Hüffenhardt

„Der Gemeinderat steht hinter der Firma DocMorris“

Hüffenhardt - 15.06.2017, 07:00 Uhr


Auch nachdem der Arzneimittel-Abgabeautomat in Hüffenhardt zum wiederholten Male geschlossen wurde, sind Vertreter der Gemeinde weiterhin von dem Konzept überzeugt. Zwar sei auch eine Apotheke „ein schönes Ende der Kette“, doch nach mehreren Anläufen setzen viele Dorfbewohner offenbar auf das Angebot von DocMorris. Notfalls solle die Politik dieses durch Gesetzesänderungen ermöglichen, erklärten die Bürgermeister.

Auf, zu, auf, zu: Der Arzneimittel-Abgabeautomat von DocMorris in Hüffenhardt beschäftigt die Bewohner des Dörfchens Hüffenhardt, der Bürgermeister Walter Neff zeigte sich gegenüber DAZ.online sogar „verwirrt“ über das umstrittene Projekt. Die verschiedenen Rechtsstreitigkeiten zu dem Verfahren werden sich wohl noch über einen längeren Zeitraum hinziehen – am gestrigen Mittwoch hatte das Landgericht Mosbach eine einstweilige Verfügung verhängt, nach der der Automat zunächst auch keine OTC-Präparate mehr abgeben darf.

Vertreter der Gemeinde erklären nun gegenüber DAZ.online, dass sie weiterhin auf das neuartige Projekt setzen. „Natürlich wäre es gut für Hüffenhardt, wenn der Automat auch für rezeptpflichtige Arzneimittel wieder geöffnet wird“, sagt Gemeinderatsmitglied und stellvertretender Bürgermeister Heiko Hagner – auch aus umliegenden Ortschaften seien Menschen gekommen, um beim Automaten einzukaufen. Zwar sei auch eine Apotheke „ein schönes Ende der Kette“, erklärt Daniela Maahs, Geschäftsleitende Beamtin der Gemeinde. Doch da diese vor längerer Zeit in Hüffenhardt geschlossen hat, sei es „sehr schade“, dass der Automat nun vorerst durch das Gericht gestoppt wurde.

DocMorris hatte vor dem Start des Projekts den gesamten Gemeinderat in die Niederlande eingeladen. „Das hat uns schwer beeindruckt“, erklärt Hagner – insbesondere von den Kontrollen der Arzneimittel vor dem Versand zeigt er sich angetan. „Da kann nichts schiefgehen“, ist er überzeugt. Im Anschluss habe der Gemeinderat einstimmig beschlossen, dass das neue Konzept für das Dorf verfolgt werden sollte. „Der Gemeinderat steht hinter der Firma DocMorris“, erklärt Hagner.

Kommt ein Wandel der ländlichen Arzneimittelversorgung?

Er habe auch schon „mit vielen älteren Damen und einem Herrn“ über den Abgabeautomaten gesprochen, der im April eröffnet wurde, sagt Hagner: Sie alle hätten dies als eine „sehr gute Idee“ bezeichnet. „Es findet einen sehr guten Anklang in der Bevölkerung“, betont er. Als Vorteil des Automaten seien beispielsweise auch genannt worden, dass man nicht stehen müsse, sondern sich setzen könne – außerdem sei die Bezahlung „wie bei einem Geldautomaten“ komfortabel.

Auch unter älteren Bürgern gebe es positive Stimmen, ergänzt Maahs, die jedoch gleichfalls über Kritik berichtet. Gleichzeitig berichtet sie über Kritik. „Es gibt auch Stimmen, die sagen, sie möchten eine Apotheke“, erklärt Maahs. 

Von der Rezeptsammelstelle in Hüffenhardt zeigt sie sich – wie auch Hagner – nicht vollends überzeugt. Doch was sagt die Gemeinde-Beamtin dazu, dass der Automat nicht nur von der Landesapothekerkammer, sondern auch vom Regierungspräsidium und dem zuständigen Gericht als rechtswidrig angesehen wird? „Das müssen die übergeordneten Behörden und auch die Gerichte entscheiden“, erklärt Maahs.

„Kein Apotheker hat sich verantwortlich gefühlt“

Lange habe er sich „voll“ mit der Argumentation von Apothekern identifizieren können, sagt der stellvertretende Bürgermeister – doch das änderte sich, nachdem die Apotheke in Hüffenhardt ein ganzes Jahr erfolglos ausgeschrieben war, obwohl im Dort ein Allgemeinmediziner, ein Zahnarzt, ein Heilpraktiker und ein Tierarzt angesiedelt sind. „Kein Apotheker hat sich verantwortlich gefühlt, hier eine Apotheke aufzumachen“, schildert Hagner die Stimmungslage.

