Apothekenvergütung

Warum die Gutachter vergütete Botendienste fordern

Berlin - 14.12.2017, 14:35 Uhr

Apotheken-Botendienste, die der Arzt für notwendig hält, sollten nach Auffassung der 2HM-Gutachter vergütet werden. (Foto: Petra Steuer / picture alliance/JOKER)

Apotheken-Botendienste, die der Arzt für notwendig hält, sollten nach Auffassung der 2HM-Gutachter vergütet werden. (Foto: Petra Steuer / picture alliance/JOKER)


Das Gutachten der Agentur 2HM zur Arzneimittelpreisverordnung wühlt derzeit die Apothekenwelt auf. Die Autoren schlagen bei der Honorierung massive Umstrukturierungen vor. Auch den Botendienst haben sie sich vorgenommen – hier lautet ihre Empfehlung: Diese sollten künftig vergütet werden, wenn dies zur Sicherstellung der Versorgung angemessen ist.

Das von der Agentur 2HM im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) erstellte Gutachten zum Änderungsbedarf der in der Arzneimittelpreisverordnung geregelten Preise hat es in sich. Die derzeit kursierende Version vom 19. November, die weiterhin nicht vom BMWi abgenommen und somit mit Vorsicht zu genießen ist, enthält zahlreiche Berechnungen und Rückschlüsse. Unter anderem den, dass der Versandhandel mit Arzneimitteln aus dem EU-Ausland nicht der Grund ist, dass es vielen Apotheken in Deutschland wirtschaftlich schlecht geht. Daher sehen die Gutachter auch keinen Anlass, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitten zu verbieten.

Vielmehr trage er zur flächendeckenden Versorgung bei: „Über Versandapotheken ist es möglich, Arzneimittel auch bei stark eingeschränkter Mobilität zuhause zu erhalten“, konstatieren die Studienautoren. Daneben seien aber auch die Botendienste der Vor-Ort-Apotheken effizient, um die Bevölkerung in der Fläche zu versorgen.

Vergleich zum Noctu-Feld

Daher schlagen die Gutachter vor, im Rahmen einer Reform der Arzneimittelpreisverordnung auch eine Vergütung von Botendiensten vorzusehen. Im Kapitel „Alternative Berechnungswege und Reformansätze AMPreisVO“  stellen sie fest, dass Botendienste derzeit eine unternehmerische und heilberufliche Entscheidung der Apotheken sind. Und weiter: „Es ist aus Sicht der Autoren sinnvoll, Botendienste separat zu vergüten, wenn diese für die Sicherstellung der Versorgung angemessen sind. Dies wäre vergleichbar zu dem ‚Noctu‘ Feld auf dem Rezept ein Botendienst-Feld, das durch den Arzt bei Notwendigkeit angekreuzt wird und der Botendienst über eine Pauschale von der Krankenkasse erstattet wird.“ 

Wie hoch könnte eine Botendienst-Pauschale sein?

Wie hoch diese Pauschale sein sollte, lassen die Gutachter jedoch offen. Unklar ist auch, wie häufig, solche „notwendigen  Botendienste“ überhaupt sind und welche Kosten den Apotheken hierdurch entstehen. Zwar würden laut ABDA täglich 250.000 Botendienste durch die Apotheken geleistet. „Diese Zahl kann jedoch, abgesehen von der nicht hinreichend beschriebenen Erhebungsmethode, keine Grundlage für eine am Rezept orientierten Botendienst sein, da hier auch die Botendienste enthalten sind, die aus unternehmerischen Gründen der Kundenbindung geleistet werden“, stellen die Gutachter hierzu fest.

Botendienste schneller als Versandapotheken

Im vorliegenden Gutachten, so die Autoren, seien die Kosten für Botendienste anteilig im absoluten Festzuschlag für Fertigarzneimittel vorgesehen. Sie würden so jedoch nicht explizit den rezeptpflichtigen Arzneimitteln zugeordnet, räumen sie in ihrer Alternativ-Empfehlung ein. Durch die Verordnung durch den Arzt wäre dies aber gegeben und der Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung dienlich, da in ländlichen Regionen von einem verstärkten Bedarf an Botendiensten auszugehen ist. „Botendienste können die Bevölkerung in dringlichen Fällen schneller versorgen als Versandapotheken“, so die Gutachter.

Wolle man eine Botendienstpauschale berechnen, so müsse man die Kosten für Zeitaufwand und Transport kalkulieren – und dann in der Arzneimittelpreisverordnung als separaten Preisbestandteil verankern. Der dabei entstehende Kostenbaustein sei dann wiederum aus der Berechnung des absoluten Festzuschlags herauszunehmen. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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6 Kommentare

Stalinistische Tonnendoktrin

von Andreas Grünebaum am 15.12.2017 um 18:12 Uhr

Zum vollendeten planwirtschaftlichen Ansatz gehört nur noch die Angabe, wie viel Rezepturen, BtM und Botendienste jede Apotheke im Fünfjahresplan zu stemmen hat. Da wird sich sicher ein Hintertürchen finden.
Beispiele gibt es genug. Ich kann mich aus dem Schulunterricht erinnern, dass in der Sowjetunion eine Fabrik nicht die vorgesehenen Tonnen an Schrauben produzieren konnte. Daraufhin bestellte man bei einem Zuliefernden Kombinat einfach teuere, aber nicht berechnete Schwermetalle, welche in die Schrauben mit verarbeitet wurden: Auftrag erfüllt!

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Keinerlei praktische Kompetenz der Agentur

von Ratatosk am 14.12.2017 um 18:45 Uhr

Ne is klar, die Oma bekommt das Rezept und kann nicht kommen, dann ruft sie bei uns an, das wars dann schon mal mit einer möglichen Vergütung.
Auch schon die bekannten Fragmente sind eigentlich sinnvoll nur mit einer gewünschten Anschlußverwendung bei Großkonzernen erklärlich, wenn die aus dem zerstörten System die Rosinen aufklauben werden.
Da man beim Staat offenbar keine besonderen Voraussetzung für solche Gutachten zu brauchen scheint, bewerbe ich mich schon mal für das nächste anfallende, Thema ist ja eh egal

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Wenn es so kommt...

von Helge Killinger am 14.12.2017 um 15:57 Uhr

... funktioniert es wahrscheinlich ähnlich gut wie die Sache mit dem "Noctu"-Kreuz.
Für viele Verordner heute noch ein Buch mit sieben Siegeln.

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AW: Pauschale

von Bernd Küsgens am 14.12.2017 um 18:42 Uhr

Soll wohl so funktionieren wie die "TAXI-Scheine" aus der Arztpraxis. Diesem Model wird NIEMAND zustimmen.
Es zeigt nur, wie BWL´er sich einen regulierten Markt vorstellen.

AW: Buch mit sieben Siegel?

von Andreas Grünebaum am 15.12.2017 um 18:15 Uhr

Bei unsrem ärztlichen Bereitschaftsdienst ist das keineswegs ein Buch mit sieben Siegel. Auf Nachfrage wurde uns mitgeteilt, dass von Seiten der Ärzte angewiesen wurde, generell kein Noctu anzukreuzen. Eine Begründung dazu wurde auf Rückfrage nicht gegeben.

Warum ?

von Christian Giese am 14.12.2017 um 15:12 Uhr

Warum die ABDA sich nicht wenigstens zu einem Positionspapier entschliessen kann?

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