Welt-AIDS-tag

PrEP soll die Zahl der HIV-Neuinfektionen senken

Köln - 01.12.2017, 07:00 Uhr

Eine rote Aids-Schleife wird anlässlich des diesjährigen Welt-Aids-Tags in Hamburg (hier während einer 
Beleuchtungs-Probe) an die Fassade des Rathauses projiziert. (Foto: dpa)

Eine rote Aids-Schleife wird anlässlich des diesjährigen Welt-Aids-Tags in Hamburg (hier während einer Beleuchtungs-Probe) an die Fassade des Rathauses projiziert. (Foto: dpa)


Am heutigen Freitag ist Welt-Aids-Tag – der 30. Wie sieht es aus in Sachen HIV?  Wir haben mehr wirksame Arzneimittel denn je; fast alle Wissenslücken zum Virus sind geschlossen; an einem Impfstoff wird geforscht... - aber die Zahlen bei den Neuinfektionen bleiben zu hoch. Darum stellt sich die Frage, wie ist der Wandel zu erreichen? Wie ist die HIV-Epidemie in den Griff zu bekommen? Große Hoffnungen werden nun in die Präexpositionsprophylaxe gesetzt.

Zumindest in Westeuropa hat sich die HIV-Infektion vom sicheren Todesurteil zu einer chronischen Erkrankung gewandelt, die einer lebenslangen Therapie bedarf. Ein großes Problem stellt nach wie vor die relativ große Zahl an Neuinfektionen dar. Dass hier trotz Aufklärung und vielen gut therapierten und somit nicht infektiösen Patienten keine echten Erfolge zu erzielen sind, ist sicher auch darauf zurückzuführen, dass Aids vor allem bei den Jüngeren seinen Schrecken verloren hat. Entsprechend risikoreiches Verhalten ist die Folge.

Die Präexpositionsprophylaxe, kurz PrEP, soll es nun richten: die lang ersehnte Senkung der HIV-Neuinfektionen. Zwei wirksame antiretrovirale Wirkstoffe, Tenofovirdisoproxil und Emtricitabin, in einer Tablette kombiniert, die durchgehend genommen einen Schutz von ungefähr 90 Prozent vor der Infektion mit dem HI-Virus bringen soll. Laut Zulassung muss die  Anwendung aber mit Kondom erfolgen.

Hoher Preis hat Schutzwillige ins Internet getrieben

Seit ihrer Zulassung wurde diese neue Möglichkeit des Schutzes vor HIV vor allem über illegale Umwege im Internet von schutzwilligen Menschen genutzt. Das ganze Potenzial, so wie wir es seit einigen Jahren zum Beispiel in den USA und London verfolgen können, wurde nicht genutzt. Dort hat die Einführung der PrEP endlich zu einem Sinken der Neuinfektionsraten geführt. Die Tabletten waren in Deutschland bislang schlicht zu teuer für die Mehrzahl der Interessenten. Doch Preissenkungen  machen nun Hoffnung. Durch eine Initiative der Arbeitsgemeinschaft der HIV / Hepatitis kompetenten Apotheken (DAH2KA) in Kooperation mit Hexal gibt es  die PrEP seit Oktober in den teilnehmenden Apotheken für 50,05 Euro monatlich statt der 820,00 Euro, die noch zu Anfang des Jahres für eine Monatspackung aufgerufen wurden. Damit erhöhte sich die Akzeptanz schlagartig. Eine weitere Erkenntnis, die im Rahmen der Einführung gemacht werden konnte: „Prophylaxe ist günstiger als die Behandlung HIV-Infizierter."

Schon über 1500 Rezepte

Seit dem Start des Projekts am 2. Oktober 2017 waren es bislang 1517 Rezepte, die im Rahmen dieses Projektes für eine PrEP ausgestellt wurden. Die Verordnungen stammen von engagierten Ärzten, die, wie in der Zulassung gefordert, besonders geschult sind. Gefolgt von einer kompetenten Beratung bei den teilnehmenden Apotheken. Damit diese auf einem qualitativen und einheitlichen Niveau erfolgen kann, wurden von der DAH2KA Beratungsleitlinien erstellt. An denen orientieren  sich die teilnehmenden Apotheken. Sie verpflichten sich zudem durch einen Vertrag zur Beratung. Dies ist besonders wichtig, weil die Tabletten auch Wechsel- und Nebenwirkungen haben, und nicht vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten schützen. Zudem muss alle drei Monate eine ärzt­liche Kontrolle stattfinden. Weitere Knackpunkte sind Dosierung und Einnahmezeit sowie die Frage, ab wann der Schutz gewährleistet ist.

