Mordvorwurf und Deregulierung

Deutsche Pharmaverbände kritisieren Trump scharf

Stuttgart - 03.02.2017, 14:00 Uhr

Donald Trump – hier am Donnerstag beim „National Prayer
Breakfast“ – hatte die Pharmabranche harsch angegriffen. (Foto: dpa)

Donald Trump – hier am Donnerstag beim „National Prayer Breakfast“ – hatte die Pharmabranche harsch angegriffen. (Foto: dpa)


Unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump steht die Pharmaindustrie vor Umbrüchen. Er warf ihr Mord vor, kritisierte Impfungen und kündigte harte Einschnitte bei Preisen und Zulassungs-Regularien an. Gegenüber DAZ.online kritisieren deutsche Pharmaverbände die Äußerungen Trumps nun scharf, während einzelne Firmen sich großteils positiv äußern.

Der Gesundheitssektor steht unter dem neuen US-Präsident Donald Trump vor Umwälzungen – nicht nur in den USA, wo Experten befürchten, Millionen Versicherte könnten durch die angekündigte Abschaffung von Obamacare ihren Versicherungsschutz verlieren. Trump hatte außerdem erklärt, bis zu 80 Prozent der Regulierungen seien unnötig – und sie würden auf ein Maß zurückgestutzt „wie es noch niemand gesehen hat“. Frühere Angriffe wiederholte er jedoch offenbar nicht: Auf seiner ersten Pressekonferenz nach der Wahl bezichtigte er Pharmafirmen aufgrund hoher Arzneimittelpreise des Mordes, außerdem sollten auch Arzneimittel viel häufiger in den USA hergestellt werden.

DAZ.online hat bei großen Pharmafirmen nachgefragt, wie sie die Äußerungen Trumps einschätzen – der auch als Impfkritiker bekannt ist und den Freihandel drastisch beschneiden will. 

„Vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir leider nicht kommentieren können“, heißt es aus dem Hause Pfizer. Alles sei bislang „sehr vage“ und „in einem frühen Stadium“, erklärt ein Sprecher von Bayer – auch zu der Verordnung Trumps, die viele Pharmafirmen betreffen dürfte: Staatsangehörige von sieben mehrheitlich muslimischen Ländern verweigert die USA seit vergangenem Freitag die Einreise. Der Sprecher verweist hingegen auf das „sehr konstruktive“ Treffen von Bayer-Chef Werner Baumann und Monsanto-Chef Hugh Grant mit Trump, welches bereits elf Tage vor dessen Amtseinführung im Trump-Tower stattgedunden hatte.

Vorfreude auf die Zusammenarbeit mit Trump

Novartis erklärt, bei dem Termin mehrere Pharmafirmen mit Trump am Dienstag habe es sich um ein „äußerst produktives Treffen“ gehandelt. „Wir haben dabei das Augenmerk darauf gerichtet, wie eine zukünftige Zusammenarbeit aussehen könnte, um sicherzustellen, dass der US-Markt Innovationen weiter fördert und es damit unserer Branche möglich ist, langfristig bahnbrechende Medikamente zu liefern“, erklärt das Unternehmen. „Wir freuen uns darauf, mit Präsident Trump und seiner Regierung zu kooperieren“, erklärt eine Sprecherin.  

Auch Roche will „mit den verschiedenen Akteuren im Gesundheitswesen“ weiter zusammenarbeiten und ist „überzeugt, dass die USA auch in Zukunft Innovation und medizinische Therapiedurchbrüche honorieren werden“. Kritik lässt eine Sprecherin an diskriminierenden Äußerungen durchscheinen, auf die Trump im Wahlkampf gesetzt hat – sowie auf den neuen Einreisebestimmungen. „Wir streben danach, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem alle Mitarbeitende unabhängig von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung oder Religion ihre Beiträge leisten und ihr Potential ausschöpfen können“, erklärt eine Sprecherin. „Wir beschäftigen hochqualifizierte Talente und verlassen uns darauf, dass diese an unseren weltweiten Standorten arbeiten können.“ AstraZeneca schickt hingegen nur eine allgemeine Erklärung und betont die „Verantwortung, in einen konstruktiven Dialog mit den politischen Entscheidungsträgern einzutreten“. 

