- DAZ.online
- News
- Politik
- Fast jede dritte Gemeinde...
In Baden-Württemberg leisten sich DocMorris und die Apotheker derzeit einen Wettkampf um die Meinungshoheit in der Arzneimittelversorgung. DocMorris ist der Meinung, es gebe „Versorgungslücken“ im Land. Die Apothekerkammer meint, das Land sei gut versorgt – durch Apotheken und Rezeptsammelstellen. Neue Zahlen des baden-württembergischen Sozialministeriums belegen zumindest, dass die Versorgung im „Ländle“ stark divergiert. Eine Analyse.
Die niederländische Versandapotheke DocMorris betont seit Monaten, wie schlecht es um die Arzneimittelversorgung in einigen Teilen Baden-Württembergs bestellt ist. Nachdem die Apotheke im Örtchen Hüffenhardt geschlossen hatte und kein Nachfolger zu finden war, entschloss sich DocMorris die „Versorgungslücke“ durch einen umstrittenen Video-Abgabeautomaten zu schließen. Die Landesapothekerkammer hingegen bestreitet diese Darstellungen vehement. Kammerpräsident Günther Hanke erklärte kürzlich, alleine im 10-Kilometer-Umkreis von Hüffenhardt gebe es 22 Apotheken. Und so wie Hüffenhardt sind laut Kammer im ganzen Bundesland Rezeptsammelstellen verteilt, die die Versorgung auch in abgelegenen Regionen sichern.
Wie ist es also wirklich um die Versorgungsdichte in Baden-Württemberg bestellt? Welche dieser beiden Darstellungen ist richtiger? Aktuelle Zahlen des Stuttgarter Sozialministeriums von Grünen-Politiker Manfred Lucha zeigen: Echte Versorgungslücken, wo Menschen schlichtweg gar nicht mit Arzneimitteln versorgt werden, gibt es im „Ländle“ nicht. Allerdings hat der Apothekenrückgang in den vergangenen zehn Jahren schon zu einer erheblichen Ausdünnung der Apothekenstruktur geführt. Zur Erklärung: Seit 2007 ist die Apothekenzahl in Baden-Württemberg um ziemlich genau 10 Prozent geschrumpft. Derzeit gibt es noch 2547 Apotheken im Land.
Doch warum liefert das Sozialministerium diese Zahlen? Der AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Herre hatte sich in einer Kleinen Anfrage über den Zustand der Arzneimittelversorgung erkundigt. Herre wollte unter anderem wissen, wie die Versorgungsdichte in einigen, bestimmten ländlichen Regionen ist und welche Maßnahmen die Landesregierung ergreift, um die Versorgung sicherzustellen. Das Ministerium lieferte unter anderem Angaben zur aktuellen Apothekendichte in allen baden-württembergischen Landkreisen.
Zahlen zur Apothekendichte und zu Apothekenschließungen
Im Durchschnitt kommt in Baden-Württemberg eine Apotheke auf 4286 Einwohner. Damit liegt das Bundesland sogar über dem Bundesdurchschnitt: Die etwa 81,4 Millionen Bundesbürger werden derzeit durch 20.023 Apotheken versorgt – eine Offizin kommt also im Schnitt auf 4065 Einwohner. Die Statistik des Sozialministeriums zeigt aber: Die Versorgungdichte im Land geht stark auseinander. Wenig überraschend ist zunächst, dass Stadtapotheken im Schnitt weniger Einwohner versorgen als die Kollegen auf dem Land: Während eine Apotheke in Baden-Baden beispielsweise 2579 Bürger versorgt, muss ein Apotheker im Hohenlohekreis mehr als doppelt so viele Menschen in seiner Offizin beraten (5246).
Allerdings gibt es in Baden-Württemberg auch städtische Gebiete, in denen man den Apothekenrückgang stark spürt. In Stuttgart ist die Apothekenzahl seit 2007 beispielsweise um 33 Standorte gesunken. Im Schnitt muss in der Landeshauptstadt ein Apotheker derzeit 4761 Einwohner versorgen. Und die Statistik zeigt auch: Hankes Ausführungen zur Versorgungsdichte rund um Hüffenhardt sind zumindest nicht falsch. Im Landkreis Heilbronn (ohne die Stadt Heilbronn) kommen 4917 Einwohner auf eine Apotheke. Somit liegt dieser Landkreis nur knapp über dem oben genannten Durchschnitt des gesamten Bundeslandes.
Landkreis | Anz.
