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mehr Licht ins Honorargutachtendunkel
Hier wurden die Milliarden übersehen
Seit etwa einer Woche kursieren Bruchstücke des Honorargutachtens. Wo in der von einigen Medien zitierten Fassung Milliarden übersehen werden konnten, lässt sich aus der Zusammenfassung ansatzweise erkennen. Ein wesentliches Problem liegt in der Umlegung der Kosten auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, OTC-Arzneimittel und apothekenübliche Gesundheitsprodukte. Die wirtschaftlichen Probleme vieler Apotheken werden aber durchaus anerkannt.
Es kursieren immer mehr Zahlen aus dem im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellten Gutachten zur Apothekenhonorierung. Diese stammen aus der Zusammenfassung einer Version vom 13. November und sind daher weiterhin sehr vorsichtig zu interpretieren. Diese Zusammenfassung, die auch DAZ.online vorliegt, beantwortet immerhin zum Teil die spannende Frage, wie die Studienautoren die angeblich viel zu hohe Honorierung der Apotheken ermittelt haben.
OTC-Produkte als Schlüssel
Ein wesentliches Problem liegt in der Umlegung der Kosten auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, OTC-Arzneimittel und apothekenübliche Gesundheitsprodukte. In der Studie wird für alle diese Produkte etwa der gleiche Aufwand ermittelt. Die Mühe, die bei Rx-Arzneimitteln beispielsweise für Rückfragen beim Arzt aufgewendet wird, fällt bei OTC-Arzneimitteln für eine längere Beratung an. Darum werden allen Packungen die gleichen Kosten zugeordnet. Gemäß den Argumenten der Studienautoren sei es gesetzlich nicht vertretbar, die nicht von der GKV erstatteten Sortimente über die Rx-Arzneimittel zu finanzieren. Daraufhin empfehlen die Studienautoren, den Festzuschlag auf 5,80 Euro zu senken. Dies könne durch eine zehnprozentige Preissteigerung bei OTC-und Freiwahlartikeln ausgeglichen werden. Auf die großen Unterschiede der OTC-Anteile in den Apotheken und die Durchsetzbarkeit im Wettbewerb gehen die Autoren in der Zusammenfassung nicht ein.
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Umgang mit den Gemeinkosten unklar
Zudem muss dieser Argumentation entgegengehalten werden, dass der Festzuschlag das einzig mögliche Entgelt für den gesetzlichen Versorgungsauftrag ist. Ein wesentlicher Zweck der Arzneimittelpreisverordnung ist, diesen Versorgungsauftrag zu finanzieren. Dass seit 2004 OTC-Arzneimittel nicht mehr preisgebunden sind, sollte daran nichts ändern. Demnach müssten die Gemeinkosten der Apothekeninfrastruktur über den Festzuschlag finanziert werden. Ob die Studienautoren dies auch so sehen, erscheint angesichts der Zusammenfassung fraglich. Es ist leider nicht klar zu erkennen, wie dort mit den Gemeinkosten für Räume, Möbel, Geräte, Fahrzeuge, Energie und Verwaltung umgegangen wird. Vermutlich verteilt die Studie diese Kosten gleichmäßig auf alle abgegebenen Packungen. Dann wären die Diskrepanzen leicht zu erklären. Denn die Autoren gehen davon aus, dass 39,7 Prozent der abgegebenen Packungen verschreibungspflichtige Arzneimittel sind. Bei einer solchen Rechnung müssten dann 60,3 Prozent der Gemeinkosten von Selbstzahlern getragen werden.
Prozentualen Aufschlag erhöhen, aber deckeln
Im Gegensatz zum Festzuschlag betrachten die Autoren den 3-prozentigen Aufschlag als zu niedrig. Denn sie gehen davon aus, dass dieser „die Warenwirtschaft und die Abrechnung“ honorieren solle. Darum solle der Zuschlag auf 4,8 Prozent erhöht und zugleich gedeckelt werden. Darum würde dies die massive Senkung des Festzuschlags nicht kompensieren. Zudem geht die Argumentation an der Entstehungsgeschichte des Kombimodells vorbei. Die Grundidee war damals, den prozentualen Aufschlag möglichst klein zu halten und den packungsabhängigen Aufwand über den Festzuschlag zu honorieren. Denn die Mühe im Backoffice hängt mehr von der Packungszahl als von ihrem Wert ab.
