Patienten teilweise verärgert

„Mein Cannabis ist besser als das Zeug aus der Apotheke“

Stuttgart - 21.06.2017, 16:00 Uhr

Nach nur einigen Monaten endet der vom Bundesinstitut für Arzneimittel genehmigte Eigenanbau von Cannabis demnächst. (Bild: Norberto Lauria / Fotolia)

Nach nur einigen Monaten endet der vom Bundesinstitut für Arzneimittel genehmigte Eigenanbau von Cannabis demnächst. (Bild: Norberto Lauria / Fotolia)


Während die im letzten Jahr erstrittenen Eigenanbau-Genehmigungen zweier Patienten demnächst auslaufen, äußern auch weitere Schmerzpatienten ihren Unmut über steigende Preise und das im März in Kraft getretene Cannabis-Gesetz: Ärzte würden oft kein Cannabis-Rezept ausstellen, Kassen nicht wie eigentlich vorgesehen zahlen. 

Seit dem 10. März 2017 ist das sogenannte Cannabis-Gesetz in Kraft, das schwerkranke Patienten einen Anspruch auf eine Cannabis-Therapie auf Kassenrezept verschafft. Ein Ziel des Gesetzes war es, Eigenanbau in Deutschland verbieten zu können: Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom vergangenen Jahr musste das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) manchen Patienten erlauben, zu Hause für medizinische Zwecke Cannabis anzubauen – da sie sich Cannabis aus der Apotheke nicht leisten konnten. Zwar gingen innerhalb weniger Wochen mehr als hundert Anträge ein, doch genehmigte die Behörde nach Informationen von DAZ.online nur zwei hiervon.

Nun verlieren einerseits die beiden Ausnahmeerlaubnisse zum Eigenanbau ihre Gültigkeit. Doch andererseits müssen auch die 1061 bislang erteilten Genehmigungen zum Erwerb von Cannabis zum Zweck der ärztlich begleiteten Selbsttherapie dem BfArM zurückgegeben werden, da sie zum 10. Juni 2017 „unbrauchbar“ wurden: Apotheken dürfen Cannabis nun nurmehr aufgrund einer ärztlichen Verschreibung abgeben. „Ein großer Teil der Ausnahmeerlaubnisse wurde bereits zurückgegeben“, erklärt Behördensprecher Maik Pommer gegenüber DAZ.online. Laut ABDA haben deutsche Apotheken in den letzten drei Märzwochen gut 500-mal Cannabis-Blüten abgegeben

„Mir hat Cannabis das Leben gerettet“

Doch Patienten wie Frank-Josef Ackerman, den die Deutsche Presseagentur aufgesucht hat, während er sich einen der täglich sieben oder acht Joints dreht, sind mit der neuen Lage äußerst unzufrieden. „Mir hat Cannabis das Leben gerettet“, erklärt Ackerman, der sich gerichtlich die erste Eigenanbau-Genehmigung erstritten hatte, gegenüber der Nachrichtenagentur. „So lassen sich die körperlichen Beschwerden ertragen und ich komme einigermaßen geschmeidig durch den Tag“, betont Ackerman, der im südöstlich von Frankfurt gelegenen Rodgau lebt.

Der ehemalige Angestellte des US-Militärs ist seit 2008 berufsunfähig und schwerbehindert, er leidet an Polyarthrose. Lange Zeit machten ihm die Beschwerden das Leben zur Hölle, erklärt er. „Die Ärzte haben gesagt, dass sie mir nicht mehr helfen können“, sagt Ackerman. Er habe alle möglichen konventionellen Medikamente ausprobiert – doch sei dies nicht nur erfolglos, sondern auch mit Nebenwirkungen verbunden gewesen.

Cannabis aus der Apotheke ist für Ackerman eine schlechte Wahl

Nachdem die Staatsanwaltschaft seine Cannabispflanzen und Anbau-Utensilien in Beschlag genommen hatte, hatte er sich über Jahre das Recht zum Eigenanbau erstritten. Seit den Siegen in diversen Gerichtsverfahren baut Ackerman wieder sein eigenes Cannabis an, seit Beginn des Jahres sogar mit einer offiziellen Anbaugenehmigung des BfArM – doch läuft diese nun aus. „Weil der Staat die laufenden Genehmigungen wieder einkassieren möchte“, erklärt Ackerman.

