Döderlein bei DocMorris

Arzneimittelqualität leidet bei Versand

Stuttgart - 11.08.2017, 07:00 Uhr

Das von DocMorris verschickte Döderlein-Präparat enthält zu wenig Wirkstoff. (Foto: Kreiss)

Das von DocMorris verschickte Döderlein-Präparat enthält zu wenig Wirkstoff. (Foto: Kreiss)


„Arzneimittel nicht über 20 °C lagern“ – wie garantieren Versandapotheken eine einwandfreie Arzneimittelqualität während des Transports? Eine berechtigte Frage im Sommer – die auch Apotheker Christopher Kreiss beschäftigte. Er kaufte bei DocMorris Döderlein Vaginalkapseln ein und untersuchte deren Wirkstoffgehalt. Die Ergebnisse dürften manchen Apotheker erschrecken – doch den Döderlein-Hersteller nicht.

Bei hohen Außentemperaturen packen Apotheker temperaturempfindliche Arzneimittel auch mal vorübergehend in den Kühlschrank und weisen Patienten bei der Beratung in der Regel auf besondere Lagerbedingungen hin. Versandapotheke nehmen es mit der Einhaltung der optimalen Temperatur für Arzneimittel, zumindest während des Transports, offenbar nicht so genau. Das zeigen zumindest Testkäufe eines baden-württembergischen Apothekers. Christopher Kreiss bestellte beim Versender DocMorris Döderlein Vaginalkapseln, untersuchte diese anschließend qualitativ auf ihren Wirkstoffgehalt und verglich diesen mit einem korrekt gelagerten Döderlein-Präparat aus einer niedergelassenen Apotheke. Die Ergebnisse: Das Apotheken-Döderlein enthielt 450 Millionen keimbildende Einheiten (KBE), das durch DocMorris versendete Döderlein-Präparat nur noch 12 Millionen – Faktor 38 weniger.

Versandverbot auch für temperaturkritische Arzneimittel forden

Angesichts des Zustands des DocMorris-Päckchens bei Empfang verwundert Kreiss dieses Ergebnis nicht. „Das Päckchen war warm“, beschreibt der Apotheker das DocMorris-Paket, als er es bei einer Postfiliale abholt. Zwar sei den Döderlein-Kapseln ein Kühlgelkissen beigelegt gewesen. Das war allerdings geplatzt. Außerdem bezweifelt Kreiss, „dass diese Kühlkompresse über die Dauer des gesamten Transports eine ausreichend temperierende Wirkung hatte“.

Im Sinne der Arzneimittelsicherheit findet Kreiss ein Versandverbot lediglich für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht ausreichend. Er fordert, dass auch der „Transport bestimmter temperaturempfindlicher Arzneiformen wie Lösungen (insbesondere zur Anwendung am Auge), Salben, Cremes, Zäpfchen, Kapseln, Dosieraerosole deutlich strengeren Anforderungen unterworfen werden sollte, so wie es die deutsche Arzneimittelgesetzgebung ja ursprünglich vorgesehen hatte“, begründet Kreiss seine Forderung.

Döderlein-Hersteller findet Qualitätsverlust nicht dramatisch

Erstaunlich gelassen sieht hingegen der pharmazeutische Unternehmer hinter Döderlein Vaginalkapseln die verminderte Qualität seines Medizinprodukts durch unsachgemäßen Transport über Versandapotheken. Kreiss konfrontierte die Hälsa Pharma mit der Qualitätsminderung ihres Präparats nach DocMorris-Versand. Es bestehe hier keine Gefahr im Verzug, bewertet das Unternehmen das Ergebnis der qualitativen Analyse. Zwar sei das „Vorkommnis“ nicht im Sinne von Hälsa Pharma, jedoch „führt ein verminderter Bakteriengehalt nicht zu unerwünschten Nebenwirkungen, sondern maximal zu einer verminderten Wirksamkeit“, heißt es in einer Stellungnahme von Hälsa Pharma, die DAZ.online vorliegt.

DocMorris schickt Patienten in Apotheke vor Ort

Kreiss hat sich bei seinem Versandapotheken-Einkauf nicht nur auf die technischen und logistischen Probleme beschränkt. Auch die telefonische Arzneimittelberatung bei DocMorris konnte den Apotheker nicht zufriedenstellen. Er bewertet diese zusammenfassend als „nicht sauber“. Sollte Kreiss laut Ansage der Warteschleife für die Arzneimittelberatung mit einem Apotheker verbunden werden, meldete sich schließlich eine „Pharmazeutin“, die nach gründlicherem Nachfragen allerdings nicht Pharmazie studiert, sondern eine Ausbildung zur PTA absolviert hatte. Sie empfahl Christopher Kreiss, er solle die Vaginalkapseln am besten abends vor dem Schlafengehen einführen. 

