Teratogene Arzneimittel für Frauen

T-Rezepte: Wann sind Frauen gebärfähig?

Bonn / Stuttgart - 23.08.2017, 07:00 Uhr

Müssen Apotheker die Gebärfähigkeit klären, bevor sie T-Rezepte von Frauen beliefern? (Foto: Sondem / Fotolia)

Müssen Apotheker die Gebärfähigkeit klären, bevor sie T-Rezepte von Frauen beliefern? (Foto: Sondem / Fotolia)


Lenalidomid, Pomalidomid und Thalidomid dürfen Ärzte für Frauen im gebärfähigen Alter nur für vier Wochen verordnen. Apotheker dürfen diese T-Rezepte mit den Arzneimitteln Revlimid, Imnovid und Thalidomi nur innerhalb von sieben Tagen beliefern. Doch: Wann ist eine Frau gebärfähig? Gibt es ein maximales Alter für die Gebärfähigkeit bei Frauen?

Für die T-Rezept-pflichtigen Wirkstoffe Lenalidomid, Pomalidomid und Thalidomid gelten hinsichtlich der Verordnung und Abgabe in Apotheken besondere Kriterien. Die Arzneistoffe sind schwer teratogen und können bei schwangeren Frauen zu schweren Missbildungen des ungeborenen Kindes führen. Die Arzneimittelverschreibungsverordnung (§ 3a AMVV) schränkt aus diesen Gründen die Verordnung der fruchtschädigenden Arzneimittel ein: „Die Höchstmenge der auf der Verschreibung nach Absatz 1 Satz 1 verordneten Arzneimittel darf je Verschreibung für Frauen im gebärfähigen Alter den Bedarf für vier Wochen, ansonsten den für zwölf Wochen nicht übersteigen.“ Das heißt: Männer und nicht gebärfähige Frauen kann die Apotheke für drei Monate mit T-Arzneimitteln versorgen.

Lenalidomid, Pomalidomid, Thalidomid: Wann ist eine Frau gebährfähig?

Was in der AMVV fehlt: Wann gilt eine Frau als gebärfähig? Für die Belieferung von T-Rezepten in der Apotheke ist außerdem wichtig: Müssen Apotheker prüfen, ob eine Frau „gebärfähig“ ist, wenn der Versorgungszeitraum vier Wochen überschreitet? Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArm) verweist bei dieser Frage auf die entsprechenden Fachinformationen zu Revlimid®, Imnovid®, Thalidomid Celgene – diese definieren, wann eine Frau „nicht gebährfähig“ nach folgenden Punkten:

Kriterien für nicht gebärfähige Frauen

Eine Patientin oder die Partnerin eines Patienten wird als gebärfähig eingestuft, es sei denn, sie erfüllt mindestens eines der folgenden Kriterien:

  • Alter von ≥ 50 Jahren und seit ≥ 1 Jahr auf natürliche Weise amenorrhoisch*
  • Vorzeitige Ovarialinsuffizienz, die durch einen Facharzt für Gynäkologie bestätigt wurde
  • Vorherige bilaterale Salpingo-Oophorektomie oder Hysterektomie
  • XY-Genotyp, Turner-Syndrom, Uterusagenesie

* Amenorrhö nach einer Tumortherapie schließt eine Gebärfähigkeit nicht aus.

(Quelle: Fachinformationen zu Imnovid® und Revlimid®)

Apotheke muss „Gebärfähigkeit“ nicht prüfen

Frauen, für welches keines der Kriterien zutrifft, gelten als gebärfähig. Dies zu überprüfen, obliegt dem Arzt. Dass er dieser Pflicht nachgekommen ist, bestätigt der Verordner mit dem ersten Kreuz auf dem T-Rezept: „Alle Sicherheitsbestimmungen gemäß der Fachinformation entsprechender Fertigarzneimittel werden eingehalten“. Diese Sicherheitsbestimmungen arbeitet der Arzt anhand von Checklisten ab. Diese Checklisten gibt es für alle drei Patientengruppen: gebärfähige Frauen, nicht gebärfähige Frauen und männliche Patienten. Die Patienten bestätigen diese ärztliche Aufklärung mit ihrer Unterschrift und erhalten Informaionsmaterial zum teratogenen Potenzial ihres Arzneimittels. Dass der Arzt den Patienten diese Information ausgehändigt hat, bestätigt er mit dem zweiten Kreuz auf der T-Verordnung. Fehlen diese Kreuze, darf die Apotheke diese nicht ergänzen.

 

„Diese Bestätigungen beinhalten somit unter anderem die entsprechenden Angaben des jeweiligen Gebärfähigkeitsstatus der Patienten“, äußerte sich das BfArM in einem Schreiben. „Liegen die entsprechenden Angaben auf dem jeweiligen Sonderrezept vor, ist der Apotheker angehalten, das Arzneimittel in der verordneten Menge abzugeben.“ 

Die Apotheke hat also keine Prüfpflicht zur Gebärfähigkeit von Frauen. Sie muss selbst bei Geburtsjahrgängen weiblicher T-Rezeptpatienten, die noch auf eine Gebärfähigkeit schließen lassen, nicht hinterfragen, ob aufgrund von Hysterektomie, bestimmten physiologischen Voraussetzungen oder Grunderkrankungen eine Unfruchtbarkeit besteht.

Isotretinoin-Rezepte und Gebärfähigkeit

Auch für Verordnungen über Isotretinoin gelten strenger Bestimmungen als bei anderen Arzneimitteln. Der Wirkstoff in Aknenormin oder Isotretinoin ratiopharm ist ebenfalls teratogen und bei schwangeren Frauen kontraindiziert. Ähnlich wie bei T-Rezepten darf eine Verordnung über Isotretinoin für Frauen im gebärfähigen Alter den Therapiebedarf hier von 30 Tagen nicht übersteigen, das Rezept ist ab Ausstellungsdatum sechs Tage gültig und in der Apotheke einzulösen. Für männliche Patienten gilt diese Einschränkung nicht. 

Isotretinoin setzen Ärzte bei schweren Formen der Akne ein, wenn Standardbehandlungen mit systemischen Antibiotika versagen und die Gefahr unschöner, dauerhafter Narben bestehen. Meist leiden junge Patienten an diesen schweren Akneformen. Die Frage „gebärfähig“ oder „nicht gebärfähig“ erübrigt sich – im Gegensatz zu T-Rezepten – meist.

 



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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