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LAV Baden-Württemberg im Interview
Retax-Falle Entlassmanagement
Wenn am Wochenende die ersten neuen Entlassrezepte in den Apotheken landen, wird es noch viele Holpersteine geben. Das zumindest meint Ina Hofferberth, Geschäftsführerin des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg. „Fragen
über Fragen“ bleiben beim Entlassmanagement, so Hofferberth. Woran es
jedoch nicht mangele, seien die „bürokratischen Hürden“. Es riecht stark nach Retaxationen – jetzt schon.
„Wären wir, wie wir das ja deutlich gefordert haben, an den Verhandlungen über das Entlassmanagement beteiligt worden, hätten wir viele jetzt noch ungeklärte Punkte angesprochen“, sagt Ina Hofferberth vom Landesapothekerverband Baden-Württemberg gegenüber der Deutschen Apotheker Zeitung. Dass – obwohl das Entlassmanagement am 1. Oktober 2017 endgültig startet – noch vieles im Argen liegt, untermauert Hofferberth mit konkreten Beispielen. Wo hapert es beim „Entlassen“?
Das Entlassmanagement sieht für die Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln spezielle Rezeptformulare vor. Diese entsprechen den rosa Muster-16-Rezepten, müssen jedoch einen diagonalen Schriftzug „Entlassmanagement" im Personalienfeld tragen. Die LAV-Geschäftsführerin fragt, was sei, wenn die Klinikärzte im Rahmen der Entlassverordnung nun den falschen Rezeptvordruck verwendeten und nicht den eigens dafür vorgesehenen? Selbst wenn das korrekte Formblatt zum Einsatz komme – unklar sei immer noch, ob dieses für die Krankenkassen auch abrechnungsfähig sei. „Wurde das im Vorfeld geklärt?", fragt Hofferberth. Der „Entlassmanagement“-Balken ist lediglich blass im Druck. Ob das Rezeptimage bei den Apothekenrechenzentren diesen deutlich abbildet, ist fraglich.
Wir hätten in den Vertragsverhandlungen dafür gekämpft, dass die Sicherstellung der Versorgung des Patienten das primäre Ziel dieser Vereinbarung wird.
„Fragen über Fragen" beim Entlassrezept
Probleme sieht Hofferberth auch auf die Apotheker zukommen bei den jeweils erlaubten abzugebenden Mengen. Beim Entlassrezept gilt für Arzneimittel primär die Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen, in der Regel also N1. „Was soll gelten, wenn die verordnete N1-Packung nicht lieferbar, verfügbar oder nicht im Handel ist?", stellt Hofferberth die berechtigte Frage. Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind nicht gerade eine Seltenheit in Apotheken. Ungeachtet dessen: Für Hilfsmittel und Medizinprodukte gelten andere Vorgaben. Hier sollen Apotheker die Entlasspatienten maximal mit dem Sieben-Tages-Bedarf versorgen. Schwierig allein diesen individuellen Patientenbedarf zu ermitteln – genügt hier die Aussage des Patienten als Referenz? Geschweige denn die Sieben-Tages-Abgabe dann korrekt umzusetzen, wenn es wie bei Blutzuckerteststreifen nur 25, 50 und 100 Stück als Packungseinheit gibt.
Bestimmte Punkte könnten die Apotheken gar nicht prüfen – ob die lebenslange Arztnummer korrekt sei und ob das Austellungsdatum tatsächlich dem Entlasstag entspreche. Und was sollen Apotheker mit frisch aus der Klinik entlassenen Patienten anstellen, die ein Hilfsmittelrezept ohne Diagnose vorlegen? „Muss der Patient dann mit dem Rezept zurück in die Klinik geschickt werden?" Genau diese Fragen hätten die Apothekerverbände in den Verhandlungen gestellt und so die Erfahrungswerte der Apotheker aus der täglichen Praxis mit eingebracht.
Retaxationen als willkommene finanzielle Aufbesserung von Krankenkassen
Wo nach Ansicht Hofferberths eindeutig nicht gespart wurde: an bürokratischen Hürden. Fehlten wichtige Regelungen für eine zweifelsfreie Abrechnung mit den Krankenkassen, haben Apotheker in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass „sie aus teilweise fadenscheinigen formalen Gründen womöglich keine oder nur eine verkürzte Vergütung für die Versorgung erhalten“. Retaxationen als probates Mittel, dass Krankenkassen ihre Finanzsituation aufbessern? Unmissverständlich macht Hofferberth klar: „Das werden wir uns nicht gefallen lassen!"
Es kann nicht sein, dass alle Beteiligten sich im Sinne der lückenlosen, reibungslosen und schnellen Versorgung von Patienten, die aus dem Krankenhaus entlassen werden bemühen und einige Monate später sind die Apotheker die `Gekniffenen´, wenn sie aus teilweise fadenscheinigen formalen Gründen womöglich keine oder nur eine gekürzte Vergütung für die Versorgung erhalten.
Wo haben die Verhandlungen des GKV-Spitzenverbands, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zuviel Raum für Bürokratie geebnet?
„Der Vertrag enthält schon einige Anforderungen, die zum Anlass genommen werden könnten, die Verordnung als `nicht ordnungsgemäße Verordnung` zu deklarieren“, erklärt Hofferberth. Natürlich wolle sie nun keine Checkliste mit Stichpunkten erstellen, „an denen sich die Prüfzentren und Dienstleister der Krankenkassen abarbeiten könnten“. Nur: „Was, wenn eben nicht alles `passt`?" Den Patienten dann zurück in die Klinik schicken? Was passiere, wenn der Apotheker dennoch den Patienten versorge?
Ina Hofferberth spricht von „praxisfernen Erwartungen". Es müsse auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die verordnenden Klinikärzte sich auf neuem Terrain bewegten und im Klinikalltag wenig Zeit hätten, sich mit all den formalen Voraussetzungen des korrekten Verschreibens auseinanderzusetzen. Hofferberth hofft auf das „Augenmaß der Krankenkassen“ und „dass alle (!) Krankenkassen ihre bei ihnen versicherten Patienten im Fokus behalten, die sich in diesen Momenten in absoluten Ausnahmesituationen befinden“.
Das ganze Interview mit Ina Hofferberth „Praxisferne Erwartungen" lesen Sie in der aktuellen DAZ 2017, Nr. 39, S. 26.
4 Kommentare
Fehlerhafte Rezepte
von Dr. Arnulf Diesel am 02.10.2017 um 16:46 Uhr
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Gerechte Strafe? Oder ausnahmsweise mal: NICHT selbst schuld?
von Wolfgang Müller am 29.09.2017 um 17:10 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Gerechte Strafe? Oder ausnahmsweise mal
von Andreas Grünebaum am 01.10.2017 um 13:48 Uhr
Hoffnung
von Karl Friedrich Müller am 29.09.2017 um 14:46 Uhr
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