Honorar-Gutachten

Landapotheken geht es besser als Stadtapotheken

Süsel - 15.12.2017, 07:00 Uhr

Den Honorar-Gutachter zufolge haben die meisten Landapotheken bessere Betriebsergebnisse als Apotheken in städtischen Gebieten. (Foto: dpa)

Den Honorar-Gutachter zufolge haben die meisten Landapotheken bessere Betriebsergebnisse als Apotheken in städtischen Gebieten. (Foto: dpa)


Neben der Honorierung aller Apotheken ist die unterschiedliche Situation der Apotheken in Städten und auf dem Land ein weiteres Thema des Honorargutachtens. Offenbar geht es Apotheken auf dem Land im Durchschnitt sogar besser als in Städten.

Im Mittelpunkt des Honorargutachtens, das die Agentur 2hm im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt hat, steht die Anpassung der Apothekenhonorierung. Doch es geht noch um weitere wichtige Aspekte des Apothekensystems. Einer davon ist Situation der Apotheken im Vergleich zwischen städtischen und ländlichen Regionen. Dieses Thema interessiert sowohl wegen des Preiswettbewerbs mit ausländischen Versendern als auch angesichts der Vorschläge der Gutachter für geringere Apothekenhonorare. Denn bei jeder Schließung einer Landapotheke in einer Alleinlage droht eine Versorgungslücke. Die Gutachter relativieren dies zwar mit dem Hinweis, für die flächendeckende Versorgung fehle eine Definition. Dennoch untersuchen sie die Unterschiede zwischen Stadt- und Landapotheken.

Apothekenzahl sinkt besonders in Städten

Dafür nutzen sie die Daten zur räumlichen Aufteilung gemäß den vier Siedlungstypen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung:

  • kreisfreie Großstädte mit mindestens 100.000 Einwohnern,
  • städtische Kreise mit mindestens 150 Einwohnern pro Quadratkilometer,
  • ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen,
  • dünn besiedelte ländliche Kreise mit weniger als der Hälfte der Einwohner in Groß- und Mittelstädten und im übrigen Bereich unter 100 Einwohnern pro Quadratkilometer.

Die Gutachter unterscheiden daraufhin vier Gruppen von Apotheken nach dem Typ des Kreises, in dem die Apotheke liegt. Auf dieser Grundlage hätten die Gutachter eine Sonderauswertung des Statistischen Unternehmensregisters des Statistischen Bundesamtes durchführen lassen. Dabei sei der Rückgang der Apothekenzahl in den Kreisen der vier Siedlungstypen untersucht worden. Demnach sank die Apothekenzahl in den kreisfreien Großstädten prozentual am stärksten und in den dünn besiedelten Kreisen prozentual am geringsten.

Die beiden anderen Kreistypen lagen dazwischen und waren in ihrer Entwicklung kaum voneinander zu unterscheiden. Zu den kreisfreien Großstädten weist die Grafik für 2007 sonderbarerweise den Startwert 99,7 Prozent aus. Bis 2015 ging die Zahl der Apotheken demnach auf 85,1 Prozent zurück. Für die dünnbesiedelten Kreise beginnt die Grafik 2007 mit 100,3 Prozent und geht auf 91,7 Prozent im Jahr 2015 zurück. Unter Berücksichtigung der Startwerte sank die Apothekenzahl demnach in Großstädten um 6 Prozentpunkte stärker als in dünn besiedelten Kreisen.

Daten: Statistisches Unternehmensregister | Gestaltung: 2HM
Entwicklung der Anzahl örtlicher Einheiten von Apotheken 2007 bis 2015

Bessere Betriebsergebnisse auf dem Land

Die Gutachter folgern, dass nicht besonders die Landapotheken vom Rückgang der Apothekenzahl betroffen seien. Dies stehe auch im Einklang mit der wirtschaftlichen Situation der Apotheken. Denn die Apotheken in ländlichen Kreisen seien wirtschaftlich vergleichsweise erfolgreich. Die Gutachter präsentieren für die Apotheken in den vier Siedlungstypen folgende durchschnittliche Bruttobetriebsüberschüsse einschließlich der Bruttoinvestitionen (ohne Angabe des Jahres):

  • kreisfreie Großstädte: 128.597 Euro
  • städtische Kreise: 102.088 Euro
  • ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen: 142.335 Euro
  • dünn besiedelte ländliche Kreise: 149.113 Euro

In Verbindung mit weiteren Untersuchungen folgern die Gutachter: „Es gibt aktuell datenbasiert keinen Anlass, die flächendeckende Versorgung in Deutschland als gefährdet anzusehen.“

2.300 ländliche Apotheken bedroht

Doch in ihrer Analyse zur Situation der Apotheken im Jahr 2015 stellen die Gutachter fest, dass etwa 7.600 Apotheken-Unternehmen (Einzelapotheken oder Filialverbünde) als gefährdet einzustufen seien. Denn sie würden keinen angemessenen Unternehmerlohn von 99.000 Euro jährlich erwirtschaften. Als gefährdet werten die Gutachter Apotheken-Unternehmen mit Umsätzen bis 2 Millionen Euro. Für die flächendeckende Versorgung sei relevant, wo diese Apotheken liegen. Dazu betrachten die Gutachter die Verteilung auf die vier Siedlungstypen, die sich aus der folgenden Tabelle ergibt:

Verteilung der gefährdeten Apotheken auf die Siedlungsstrukturellen Kreistypen

unter 1 Mio. € 1 Mio. € bis unter 2 Mio. €
Anzahl Apotheken Apotheken in % Anzahl Apotheken Apotheken in %
Kreisfreie Großstädte 924 35% 1620 33%
Städtische Kreise 1001 38% 1743 35%
Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen 451 17% 1032 21%
Dünn besiedelte ländliche Kreise 268 10% 557 11%
Insgesamt 2644 100% 4953 100%
Quellen:
Anzahl der Unternehmen Apothekenkammern (ABDA); Wirtschaftliche Kenngrößen Jahresstatistik im Handel, Destatis.

