Gerichtsurteil

Versandapotheken müssen Arzneimittel-Retouren akzeptieren

Berlin - 26.07.2017, 17:00 Uhr

Eine Apotheke, die Arzneimittel im Wege des Fernabsatzes vertreibt, kann sich in ihren AGB vor einem Widerruf und damit der Rücksendung von Arzneimitteln schützen. Das sagt das Oberlandesgericht Naumburg. (Foto: dpa)

Eine Apotheke, die Arzneimittel im Wege des Fernabsatzes vertreibt, kann sich in ihren AGB vor einem Widerruf und damit der Rücksendung von Arzneimitteln schützen. Das sagt das Oberlandesgericht Naumburg. (Foto: dpa)


13 Packungen Paracetamol aus dem Internet

Die Rechtsauffassung, die im Hinblick auf Arzneimittel von einer „rechtlichen Verderblichkeit“ ausgeht, will sich der Senat nicht anschließen. Eine solche weite Auslegung wird zwar in der Literatur vertreten – auch in Kommentaren. Doch diese Kommentare seien vor Inkrafttreten des noch vergleichsweise jungen § 312g BGB verfasst worden. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung der Norm diese Literaturstimmen nicht zum Anlass nahm, einen generellen Ausschluss von Arzneimitteln vom Widerrufsrecht zu regeln, spreche gegen die erweiterte Auslegung der Vorschrift, so das Gericht.

Insgesamt kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass es zwar rechtspolitisch und aus Apothekersicht gute Gründe für den Ausschluss des Widerrufsrechts für Arzneimittel geben mag. Doch es wäre Sache des Gesetzgebers, einen solchen Ausschluss ausdrücklich zu regeln.

Arzneimittelmissbrauch richtig entgegenwirken

Neben dem ausgeschlossenen Widerrufsrecht missfiel dem vzbv auch der Umgang der Versandapotheke mit einer auffälligen Bestellung: In einem Testkauf hatten die Verbraucherschützer 13 Packungen des Schmerzmittels Paracetamol bestellt. Dabei handelt es sich um das 25-Fache der vom Hersteller angegebenen Tagesdosis. Das muss eine Apotheke stutzig machen. Schließlich sagt die Apothekenbetriebsordnung in § 17 Abs. 8: „Das pharmazeutische Personal hat einem erkennbaren Arzneimittelmissbrauch in geeigneter Weise entgegenzutreten.Bei begründetem Verdacht auf Missbrauch ist die Abgabe zu verweigern."

Bei iPill.de erhielt die Bestellerin eine E-Mail folgenden Inhalts: „Wir sind seit Anfang des Jahres vom Gesetzgeber verpflichtet worden, unsere Kunden über die hohen pharmazeutischen Bedenken beim Kauf und der regelmäßigen hohen Einnahme von mehr als 3 Packungen Abführmittel/Schmerzmittel ausdrücklich hinzuweisen. Wir bitten Sie lediglich, uns dies mit Ihrem o.k. zu bestätigen, dass wir Sie diesbezüglich aufgeklärt haben. Somit sind wir der gesetzlichen Pflicht nachgekommen und können nach Ihrer Rückmeldung Ihre Bestellung versenden."

Die Testkäuferin klickte „o.k.“ und erhielt die gewünschten 13 Packungen. Der vzbv fand, dass die Versandapotheke einem möglichen Medikamentenmissbrauch nur unzureichend nachgegangen sei. Das Gericht bestätigte, dass die formelhafte Belehrung nicht ausreiche. Bei der Bestellung einer derart ungewöhnlichen Menge eines Medikaments mit Missbrauchspotenzial hätte die Apotheke gezielt nachfragen und die Abgabe im Zweifelsfall verweigern müssen.

vzbv überprüft 20 Versandapotheken

Das Verfahren ist Teil einer Aktion des vzbv, bei der er die Internetauftritte und Geschäftsbedingungen von 20 Versandapotheken unter die Lupe genommen hat. Dabei ging es unter anderem auch um Aufklärung über kostenfreie Beratungsmöglichkeiten am Telefon. In den meisten Fällen zeigten sich die Apotheken laut vzbv einsichtig und gaben strafbewehrte Unterlassungserklärungen ab. In vier Fällen haben die Verbraucherschützer jedoch Klage erhoben.

Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 22. Juni 2017, Az. : 9 U 19/17 – nicht rechtskräftig



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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5 Kommentare

Verbraucherschützer???

von Peter am 24.11.2017 um 21:50 Uhr

Wen wollen diese Verbraucherschützer hier schützen? Den Verbraucher? Unabhängig davon ist dieses Urteil, ein Schlag ins Gesicht bezogen auf die Arzneimittelsicherheit!!!

Bei den meisten Medikamenten steht, dass diese NICHT über 25 Grad gelagert werden sollen etc..... auch wenn bei der Retoure die Verpackung intakt ist, wer garantiert, dass das Medikament fachgerecht gelagert wurde? Vielleicht befand sich das Paket im Hochsommer im PKW bei über 60 Grad etc....
Heisst dies für mich als Kunde (egal welcher Apotheke), es kann also sein, dass mein "Medikament" bereits ein "Privatmann" bei sich hatte, evt. mehrere Tage und ich nicht weiss, wie diese Packung gelagert wurde?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Verbraucherschützer

von Benny am 26.11.2017 um 14:15 Uhr

Lieber Peter, nein, das Urteil bedeutet nur, dass die Versandapotheke die Arzneimittel wieder zurücknehmen muss. Es ist eindeutig klar, dass sie die zurückgenommenen Arzneimittel nicht wieder abgeben/verkaufen darf! Wenn Sie allerdings den Versendern zutrauen, sich an diese Regeln nicht zu halten - dann sollten Sie vielleicht lieber in die Apotheke vor Ort gehen ;-)

Onlinebestellung

von Sven Larisch am 27.07.2017 um 13:30 Uhr

Lieber wäre mir eine eindeutiges Urteil zugunsten der Onlineapotheke gewesen. Dann wäre richterlich festgestellt worden, dass Arzneimittel Waren der besonderen Art sind, was sich für einen Kampf zum Versandverbot ein guter Anfang gewesen wäre.
Dies würde aber EU Recht widersprechen und dem Wunsch politischer und wirtschaftlicher Interessengemeinschaften.
Tja so bleibt das hin und her- geschicke von Medikamenten usus, während wir den Kunden aufgrund der ApoBO jegwede Rücknahme verweigern (zum Glück!)

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Retourenzwang

von Dr. Benjamin Lieske am 27.07.2017 um 7:59 Uhr

Na also ab jetzt alle schön fleißig sovaldi bei einer jetzt nicht namentlich genannten, grünen Versandapotheke bestellen :D.

und wen wundert das mit den Parcetamol. Natürlich wird Missbrauch gefördert wenn 20 Paracetamol plötzlich 57 Cent kosten. Aber geändert wird mal wieder auf Dauer nichts. Diese Standardemail, inklusive des verlächerlichenden Tons ist schon eine Frechheit.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Retourenzwang: Aufruf zum Missbrauch des Widerrufsrechtes

von Andreas Grünebaum am 21.11.2017 um 18:29 Uhr

Da wäre ich mal schön vorsichtig und würde mich vorher bei einem erfahren Anwalt beraten lassen, bevor ich solch einen "Flashmob" starten würde. Könnte voll ins Auge gehen: rechtlich wie auch im Auge der Öffentlichkeit.

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