Trumps Einstellung sei „nicht nachzuvollziehen“

Trump wisse genau, dass die Pharma-Chefs es ihren Unternehmen und Aktionären gegenüber nicht erlauben könnten, sich auf Scharmützel mit ihm einzulassen, war kürzlich in einem Kommentar in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zu lesen. „Das Ergebnis: Er führt die Manager wie sedierte Ochsen am Nasenring durch die Manege.“

Boehringer Ingelheim, Lilly und AbbVie wollen auf die Fragen von DAZ.online nicht antworten, sondern verweisen auf den Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Dieser sendet auf Nachfrage eine detaillierte Stellungnahme: „Diese Einstellung ist nicht nachzuvollziehen“, erklärt ein Sprecher angesichts des Mordvorwurfs Trumps gegenüber der Pharmaindustrie. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warne „zu Recht vor den Gefahren eines neuen Protektionismus“. Gerade in der Pharmaindustrie habe die USA einen großen Nutzen vom Welthandel, schreibt der vfa-Sprecher und betont gegenüber DAZ.online den „Wert eines fairen internationalen Standortwettbewerbs“.

Alleingänge schaden

Von der Ankündigung Trumps, die Regularien der FDA drastisch zu reduzieren, hält der Verband offenbar nichts – denn harmonisierte Standards seien über mehrere Jahrzehnte erarbeitet worden. „Unabgestimmte nationale Alleingänge in den gesetzlichen Anforderungen an die Zulassung von Medikamenten würden die Entwicklung und Produktion von Medikamenten weltweit wieder erschweren“, erklärt der Sprecher.

Ähnlich harsch reagiert der vfa auf frühere Äußerungen Trumps, Impfungen könnten Autismus auslösen. „Der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse belegt etwas Anderes“, schreibt der Sprecher.  Die USA hätten auch im Vergleich zu Europa eine beispiellose Erfolgsgeschichte zu vermelden, was die Bekämpfung von Polio, Masern und Röteln anbelangt. „Ein Zurückfahren der Impfprogramme hätte sehr wahrscheinlich zur Folge, dass wieder viele Kinder diese Krankheiten durchmachen müssten, teilweise mit schlimmen Spätfolgen“, erklärt der vfa.

Trumps Äußerungen verunsichern und seien geschmacklos

Klare Worte gibt es auch vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH). „Der neue US-Präsident schürt mit seinen jüngsten Äußerungen zur Pharmaindustrie vor allem Unsicherheit“, erklärt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Hermann Kortland gegenüber DAZ.online. Die in den USA, Europa und Japan angeglichenen Zulassungsstandards seien von der Industrie inzwischen weitgehend akzeptiert. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Deregulierung der eigentlich weltweit geltenden Standards im angekündigten Ausmaß ohne Abstriche bei der Arzneimittelsicherheit möglich ist“, betont Kortland.

Dass Trump das transpazifische Freihandelsabkommen TPP gestoppt hat und das geplante transatlantische Abkommen TTIP wahrscheinlich beenden „und damit dem Freihandel schädigen“ werde, sei allgemeinpolitisch zu bedauern. Für Arzneimittel als Waren besonderer Art sei aufgrund der nötigen Marktzulassung ein Freihandel ohnehin „per se nicht möglich“, erklärt Kortland.

Er verweist darauf, dass die Arzneimittelindustrie mit Innovationen wie auch Generika in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich dazu beigetragen habe, die Lebenserwartung weltweit zu steigern. „Dass Herr Trump Arzneimittel-Hersteller angesichts der Arzneimittelpreise des Mordes bezichtigt, ist geschmacklos“, kritisiert der BAH-Geschäftsführer.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Zu Risiken und ... fragen Sie den Anzeigenleiter oder Verleger.

von Christian Timme am 03.02.2017 um 15:19 Uhr

Da kann ich mir noch andere Interviewgeber aus dem Gesundheitswesen vorstellen. Mit etwas Geschick könnte daraus ungewollt eine Serie werden.

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