Arzneimittelfälschungen in der ARD

Geben Apotheker gefälschte Arzneimittel ab?

Berlin - 18.05.2017, 11:50 Uhr

Fälschungen in deutschen Apotheken? Einer ARD-TV-Doku zufolge landen über viele Umwege auch hierzulande gefälschte Arzneimittel. (Screenshot: DAZ.online)

Fälschungen in deutschen Apotheken? Einer ARD-TV-Doku zufolge landen über viele Umwege auch hierzulande gefälschte Arzneimittel. (Screenshot: DAZ.online)


Fälschungen kommen aus Indien

Der Vorwurf des ehemaligen Pharma-Mitarbeiters wiegt schwer: Seiner Meinung nach stellen indische Behörden den europäischen Abnehmern Dokumente aus, aus denen die Einhalt der GMP-Richtlinien hervorgeht, ohne dass die Behörden jemals die jeweiligen Produktionsstätten gesehen hätten. Gefälscht würden nicht nur die GMP-Zertifikate, sondern auch Zulassungsstudien für neue Medikamente. In letzter Zeit gab es immer wieder Fälle, in denen Zulassungen aufgrund von Zweifeln an den in Indien durchgeführten Studien ruhen mussten. Professor Karl Broich, Chef des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), spricht davon, dass nun „verstärkt inspiziert“ werde und Unregelmäßigkeiten „konsequent verfolgt würden.“ Erzählt wird auch die Geschichte des Krebsmedikamentes Bicnu (Carmustin) des indischen Herstellers Emcure. Das Arzneimittel sei über mehrere Zwischenhändler und Umwege auch in Europa gelandet und sogar Patienten verabreicht worden. Nun ermittelt die irische Arzneimittelbehörde, weil der Verdacht besteht, dass mehrere Chargen des Medikamentes gefälscht sein könnten.

„Kommen so gefälschte Medikamente auch in deutsche Apotheken?“, will der Autor des Beitrages wissen. Interviewt wird nun Professor Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK). Mehr als 8000 Verdachtsfälle habe es im vergangenen Jahr gegeben. Auch Schulz berichtet von einer „aufgeweichten, komplexen, unübersichtlichen und intransparenten“ Lieferkette. Der Sprecher berichtet davon, dass Apotheker dazu verpflichtet sind, mindestens einmal am Tag eine Arzneimittelpackung auf ihre Qualität hin zu überprüfen. Apotheker Glaß dazu: „Auch da tauchen schon Auffälligkeiten auf.“

Aber zurück zu Pfizer. Laut TV-Dokumentation hatte der US-Konzern Privatdetektive beschäftigt, um herauszufinden, ob das Krebsmedikament Sutent wirklich gefälscht nach Europa eingeführt werde. Nach ersten Verdachtsfällen der Detektive habe Pfizer die Ermittlungen aber spontan wieder eingestellt, heißt es im Beitrag. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass Pfizer und andere Pharmaunternehmen eine Zeit lang die Fälschungs-Ermittler von Interpol finanziell unterstützten.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Anreize

von Holger am 23.05.2017 um 8:26 Uhr

Es gibt doch verschiedene Anreize, die Straftäter(!) dazu bewegen, gefälschte Arzneimittel zu produzieren und in den Markt zu bringen. Wenn man dagegen vorgehen will, muss man alle diese Anreize minimieren.

1. Gewinnspanne
Wenn man mit Arzneimitteln mehr Geld verdienen kann, als mit illegalen Drogen, ist doch kein Wunder, wenn sich zwielichtige Subjekte auf diesen Markt stürzen? Nirgendwo ist die Gewinnspanne so groß, wie beim Unterschied zwischen Produktionsaufwand und Verkaufspreis von Arzneimitteln - zumindest für Monopolprodukte. Erst wenn diese Gewinnspanne deutlich sinkt, wird das Interesse abnehmen.

2. B2B-Lieferkette
Je mehr Beteiligte in diesem Prozess, desto höher wird das Risiko dafür, dass "irgendwer" sich illegal betätigt. Mich stimmt allein schon die in den letzten zehn Jahren dramatisch gestiegene Zahl der AM-Großhandelserlaubnisse kritisch. Den meisten davon vertraue ich ja, aber wenn es immer mehr gibt, reicht eben auch ein kleiner Anteil an nicht-vertrauenswürdigen, um Schaden zu verursachen.

