeit nicht möglich ist, den Tropfer durch korrektes, sehr vorsichtiges Klopfen auf den Fläschchenboden zum "Laufen zu bringen". Aus den dann häufig praktizierten Vorgehensweisen, wie etwa heftiges, stoßartiges Schlagen oder Schleudern des Fläschchens, können therapierelevante Fehldosierungen resultieren.

Hier ist die problemlösende Apotheke aufgefordert, aus verschiedenen (im Seminar aufgezeigten) Vorgehensweisen die jeweils passendste auszuwählen. In bestimmten Fällen erscheint mir das kurze und kräftige Blasen in die Tropfermontur als (suboptimale) Problemlösung durchaus vertretbar.
Freundliche Grüße
Wolfgang Kircher

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