Analyse von Zahnstein

Neandertaler nutzten offenbar gezielt Arznei-Stoffe

Adelaide/Leipzig - 09.03.2017, 07:00 Uhr

In Zahnstein von Neandertalern fanden Forscher Salicylsäure und Penicillium rubens. (Foto: hairymuseummatt / Wikimedia, CC BY-SA 2.0)

In Zahnstein von Neandertalern fanden Forscher Salicylsäure und Penicillium rubens. (Foto: hairymuseummatt / Wikimedia, CC BY-SA 2.0)


Forscher fanden Salicylsäure und Penicillium rubens

Das Team um Weyrich fand im Zahnstein aber nicht nur Hinweise auf Ernährungsgewohnheiten. „El Sidrón 1“ war den Forschern zufolge ziemlich krank: Der Mann trug einen Parasiten im Verdauungstrakt und hatte Durchfall, außerdem litt er an einem Zahnabszess. Möglicherweise habe ihn gerade dieses schmerzhafte Zahnproblem dazu gebracht, anstelle des schwer zu kauenden Fleisches pflanzliche Nahrung zu bevorzugen, sagt Hublin.

Doch der Neandertaler wusste sich offenbar zu helfen. In seinem Zahnstein fanden die Wissenschaftler DNA-Reste der Westlichen Balsam-Pappel (Populus trichocarpa). „Er aß Pappel, die das Schmerzmittel Salicylsäure enthält“, sagt Studienleiter Cooper. „Offenbar kannten sich die Neandertaler gut mit medizinischen Pflanzen aus und kannten ihre entzündungshemmende und schmerzstillende Wirkung“, folgert Cooper.

Zudem fanden die Wissenschaftler im Zahnstein des Neandertalers DNA-Reste des Schimmelpilzes Penicillium rubens, der ein natürliches Antibiotikum produziert. Sollte der Urmensch absichtlich Antibiotika genutzt haben, sei das sehr überraschend, sagt Cooper. Schließlich wurde Penicillin vom Homo sapiens erst rund 50.000 Jahre später als solches identifiziert – im Jahr 1928 von dem britischen Bakteriologen Alexander Fleming.

Nur vier Neandertaler untersucht

Das Ergebnis, dass der Neandertaler gezielt schmerzstillende Pappel aß, hält Hublin für „ziemlich überzeugend“. Ob er sich aber auch mit dem antibiotisch wirksamen Pilz selbst behandelt habe, sei eher ungewiss. „Er könnte zufällig verschimmelte Nahrung verzehrt haben“, sagt der Experte und mahnt angesichts der wenigen Untersuchten zu Zurückhaltung bei der Interpretation der Befunde. „Die Hauptschwäche der Studie liegt darin, dass nur vier Neandertaler von zwei Fundstellen untersucht wurden“, sagt Hublin. „Die Analyse von 30 oder 40 Neandertalern würde uns ein realistischeres Bild liefern.“ Die Möglichkeit besteht: Allein in Europa sind Knochen Hunderter Individuen bekannt, wenn auch in unterschiedlichem Zustand.



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