Apotheken Stand: 31.12.2016 |
Einwohner
pro Apotheke |
---|---|---|
Baden-Baden, Stadt | 21 | 2.579 |
Biberach | 37 | 5.243 |
Heilbronn | 68 | 4.917 |
Hohenlohekreis | 21 | 5.246 |
Schwäbisch Hall | 37 | 5.178 |
Gesamt/Durchschnitt | 2,547 | 4.286 |
Ein Blick auf die Statistik der Apothekenschließungen zeigt allerdings, dass einige Landkreise von der negativen Entwicklung im Apothekenmarkt stärker betroffen sind. Im Bodenseekreis schlossen seit 2007 beispielsweise elf Apotheken ihre Pforten, das sind etwa 15 Prozent weniger. Auch der Ostalbkreis ist mit neun Apotheken weniger als 2007 vom Apothekenrückgang stark betroffen. Im Schwarzwald-Baar-Kreis schlossen in den vergangenen drei Jahren elf Apotheken, das entspricht einem Rückgang von 20 Prozent. In der Stadt Heilbronn gibt es seit 2007 insgesamt zehn Apotheken weniger, das ist ebenfalls ein Rückgang von fast 20 Prozent. Auch in Karlsruhe und Mannheim sind relativ hohe Rückgänge zu beobachten: Sowohl in den Städten als auch in einigen Landregionen scheint sich der Markt also zu konzentrieren.
308 Gemeinden ohne Apotheke
Ebenfalls interessant ist ein Blick auf die Gemeinden, die in Baden-Württemberg inzwischen ganz ohne Apotheke auskommen müssen. Laut Sozialministerium gibt es in 308 von den 1101 Gemeinden im Ländle derzeit keine Apotheke. Im Schnitt ist also jetzt 3,5-te baden-württembergische Gemeinde ohne Offizin. Und hier zeigt die Statistik auch, dass die Apotheken-losen Gemeinden insbesondere in ländlichen Regionen sind. Im Ostalbkreis gibt es zum Beispiel 20 Gemeinden ohne Offizin, 32 Gemeinden im Alb-Donau-Kreis müssen ohne Apotheke auskommen, und 14 Gemeinden im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald.
Die Landesapothekerkammer hat genau für solche Gemeinden im ganzen Bundesland Rezeptsammelstellen errichtet. Wo und wann eine Rezeptsammelstelle nötig wird, steht sehr genau in den Richtlinien der Kammer. Demnach muss die Straßenentfernung vom Ortsmittelpunkt zur nächstgelegenen Apotheke mindestens sechs Kilometer betragen. Als „nicht abgelegen“ gelten Ortsteile oder Dörfer, in denen die Menschen weniger als vier Kilometer entfernt von der Apotheke leben. Auch das Sozialministerium bekräftigt in seiner Antwort an den AfD-Politiker: „In vielen der Gemeinden ohne Apotheke wurde von der Landesapothekerkammer eine Rezeptsammelstelle genehmigt.“
Das Sozialministerium stellt sich auch nochmals auf die Seite der Apotheker, was die Frage zur Beibehaltung der Preisbindung betrifft. Gegenüber dem AfD-Politiker Herre erklärt Lucha: „Rabatte im Rahmen eines Preiswettbewerbs könnten dazu führen, dass Apotheker versuchen, an der Beratung (zeitlich) zu sparen, um rentabel arbeiten zu können. Derzeit werden über 90 v.H. der GKV-Rezepte bei einer Apotheke vor Ort eingelöst. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich dieser Anteil künftig reduziert, mit Folgen für die Rentabilität der niedergelassenen Apotheken.“
Zumindest was den Apothekernachwuchs betrifft, liefert das Sozialministerium aber erfreuliche Nachrichten. Die Zahl der vergebenen Studienplätze an den Standorten Freiburg und Heidelberg ist seit 2012 relativ stabil. Und in Tübingen interessieren sich sogar immer mehr junge Menschen für die Pharmazie.
Anzahl der Studieneinschreibungen* im Studiengang für Pharmazie in Baden-Württemberg 2012-2016 | |||||
---|---|---|---|---|---|
2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | |
Universität Freiburg | 90 | 87 | 90 | 90 | 92 |
Universität Heidel- berg |
47 | 45 | 45 | 45 | 45 |
Universität Tübingen | 141 | 150 | 159 | 158 | 162 |
*Angaben beziehen sich jeweils auf das
Wintersemester, da für das Fach Pharmazie keine Einschreibungen im Sommersemester möglich sind Quelle: Zulassungszahlenverordnungen 2012-2016 |
3 Kommentare
??
von Karl Friedrich Müller am 28.04.2017 um 14:06 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: ?? - Nein, eine Aufforderung an Sie ...
von Christian Timme am 29.04.2017 um 19:07 Uhr
AW: ??
von Karl Friedrich Müller am 29.04.2017 um 19:18 Uhr
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.