3. Versandhandel
Der Kunde hat KEINE Chance, da können wir noch so viele Siegel und ähnliches konstruieren, einen vertrauenswürdigen Versender von einer zwielichtigen Quelle zu unterscheiden. Ich verweise da gerne immer wieder auf die unterhaltsamen Studien von Prof. Schweim aus Bonn. Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gehört verboten, weil er für den Patienten gefährlich ist. Punkt.

Schlussbemerkung:
Das mit den Fertig-AM-Prüfungen in den Apotheken ist ja nett gemeint, aber glauben wir ernsthaft, wir könnten so gut gemachte Fälschungen enttarnen?? Höchstens, wenn die Sekundärverpackung laienhaft produziert ist. Dieses Instrument ist doch eher geeignet, moderate Schlampigkeit im Konfektionierungsprozess "normaler" Hersteller zu entdecken.

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AW: Anreize

von Clara am 25.05.2017 um 15:15 Uhr

Ich möchte gezielt auf die Schlussbemerkung von Holger eingehen, der völlig Recht hat: die Chance, bei einer visuellen Prüfung vor Ort in der Apotheke etwas zu finden ist wirklich sehr überschaubar!
Wenn - wie die Webseite www.pharmacrime.de der ARD zeigt - insgesamt von 349 Produkten von 22! Pharmaunternehmen (allen voran mit 105 Produkten die Firma Pfizer) die originalen! reprofähigen Druckdateien im Internet frei verfügbar sind, kann ich mir als Apotheker die visuellen Kontrollen ganz schenken.
Qualität kann ich nur erzeugen - nicht erkontrollieren!
Ich bewundere die stoische Ruhe der deutschen Apothekerverbände, deren alleine für mich erkennbare Reaktion bisher darin besteht, der Öffentlichkeit die Beruhigungspille "so schlimm ist es nicht" zu verabreichen.
Angesichts der von der ARD aufgedeckten Fakten müssten die Apothekerverbände aus meiner Sicht Sturm laufen gegen Pfizer, die das Ganze angerichtet haben und gegen das Gesundheitsministerium, das jahrelang genauso versäumt hat, angemessen zu kontrollieren wie das Umweltministerium beim Dieselskandal.
Wenn Konsumenten zum Apotheker ihrer Wahl kein Vertrauen mehr haben können, entziehen die Auslöser dieser Situation der deutschen Medikamentenversorgung den ideellen Boden und den betroffenen Apothekern in ohnehin schweren Zeiten damit die wirtschaftliche Grundlage.
Pfizer hat mit dem Nichtmelden der Sutent Erkenntnisse und dem Wissen um das Datenleck seiner internen Verpackungsdateien in 2011 nicht nur eklatant gegen die eigenen Pfizer Compliance Richtlinien verstoßen, sondern schadet den deutschen Apothekern damit möglicherweise in nie dagewesenem Ausmaß.
Wann fangen die Apotheker endlich an, sich angemessen zu wehren und Pfizer für das skandalöse Verhalten zur Verantwortung zu ziehen statt „öffentliches Pfeifen im Walde“ zu praktizieren.

Schmidt hat die Lieferketten wissentlich gebrochen

von Ratatosk am 19.05.2017 um 9:10 Uhr

Die unsellige Ulla wollte die sog. verkrusteten Ketten ja brechen, das hat sie geschafft und damit für die todbringende Entwicklung den Weg gebahn.
Leider sind die SPD, FDP und die Grünen immer noch völlig lernresistent.
Es ist natürlich die Abwägung, wieviel Schaden gegen den Nutzen des Großkapitals.

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AMK, ZL, Apotheken ... bitte zur "Front" ...

von Christian Timme am 18.05.2017 um 14:07 Uhr

Und noch eine Gelegenheit vor "der Wahl". Jetzt heißt es "mitmischen" und zwar "richtig & schnell & gezielt". Auf die "Gesamtdosierungen" achten ... und noch was, die "Gift-Hauptdarsteller" zum DAT/expopharm einladen ... der Termin stimmt und jetzt ran an "die Themen" ... der Sommer kann kommen ...

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