„Wir haben jeden Tag Kundschaft“

Eine dieser teilnehmenden Apotheken ist die Berliner Axel-Springer-Apotheke. Apothekenleiter Matthias Philipp wusste nicht genau, was ihn erwarten wird, als er sich entschied, beim Pilotprojekt mitzumachen. Die ersten Tage sei es noch ruhig gewesen, doch dann sei die Welle losgegangen. „Wir haben jeden Tag Kundschaft, die ihre Bestellung abholt oder Fragen dazu hat“, sagt er gegenüber DAZ.online. Auch seitdem in Berlin weitere Apotheken mit in das Projekt eingestiegen sind, sei die Nachfrage nicht geringer geworden. Die meisten Kunden seien durch einschlägige Medien bereits gut informiert. Und so kommen auch viele direkt mit dem passenden Rezept aus einer Schwerpunktpraxis. Doch es gibt auch Kunden, die die PrEP einfach so kaufen möchten – was natürlich nicht möglich ist. Darüber klärt die Apotheke dann gerne auf. Kommt ein neuer Kunde mit einem Rezept, gibt es eine Beratung anhand der DAH2KA -Checkliste. Denn zu beachten und abzufragen ist einiges. Zum Beispiel muss ausgeschlossen sein, dass eine HIV-Infektion vorliegt. 

Berliner Apotheker zieht positive Zwischenbilanz

Philipp zieht nach den ersten Wochen ein positives Fazit: „Das ist ein schöner Ansatz, pharmakoökonomisch in Aktion zu treten und auszurechnen, was die Kassen an Kosten für vermiedene HIV-Übertragungen sparen könnten, wenn sie das finanzieren würden.“ Voraussetzung sei allerdings ein verantwortungsvoller Umgang mit den Medikamenten – sowohl durch die Verordner und Apotheker als auch durch die Anwender.

PrEP-Erfolg hat den Preis für die Therapie gesenkt

Die steigenden PrEP Anwendungen, die auch in Deutschland den Durchbruch bei der Senkung der HIV-Neuinfektionen bringen sollen, werden im Rahmen dieses Projektes und darüber hinaus wissenschaftlich begleitet mit der PRIDE-Studie von Prof. Hendrik Streeck: Die erhobenen Daten sollen helfen, Fakten zur Wirksamkeit und den Kosten zu gewinnen. Dies soll als Basis dienen und eventuell zu einer Diskussion über die Erstattung durch die Krankenkassen führen.

Der Erfolg dieses innovativen Projektes hat auch für die HIV-Therapie Folgen. Die große Nachfrage bei der PrEP hat eine weitere Firma veranlasst, den Preis zu senken, um auch Anteile an diesem neuen Markt zu erschließen. Nur dieses Mal erfolgt die Preissenkung auch für die Therapie. Die 69,90 Euro (30er-Packung) der Firma Ratiopharm sind eine Kampfansage an die Mitbewerber und werden für unumkehrbare Entwicklungen im HIV-Sektor sorgen. Es bleibt in der nächsten Zeit abzuwarten, wie Krankenkassen, Ärzte und andere Entscheider sich zu dieser Preissenkung positionieren. Ein Hauch von wirtschaftlicher Normalität hat dadurch auch den HIV-Bereich erreicht.  



Erik Tenberken und Nico Kraft, Apotheker und Autoren DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

PreP

von Sven Larisch am 01.12.2017 um 8:40 Uhr

Ich halte die PreP für ein zweischneidiges Schwert.
Auf der einen Seite begeistert mich die Möglichkeit, das Patienten sich so vor der Übertragung des HI-Virus schützen können. Ausserdem ist eine Preissenkung der "normalen" HIV Medikamente überfällig gewesen.
Andererseits: Massenhafte Abgabe von HIV Medikamenten - hat jemand an die Auswirkungen gedacht (bei Antibiotika haben wir genug Resistenzen)?
Ach übrigens- es gibt auch noch andere SÜE;
Syphilis, Tripper und Clamydien= antibiotikaresistente Stämme.
Die Studien zur PreP waren nur für heterosexuelle Pärchen gemacht worden- hier auf bestimmte sexulelle Vorlieben zu schließen kann jeder selber machen, aber die Schwulen werden ja auch heute noch als Hochrisikopatienten eingestuft.
Ach ja - wenn ich mich als APotheke bein Initiator melden kann, wäre ich gerne dabei:-) Gruß an Erik T. aus Köln

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