Interview Kordula Schulz-Asche (Grüne)

„Ich habe noch nie bei einer Versandapotheke bestellt“

Berlin - 01.06.2017, 11:20 Uhr

Die Arzneimittel-Expertin der Grünen, Kordula Schulz-Asche, im Gespräch mit DAZ.online. (Foto: Kuelker)

Die Arzneimittel-Expertin der Grünen, Kordula Schulz-Asche, im Gespräch mit DAZ.online. (Foto: Kuelker)


„Ein Boni-Deckel hätte die Gefahr für Vor-Ort-Apotheken eingrenzen können“

DAZ.online: Sie wollen die Apotheker also mit einer grundsätzlichen, aber gedeckelten Boni-Erlaubnis vor Rx-Boni aus dem Ausland schützen? Wie geht das zusammen?

Schulz-Asche: Ganz einfach: Es ging uns darum, die Höhe der Rx-Boni einzuschränken. Derzeit können die EU-Versandapotheken doch Rx-Boni in uneingeschränkter Höhe gewähren. Wäre man unserem Vorschlag gefolgt, hätte man diese Gefahr für die Apotheke vor Ort eingrenzen können.

DAZ.online: Aber der EuGH hat die Rx-Preisbindung für EU-Versender doch aufgehoben. Eine solche Einschränkung wäre ebenso europarechtswidrig gewesen, wie Sie es von dem Rx-Versandverbot behaupten…

Schulz-Asche: Wir sehen das anders. Wir glauben, dass das EuGH-Urteil grundsätzlich nur meint, dass kein Zusammenhang zwischen der Rx-Preisbindung und der flächendeckenden Versorgung besteht. Über die Höhe eines eventuellen Boni-Deckels hat sich der EuGH nicht geäußert. Außerdem ist es fahrlässig, es nicht einmal zu probieren. Ich verstehe auch die Apothekerschaft nicht, dass man lieber mit den riesigen Rx-Boni aus den Niederlanden leben möchte, als einen minimalen Rabatt für alle zu akzeptieren.


„Die Rx-Preisbindung schadet den Apothekern“


DAZ.online: Vielleicht weil schon dieser „minimale“ Rabatt viele kleine Apotheken in schwierige wirtschaftliche Situationen befördern könnte…

Schulz-Asche: Das Problem ist ja, dass wir das alles nicht wissen. Dazu liegen uns einfach keine verlässlichen Zahlen vor. Wir wissen nur, dass die Apothekenzahl zurückgeht, dass eine Marktkonzentration stattfindet und dass der Anteil umsatzschwacher Apotheken steigt. Die Zusammenhänge werden wir aber sicher erst aus dem Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums erfahren. Zu behaupten, dass eine kleine Preissenkung Einfluss auf die Versorgung hat, dafür gibt es einfach keine Belege.

DAZ.online: Die Festpreise haben doch auch einen versorgungspolitischen Sinn. Jeder Verbraucher bekommt sein Arzneimittel zum gleichen Preis in jeder Apotheke. Apotheker, die Boni anbieten, könnten auf die Idee kommen, die Beratungen bei Boni-Patienten einfach zu streichen…

Schulz-Asche: Ich bin eher der Meinung, dass die Rx-Preisbindung den Apothekern sogar schadet. Schon jetzt ist es so, dass mir viele Apotheker sagen, dass sie ohne eine hochgradige Spezialisierung oder besondere Angebote wie etwa zur Naturheilkunde oder Homöopathie den Wettbewerb mit den weiter entfernten Stadtapotheken nicht aushalten würden. Wir meinen, dass gerade solchen Apotheken ein kleiner, flexibler Spielraum beim Preis Chancen im Wettbewerb einräumen kann.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

