Hormonelle Kontrazeptiva und Brustkrebs

„Die Pille ist sicher, sie ist es nicht …“

Stuttgart - 13.12.2017, 10:30 Uhr

„Er liebt
mich, er liebt mich nicht …“ – so sollte nicht über die Einnahme der
Pille entschieden werden. Doch letztlich muss jede Frau für sich selbst
abwägen, ob und wie lange sie hormonell verhütet. (Foto: Pixelot / stock.adobe.com)

„Er liebt mich, er liebt mich nicht …“ – so sollte nicht über die Einnahme der Pille entschieden werden. Doch letztlich muss jede Frau für sich selbst abwägen, ob und wie lange sie hormonell verhütet. (Foto: Pixelot / stock.adobe.com)


Weltweit nehmen schätzungsweise 140 Millionen Frauen hormonelle Kontrazeptiva ein. Nicht nur die Zahl der Frauen, die hormonell verhüten, hat zugenommen. Auch die Art und Zusammensetzung der Präparate hat sich über die Jahre verändert. Dass Estrogen die Entwicklung von Brusttumoren fördert, ist zwar bekannt. Insgesamt sind die Daten bezüglich eines Zusammenhangs zwischen (kombinierten) hormonellen Kontrazeptiva und dem Brustkrebsrisiko aber nicht eindeutig. Eine aktuelle dänische epidemiologische Studie hat sich dieser Fragestellung nun erneut angenommen.

Wohl kaum ein anderes Arzneimittel wird so großflächig, über zahlreiche Altersgruppen hinweg und über Jahre eingenommen, wie die hormonellen Kontrazeptiva. Allein deshalb stellt sich so gut wie jede Frau in ihrem Leben wahrscheinlich einmal die Frage, ob es nicht besser wäre, ohne die Pille auszukommen. Die Gründe dafür sind divers (unter anderem Thromboembolie-Risiko) und oft auch persönlich geprägt. Den Nutzen will der Pille dabei niemand absprechen, dennoch werden die persönlichen Sorgen über eine dauerhafte „hormonelle Belastung“ auch immer wieder von außen neu angeregt. 

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So wurde vergangene Woche in zahlreichen Medien über eine neue Studie berichtet, die am Donnerstag im „New England Journal of Medicine“ erschienen ist (finanziert durch die Novo Nordisk Foundation). Darin wurde untersucht, inwieweit sich moderne hormonelle Kontrazeptiva auf das Brustkrebsrisiko auswirken. 

Nutzen und Risiko wiegen einander auf?

In der nationalen prospektiven dänischen Studie wurden 1,8 Millionen Frauen über fast elf Jahre beobachtet. Die Studienautoren kommen bezüglich des Brustkrebsrisikos zwar zu einem eindeutigen Ergebnis, eine konkrete Handlungsempfehlung lässt sich jedoch weniger eindeutig ableiten.

So war das Brustkrebsrisiko bei Frauen erhöht, die gegenwärtig oder kürzlich moderne hormonelle Kontrazeptiva einnahmen – im Vergleich zu Frauen, die nie solche eingenommen hatten. Je länger die hormonellen Kontrazeptiva eingenommen wurden, desto höher war auch das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken – dieser Trend erwies sich in der großen Gruppe der Kombinationspräparate, die Gestoden enthielten als signifikant. Andere Studien hätten diesen Effekt nicht gezeigt, was an der großen Zahl der damals eingeschlossenen postmenopausalen Frauen liegen könnte. Die absolute Risikoerhöhung ist laut den Studien-Autoren jedoch insgesamt gering (eine in 7690 Frauen). 

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Die Einnahmedauer scheint das Brustkrebsrisiko grundsätzlich zu beeinflussen:
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das erhöhte Brustkrebsrisiko nach kurzer Einnahmedauer schnell wieder abnimmt. Wurde die Pille jedoch über lange Zeit eingenommen, könnte das Risiko über mindestens fünf Jahre erhöht bleiben. Auch dieser Effekt sei nur gering ausgeprägt und wurde in anderen Studien nicht gezeigt. 

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Nach Ansicht der Studienautoren muss das leicht erhöhte Brustkrebsrisiko gegen den wichtigen Nutzen der hormonellen Kontrazeptiva aufgewogen werden: Zum einen ihre grundsätzliche Effektivität beim Thema Verhütung, zum anderen aber auch eine Risikoreduktion bezüglich Ovarial- und Endometrium-Karzinom und eventuell auch ein reduziertes Risiko am Kolorektal-Karzinom zu erkranken.

Mono-Progestin-Präparate

Wenige Studien haben bislang den Zusammenhang zwischen Gestagen-Mono-Präparaten und Brustkrebsrisiko untersucht: In einer finnischen Studie nutzten 93.843 Frauen ein intrauterines Levonorgestrel-freisetzendes System. Für diese Kohorte wurde ein relatives Brustkrebsrisiko von 1,19 (95% KI; 1,13-1,25), im Vergleich zur allgemeinen Inzidenzrate unter finnischen Frauen (jünger als 55 Jahre), gezeigt. 

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Ein ähnliches Brustkrebsrisiko fand auch die aktuelle dänische Studie (1,21; 95% KI; 1,11-1,33). Ein Zusammenhang des Brustkrebsrisikos mit der Dauer der Anwendung, konnte in diesem Fall jedoch nicht gezeigt werden. 

Insgesamt erkrankten 11.517 Frauen von 1,8 Millionen Probandinnen an Brustkrebs. Damit zeigte sich ein generelles relatives Risiko für Brustkrebs unter hormoneller Kontrazeption von 1,20 (95% KI; 1,14-1,26). Dieses relative Risiko erhöhte sich von 1,09 (95% KI; 0,96-1,23), bei einer Anwendungsdauer von weniger als einem Jahr, auf 1,38 (95% KI; 1,26-1,51) bei einer Anwendungsdauer von mehr als zehn Jahren. 

Schwächen der Studie 

Verzerrungen der Ergebnisse durch Faktoren, wie das Alter bei Menarche, Stillen, Alkoholkonsum, körperliche Aktivität und Body-Mass-Index, können die Studienautoren nicht ausschließen. Sie nehmen jedoch an, dass deren eventueller Effekt auch nach Absetzen der hormonellen Kontrazeptiva hätte anhalten müssen, was nicht der Fall war; da sich das Risiko – wurde das Kontrazeptivum vor einer Einnahmedauer von fünf Jahren abgesetzt – im Gegenteil schnell wieder senkte.

Frauen, die während der Studienzeit keine hormonellen Kontrazeptiva erwarben, wurden so eingestuft, als hätten sie noch nie hormonelle Kontrazeptiva eingenommen. Tatsächlich wurde aber nicht erfasst, ob sie vor Studienbeginn je hormonellen Kontrazeptiva gegenüber exponiert waren. Eine daraus folgende etwaige Verzerrung würde das Brustkrebsrisiko jedoch eher als zu gering als zu hoch erscheinen lassen.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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