Dann sei DocMorris mit seinem Vorschlag gekommen. „Wir waren begeistert“, erklärt er. Erst anschließend hätten „die Apotheker“ reagiert: „Dann auf einmal kommt ein Rezeptbriefkasten daher“, sagt der Bürgermeister. „Das hätten sie sofort machen können.“

Wie bereits zuvor Bürgermeister Neff fordert auch Hagner, dass die Politik das Modell aus Hüffenhardt durch Gesetzesänderungen erlauben sollte, wenn die Gerichte es aufgrund der aktuellen Rechtsprechung weiterhin als verboten ansehen. In den aktuellen Rechtsstreitigkeiten will die Gemeinde die niederländische Versandapotheke jedoch weder finanziell noch auf anderem Wege unterstützen. „Die Firma DocMorris steht auf so guten festen Füßen, da brauchen wir eigentlich nichts machen“, betont Hagner.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Hüffenhardt.......

von Heiko Barz am 15.06.2017 um 11:03 Uhr

Hier erleben wir ein Lehrstück, wie Kapitalgesellschaften ihre gesteckten Ziele, dabei jedes Gesetz verachtend, erreichen.
Den holländischen Apopiraten ist jedes Mittel recht, um an die sogenannten Fetttöpfe des deutschen Gesundheitsmarktes zu kommen.
Die Sicht der Hoffenhardter Gemeindmitglieder ist klar durch die verführerische Aktion der Holländer getrübt worden. Wem ist es nicht angenehm, durch die Einladung nach Holland am Bauch gepinselt zu werden?
Letzlich muß aber von Gemendevertretern, die ihrerseits nur im gesetzlichen Rahmen agieren, verlangt werden können, sich um die juristischen Belange ihres Betätigungsfeld ausreichend zu kümmern.
Dieselben Leute, die sonst jeden Paragraphen dreimal abschätzen, bevor sie eine kommunale
Leistung genehmigen, um vor jeder Art juristischer Spielarten gefeit zu sein, sind leichtfertig über gesetzliche Grundlagen und ihrer sozialen Verantwortung und Verpflichtung hinweggestolpert.
Man wird auch den Medien niemals klar machen können, dass die Bundesdeutsche Apothkengesetze ausschließlich zum Nutzen des Volkes erarbeitet wurden. Die Behauptung, das wären doch alles nur Schutzzäune für die "geldgeilen" Apotheker, können nur die von sich geben, die sich nie mit dieser überaus komplizierten Rechtslage im Pharmabereich beschäftigt haben.
Warum auch? Es ist ja auch viel einfacher und populistischer, BenzIn in die schon lodernden Flammen zu schütten.

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Weltfremd

von Karl Friedrich Müller am 15.06.2017 um 10:42 Uhr

Kein Apotheker hat sich verantwortlich gefühlt, hier eine Apotheke aufzumachen“, schildert Hagner die Stimmungslage.
Dieser Satz zeigt die ganze Entrücktheit und Weltfremdheit von Politikern, sogar bis runter in die Gemeinderäte, von denen man mehr erwarten könnte.
"Verantwortlich" schön. Wer ist verantwortlich für das mögliche Scheitern?
Auch eine Apotheke braucht Gewinn, um Kosten und den Unterhalt des Apothekers zu finanzieren. Dafür scheint es nicht zu reichen.
Konzerne wie DocMorris sind für die prekäre Lage mit verantwortlich ( ursprünglich natürlich die SPD mit Ulla Schmidt), weil sie den niedergelassenen Apotheken die Existenzgrundlage entziehen. Und die Geiz ist Geil Mentalität der Bevölkerung.
DocMorris wird dafür sorgen, dass es in weiten ländlichen Kreisen keine Apotheke mehr gibt und keine vernünftige Beratung. Nur um ihr Geschäftsmodell durchzusetzen und für steigende Aktienkurse.
Der Verursacher schwingt sich zum Retter seiner Untaten auf. Was für ein (schlechter) Witz!
Das ist eine gigantische Volksverdummungsstrategie!

Das Schielen auf Aktienkurse zerstört die Lebensgrundlangen der Bevölkerung. Wann endlich wird das verstanden?
Neoliberalismus ist nicht nachhaltig, nur zerstörerisch und nutzt außer ein paar Privilegierten niemandem!

Konzerne wie DocMorris lügen ohne Ende!

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