Analyse von Zahnstein

Neandertaler nutzten offenbar gezielt Arznei-Stoffe

Adelaide/Leipzig - 09.03.2017, 07:00 Uhr

In Zahnstein von Neandertalern fanden Forscher Salicylsäure und Penicillium rubens. (Foto: hairymuseummatt / Wikimedia, CC BY-SA 2.0)

In Zahnstein von Neandertalern fanden Forscher Salicylsäure und Penicillium rubens. (Foto: hairymuseummatt / Wikimedia, CC BY-SA 2.0)


Übertragung von Mikroorganismen zwischen Neandertaler und Homo Sapiens

Bei „El Sidrón 1“ war das gefundene Erbgut so gut erhalten, dass die Forscher größere Teile des Genoms von acht Mikroorganismen rekonstruieren konnten. Das Erbgut von Methanobrevibacter oralis, der zu den Archaeen – einer Form von Einzellern – zählt, entzifferten die Wissenschaftler zu 45 Prozent. Nach Angaben der Forscher ist M. oralis mit 48.000 Jahren das älteste zumindest teilweise entschlüsselte Erbgut eines Mikroorganismus. Der Erreger wird mit Zahnfleischerkrankungen in Verbindung gebracht und sucht auch den modernen Menschen heim.

Und genau das brachte die Forscher zu einem weiteren Schluss: Denn die Stammbäume von Homo sapiens und Homo neanderthalensis trennten sich nach derzeitigem Kenntnisstand vor etwa 500.000 bis 700.000 Jahren. Der letzte gemeinsame Ahne, den die M.-oralis-Varianten von modernem Mensch und Neandertaler hatten, lebte dagegen vermutlich vor 112.000 bis 143.000 Jahren. Das Kleinstlebewesen sei offenbar damals zwischen beiden Menschenarten übertragen worden – vermutlich bei Kontakten im Nahen Osten, glauben die Autoren. Dort kam es früheren Studien zufolge auch zu Vermischungen zwischen den beiden Arten, deren Spuren sich noch heute im Erbgut des modernen Menschen finden.

Aber was sagt die neue Studie über die geistige Kapazität der Neandertaler aus? „Auf jeden Fall widersprechen unsere Funde dem eher einfachen Bild, das die Öffentlichkeit von unseren alten Verwandten hat“, betont Cooper. Gleichzeitig warnt Hublin vor überzogenen Spekulationen: „Früher galten Neandertaler eher als affenartige Kreaturen. Jetzt schwingt das Pendel in die andere Richtung, und die Versuchung ist groß, zu glauben, sie seien so wie heutige Menschen gewesen. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. In jedem Fall waren sie uns ähnlicher, als wir lange Zeit geglaubt haben.“



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