Am meisten ärgerte den Apotheker jedoch die Aufforderung des DocMorris-Telefonroboters, dass Patienten bei dringenden Problemen in die Apotheke vor Ort gehen sollten. 

DocMorris zu Qulitätsmängel bei Arzneimittelversand

DocMorris äußert sich zu den Vorwürfen nicht. Auf Nachfrage von DAZ.online heißt es: „Es gibt hierzu keine Stellungnahme von DocMorris.“



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

Arzneimittel leiden bei Hitze

von Isa am 13.08.2017 um 12:45 Uhr

Wenn ich in manche Apotheken hier im Sommer gehe, die keine Klimaanlage haben, trifft mich wirklich der Schlag ob der hohen Temperaturen zwischen mindestens 25 und 35 Grad. Und das müssen ja die ganzen Medikamente, sprich auch Suppositorien, über längere Zeit aushalten. Kann das gut sein für den Kunden, der dort einkauft?

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heiße Luft

von Gesine am 11.08.2017 um 18:46 Uhr

Wenn ich bedenke, dass jegliche Ambientware vom jeweiligen GH zur Apotheke in irgendwelchen Sprintern oder Caddys ohne jegliche Kühlung transportiert wird, verstehe ich die Aufregung nicht.
Selbst diese Ware darf nicht über 25 Grad transportiert werden , ist aber nicht selten im Sommer Temperaturen über 50 Grad auf dem Transport ausgesetzt.
Auch kommt es vor dass normale Kühlware wie Insuline, ungekühlt oder mit unzureichender passiver Kühlung angeliefert werden.
Döderlein Kapseln sind da ja noch harmlos, sa nicht lebenswichtig.

Bevor man den Weg zum Endkunden diskutiert, sollte erst mal der GH seine Hausaufgaben machen und seine Transportwege im Sinne der GDP Guidelines gestalten.
Und auch einige Apotheken halten es mit den Lagertemperatur von 15 bis 25 Grad nicht so genau.
Es gibt immer noch Kollegen, die keine Klimaanlage haben und wenn, dann ist diese oft nicht konsequent eingeschaltet bzw.nicht leistungsstark genug.
Oder woher kommen die Reklas der Kunden aus öffentlichen Apotheken über gebrochene Cremegrundagen oder weich gewordene Suppositorien bzw. Kapseln.
Hab ich selbst alles schon gesehen.
Ich denke, alle Apotheken sollten sich an die Temperaturvorgaben im Sinne der GDP Leitlinien halten, ob bei der Lagerung oder dem Transport zum Endkunden.

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AW: heiße Luft

von Markus Junker am 16.08.2017 um 0:31 Uhr

Soviel ich weiß, muss der Großhandel seine Transportfahrzeuge temperieren. Nicht irgendwelche Caddys und Sprinter also. Eine Klimaanlage in der Apo zur Gewährleistung von max 25 Grad ist ebenso Pflicht. Wer noch nicht dahingehend kontrolliert wurde, hatte allenfalls Glück.

Inhaltsstoffwertigkeit?

von Heiko Barz am 11.08.2017 um 11:33 Uhr

Wenn das nun unser zukünftiger Leistungsansatz ist, eine Verminderung der angegebenen Inhaltsstoffe würde nicht zu unübersichtlichen Nebenwirkungen führen, dann brauchen wir sicher nur noch Drogerien.
Was ist denn das für eine qualitätsorientierte Aussage der Firma Döderlein? Sind das schon die neuen aufgeweichten Abgabebestimmungen, die den Versendern das absurde Verschickungsrisiko abnehmen?
Schöne neue Pharmawelt, die dieser Bezeichnung nicht mehr würdig ist.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Inhaltsstoffwertigkeit

von Dr. Arnulf Diesel am 11.08.2017 um 12:29 Uhr

Es gibt ja zum Glück noch andere Hersteller. Vielen meiner Kundinnen hat z.B. das im Kühlschrank zu lagernde Vagiflor gut geholfen, das gibt es halt nur in der niedergelassenen, inhabergeführten Apotheke.

AW: Inhaltsstoffwertigkeit

von Albrecht Bodegger am 11.08.2017 um 14:38 Uhr

Eben nicht, Herr Dr. Diesel. Vagiflor verschickt Doc Morris auch. Da gäbe es wohl ähnliche Probleme.

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