Fehleinschätzung der Grünen Gesundheitspolitik

von Heiko Barz am 01.06.2017 um 13:47 Uhr

Frau S.Asche bemerkt, für mich schon überaus zünisch, das System des Versandhandels wäre unumkehrbar, da seit 2004 festgelegt, so sollte sie sich erinnern, wem wir diesen pharmazeutischen Schwachsinn zu verdanken haben. ( Fischer, Trittin, Bender und Co.) Welcher Partei gehörten diese 'Fachleute' eigentlich an?
Kann denn niemand dieser Frau Asche einmal erklären, dass der Bonuswahnsinn aus Holland einfach damit zu erklären ist, dass diese Heuschreckenabhängigen Rabatte von den Arzniemittelherstellern verlangen können - und das auch mit Nachdruck tun - wie wir diese vor 2004 auch bekamen.
Welche Diskriminierungen wir dabei erfuhren, mit der Krankheit Anderer auch noch Profit zu machen, gipfelt ja derzeit im Wust der Rabattverträge( Gewinner: K.Kassen) und im sogenannten Apothekenhonorar, dass seit 2004 stagniert.
Dass von diesem zementierten Honorar auch noch ein KKassenrabatt von 1.77€ abgeht sollte Frau Asche auch mal zur Kenntnis nehmen.
Der von der Grünen angedachte 1€ Bonus ist nicht diskutabel, weil deutlich sichtbare Auflösungserscheinungen, Aposchließungen, Apprbiertenmangel, Investitionsstau u.s.w. zu deutlich anzeigen, dass unglaubliche Fehler zur absoluten Verschlechterung der Arzneimittelversorgung der Patienten heute schon geführt haben.
Der von der Politik angedachte Paradigmenwechsel hin zur digitalen Versandeuphorie kennt aber nur einen absoluten Verlierer:: den PATIENTEN !!

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AW: Fehleinschätzung der Grünen

von Heiko Barz am 02.06.2017 um 14:27 Uhr

zynisch statt zünisch!

Auch oh Mann

von Peter Bauer am 01.06.2017 um 11:41 Uhr

Kapiert die Frau nicht ,dass in der öffentlichen Apotheke nicht der geringste finanzielle Spielraum für Rabatte ist.Nicht mal ganz kleine.Warum sind die meisten Apotheken mittlerweile unverkäüflich???Weil man einfach nicht mehr genug erwirtschaften kann,um neben dem Lebensunterhalt auch noch die Apotheke abzuzahlen.Wir können einfach keine Aufschläge selber machen ,die es dann hinterher gestatten darauf Rabatte zu geben.Alle anderen Branchen machen dies nämlich so.Wann machen sich solche Politiker endlich frei von diesem ewig gestrigen Denken,dass ein Apotheker in seiner Apotheke sich automatisch dumm und dusselig verdient.Und das sind dann "Gesundheitsexperten"!

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Oh Mann....

von Anita Peter am 01.06.2017 um 11:30 Uhr

Apotheken auf dem Land sollen jetzt 1 Euro Bonus geben, damit man die Kundschaft aus den Stadtapotheken wieder weg lockt??
a) dann gibt auch die Stadtapotheke 1 Euro Bonus und alles ist wieder zurück auf los.
b) ich kann mir nicht mal 50 cent Bonus leisten!

Und was nun?

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AW: Oh Mann..

von Christian Becker am 01.06.2017 um 11:46 Uhr

Ist doch klar: zumachen. Sie und noch möglichst viele andere, die die Versorgung auf dem Land sicherstellen.
Dann hat auch Frau Schulz-Asche ihren Beleg, dass das schaden würde.
Ach so... dann wäre es aber zu spät, noch was zu ändern und Hurra!, wir haben ja die Versandapotheken die in die Presche springen können.

AW: @ Christian Becker

von Anita Peter am 01.06.2017 um 12:09 Uhr

Wenn ich 50 cent pro Packung Bonus geben muss, ist meine Apotheke nicht mehr zu betreiben, und das obwohl meine Privatentnahme niedriger ist als ein Nettogehalt einer angestellten Apothekerin. ( bei einer 40 Stundenwoche wohlgemerkt, die 20-30 Stunden, die ich darüber liege, rechne ich schon gar nicht mehr mit.... )
Wie eine Krankenschwester jetzt auf die Idee kommt, die Preisbindung sei schädlich für meine Apotheke, ist mir ein Rätsel.

AW: Oh Mann

von Christian Becker am 01.06.2017 um 12:51 Uhr

Das kann ich mir gut vorstellen, Frau Peters. Daher mein zynischer Kommentar.
Die Preisbindung ist ja letztendlich auch für die Kunden gut - was vielen wahrscheinlich erst klar wird, wenn es sie (die Preisbindung) und Sie (bzw. Ihre Apotheke) nicht mehr gibt.

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