Er ist überzeugt, dass seine Plantage seine Bedürfnisse am besten befriedigt. „Auf das Cannabis aus der Apotheke umzusteigen, wäre eine schlechte Wahl“, behauptet Ackerman. In einem Zimmer seiner Wohnung hat er eine Plantage aufgebaut, in mannshohen Boxen stehen mehr als ein Dutzend großer Pflanzen. Wärme und Licht bekommen sie von Speziallampen. „Bald sind sie erntereif“, sagt Ackerman und prüft das Wachstum seiner Pflanzen. Stecklinge päppelt er in einer separaten Box auf.

Pro Pflanze gewinnt er innerhalb eines Zeitraums von zwölf bis 16 Wochen rund 70 Gramm, sagt der Cannabiszüchter. „Ich habe hier eine besonders gute Qualität, besser als das Zeug aus der Apotheke“, erklärt er und streicht über die Pflanzen. „Alles biologisch sauber angebaut.“

Ein langjähriger Verfechter medizinischer Cannabis-Therapien ist der Arzt Franjo Grotenhermen aus dem nordrhein-westfälischen Rüthen, der Ackerman und viele Cannabis-Patienten bundesweit betreut und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin ist. Er ist unglücklich mit dem Gesetz, wie er gegenüber der Deutschen Presseagentur erklärt: Zu einer Verbesserung habe es für viele Patienten bislang nicht geführt, betont Grotenhermen – auch da Cannabis aus der Apotheke durch die nun geltende Arzneimittelpreisbindung viel zu teuer wurde, der Preis sei auf etwa 25 Euro pro Gramm gestiegen. „Das ist für die vielen Patienten von Bedeutung, die keine Kostenerstattung durch die Krankenkassen bekommen“, erklärte der Arzt, der wegen des Problems sogar in den Hungerstreik gegangen war.

Patienten klagen gegen ihre Krankenkassen

Patienten müssen zunächst einen Kassenarzt finden, der ihnen Cannabis verschreibt – und die Kassen müssen die erste Verordnung für jeden Patienten genehmigen, was zu oft verweigert werde, wie Grothenhermen betont. „Aufgrund der Ablehnung der Kostenübernahme der Krankenkassen laufen bereits mehrere Verfahren vor den Sozialgerichten“, erklärt er.

Ärzten droht zudem wegen der hohen Kosten für Cannabis ein Regress wegen Überschreitung ihres Budgets. Insgesamt sei der Verwaltungsaufwand für die Ärzte mit Cannabis-Patienten groß, erklärt Grotenhermen. „Da muss die Politik nachbessern.“

Der Fachanwalt Oliver Tolmein aus Hamburg, der den Eigenanbau für Ackerman vor Gericht erstritten hatte, sieht das Problem bei den Krankenkassen. „Das Gesetz regelt, dass sie die Cannabis-Verordnung auf Rezept in der Regel genehmigen sollen und nur in begründeten Ausnahmefällen nicht – derzeit ist leider das Gegenteil der Fall: In der Regel wird nicht genehmigt, nur ausnahmsweise doch.“

Gegenüber DAZ.online hatte Tolmein im vergangenen Jahr erklärt, dass es auch nach Verabschiedung des Gesetzes weiterhin Bedarf für Eigenanbau geben könnte. „Solange Medizinalhanf nicht wie andere Medikationen vom Arzt verschrieben werden kann, weil er es für die beste Therapie hält, und die Krankenkasse dann die Kosten übernehmen muss, werden wir wohl ein Problem haben.“ Dies ist nun offenbar der Fall.

Außerdem müsse medizinisches Cannabis zunächst importiert werden, erst 2019 soll deutsches Cannabis auf den Markt kommen. „Apotheken haben leider immer wieder Lieferengpässe“, erklärt Tolmein zur aktuellen Lage.  Für Patienten sei dies ein unhaltbarer Zustand. „Sie sind auf ihr Medikament angewiesen“, betont er. Auch Ackerman sieht das so. „Ich kann das nicht beenden“, erklärt er. „Sonst gehe ich kaputt.“



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