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Was bisher in den Medien kaum zitiert wurde
Die Zusammenfassung zeigt allerdings auch Aspekte des Gutachtens, die in den bisherigen Medienbeiträgen kaum zitiert wurden. Vor der Kostenrechnung und den daraus abgeleiteten Empfehlungen haben sich die Studienautoren umfassend mit der bisherigen Verteilung der Apothekenerträge beschäftigt. Schon 2015 waren demnach 7600 Apotheken-Unternehmen (Einzelapotheken oder Filialverbünde) wirtschaftlich gefährdet, davon 5300 in städtischen Räumen und 2300 in ländlichen Kreisen. Mittelfristig wird deren Schließung erwartet, was die verbleibenden Apotheken stärken würde. Damit werde die Apothekendichte der Niederlande oder Österreichs erreicht, argumentiert die Studie. Etwa 2600 Apotheken-Unternehmen hätten 2015 nur ein durchschnittliches Bruttobetriebsergebnis von 30.000 Euro erzielt. Daher sei nachvollziehbar, dass Angst vor dem Verlust der flächendeckenden Versorgung bestehe und eine höhere Vergütung gefordert werde, folgern die Studienautoren. Doch eine pauschale Finanzierung sei angesichts der Niederlassungsfreiheit nicht zu rechtfertigen. Zudem sei der ländliche Raum im Durchschnitt nicht stärker betroffen als Städte. Wenn alle bestehenden Apotheken erhalten werden sollten, würde dies jährlich zusätzlich etwa drei Milliarden Euro kosten, eine gezielte Unterstützung für die 2300 mittelfristig gefährdeten Landapotheken dagegen nur etwa 100 Millionen Euro. Darum werde empfohlen, für die flächendeckende Versorgung relevante Apotheken zu identifizieren und diese gezielt zu unterstützen. Dass die Studienautoren selbst so massive Probleme sehr vieler Apotheken anerkennen, macht die anschließend vorgeschlagenen Kürzungen um so schwerer verständlich. Doch offensichtlich werden die Honorarempfehlungen allein aus den ermittelten angeblichen Kosten abgeleitet. Eine Rückkopplung zu den tatsächlichen Betriebsergebnissen ist dagegen in der Zusammenfassung nicht erkennbar.
Keine Mischkalkulation
Darüber hinaus enthält das Gutachten viele weitere Vorschläge zur Honorierung der Apotheken und des Großhandels. Dabei werden für alle getrennt honorierten Leistungen der Apotheken kostendeckende Honorare gefordert. Die bisher geltende Grundidee der Mischkalkulation für den Versorgungsauftrag wird offensichtlich nicht verfolgt. Die Autoren verweisen auf die Vorteile dieses Vorgehens. So würden Fehlanreize für Versender vermieden. Außerdem würde eine höhere Notdienstpauschale Landapotheken fördern. Doch dabei muss immer wieder berücksichtigt werden, dass die hier zitierte Fassung vom 13. November stammt. Was die weiteren beteiligten Ministerien und das Statistische Bundesamt inzwischen zur Studie beigetragen haben, ist noch immer nicht bekannt.
10 Kommentare
Nur 2 Fragen
von Brunsmann am 07.12.2017 um 12:20 Uhr
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Genau diese Art Diskussion brauchen wir!
von Wolfgang Müller am 07.12.2017 um 12:11 Uhr
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Querfinanzierung OTC
von Michael Mischer am 07.12.2017 um 8:19 Uhr
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Studiengrundlage
von Gerhard Zück am 06.12.2017 um 23:38 Uhr
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AW: Studiengrundlage offen
von Reinhard Rodiger am 07.12.2017 um 0:03 Uhr
AW: "Wir betreiben keine taktischen Spielchen!"
von Christian Giese am 07.12.2017 um 9:56 Uhr
Wo bleibt die Qualität?
von T. La Roche am 06.12.2017 um 21:44 Uhr
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AW: Wo bleibt die Qualität
von Reinhard Rodiger am 07.12.2017 um 0:24 Uhr
Fehlanalyse?
von Reinhard Rodiger am 06.12.2017 um 20:45 Uhr
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von Florian Becker am 06.12.2017 um 18:16 Uhr
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