Demnach liegen 27 Prozent der Apotheken mit unter 1 Milionen Euro und 32 Prozent der Apotheken mit Umsätzen von einer bis zwei Millionen Euro in den ländlichen Kreistypen. Der größere Teil dieser umsatzschwachen Apotheken liegt also in den städtisch geprägten Kreisen. Die Gutachter geben jedoch nicht an, welcher Anteil der Apotheken in den Kreistypen jeweils als gefährdet einzustufen ist. Die Gesamtzahl der Apotheken dürfte in dünn besiedelten Regionen geringer als in Städten sein. So zeigen die Daten, dass absolut mehr Apotheken in städtisch geprägten Regionen bedroht sind. Doch sie zeigen nicht, welcher relative Anteil der Apotheken in ländlichen Regionen bedroht ist. Doch die Gutachter erklären zur Zahl der bedrohten Apotheken:


„Es heißt jedoch nicht, dass ein Schließen dieser Apotheken die flächendeckende Versorgung gefährden würden. In jedem Falle ginge der Umsatz und der Bedarf dieser Apotheken nicht verloren, sondern würde weitere Apotheken und Apothekengruppen stärken.“


Strukturfonds vorgeschlagen

Da jedoch gemäß der obigen Tabelle 2.300 Apotheken in den beiden ländlichen Siedlungstypen gefährdet seien, schlagen die Gutachter einen Strukturfonds vor. Dieser sollte gezielt bedrohte ländliche Apotheken unterstützen.

Interpretation der Daten

Die Gutachter versuchen nicht die oben dargestellten besseren Ergebnisse ländlicher Apotheken zu erklären. Doch geringere Mieten und kürzere Öffnungszeiten im Vergleich zu Großstädten erscheinen als plausible Erklärungsansätze für tendenziell bessere Betriebsergebnisse auf dem Land. Damit ermahnen die Daten, über die Diskussion zu Landapotheken die städtischen Vororte nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. Es liegt nahe, dass Apotheken in sozial schwachen Vororten gleichzeitig mit der geringen Kaufkraft der Bevölkerung und aktiven Wettbewerbern in der jeweiligen Stadt zu kämpfen haben. Doch auch die Schließung von Apotheken in Vororten kann die Versorgung lokal deutlich erschweren.

Vergleich mit Gutachten von May, Bauer und Dettling

Zudem stellt sich die Frage, ob die präsentierten Daten Schlussfolgerungen zur Versorgung auf dem Land erlauben. Denn die Gutachter analysieren auf Kreisebene, aber als angemessenes Kriterium für die „wohnortnahe“ Versorgung erscheint schon nach dem Wortsinn die Gemeindeebene. Die Daten zeigen jedoch nicht, ob eine Apotheke einen Ort allein versorgt. Es kann auch in städtischen Kreisen Gemeinden mit nur einer Apotheke geben. Umgekehrt gibt es in allen Kreisen in Deutschland Städte und andere Orte mit jeweils mehr als einer Apotheke. Vermutlich gibt es in dünn besiedelten Kreisen eher mehr Orte mit nur einer Apotheke.

Doch dies ist - wie das ganze Gutachten - nur eine Durchschnittsbetrachtung mit den üblichen Gefahren dieser Sichtweise. In diesem Zusammenhang erscheint ein Vergleich mit dem wettbewerbsökonomischen Gutachten von May, Bauer und Dettling zum „Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel“ interessant. Dort wurden Solitär-Apotheken mit einer Alleinstellung im Umkreis von 5 km ermittelt. Demnach haben 1.711 Apotheken in Deutschland eine solche Solitärstellung. Beim Wegfall jeder einzelnen dieser Apotheken wären massive Folgen für die lokale Versorgung zu erwarten. Eine solche Betrachtung findet jedoch im Gutachten zur Honorierung nicht statt.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Übersicht und Analyse der versorgungsbezogenen Vorschläge im Honorargutachten

Gutachter wollen Landapotheken-Fonds

Honorargutachten wirft neue Fragen auf

Verwunderliche Daten zur Apothekenzahl

Belastungen, Chancen und Konsequenzen für die Versorgung

Mythos Landapotheke?

Flächendeckende Versorgung

Ist die Landapotheke ein Mythos?

Studie zur Apothekendichte in Baden-Württemberg basiert nur auf AOK-Versicherten

AOK rüttelt am Mehrbesitzverbot

Viel Aufregung um Vor-Version des Honorargutachtens

Gutachten: Honorar runter trotz anerkannter Defizite

Analyse zur Erreichbarkeit von Apotheken und zu einer notwendigen Apothekendichte

Ordnungsgemäße Versorgung – was bedeutet das?

IFH legt Kurzstudie zu den Leistungen der Vor-Ort-Apotheken vor

Landapotheken: mehr Arbeit, weniger Geld

1 Kommentar

Landapotheken

von Alexander Zeitler am 15.12.2017 um 18:59 Uhr

Schön wärs (gewesen).
Habe aus purer Faulheit meine Landapo geschlossen?
denen gehts besser, bei Selbstausbeutung. das eigentlich notwendige Unternehmer gehalt haben wir im Hinterkopf, erwirtschaften es aber nicht.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.