- DAZ.online
- News
- Politik
- Union und Linke kämpfen ...
Apotheken im Bundestag
Union und Linke kämpfen für das Rx-Versandverbot
Es bleibt dabei: Die Große Koalition kommt beim Thema Arzneimittel-Versandhandel auf keinen gemeinsamen Nenner. Die virtuelle Debatte um einen Antrag der Linksfraktion im Bundestag, der ein Rx-Versandverbot vorsieht, zeigte erneut, wie groß die Meinungsunterschiede zwischen Union und SPD beim Rx-Versand sind. Erstaunlich ist auch, dass beide SPD-Redner den Kompromissvorschlag des SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach ignorierten und weiterhin die Bedeutung des Versandhandels betonten.
Mitte Dezember hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) der Welt seine Antwort auf das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung präsentiert: das Versandverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel. Weil Union und SPD sich im Parlament aber nicht auf einen gemeinsamen Kurs einigen können, ist Gröhes Referentenentwurf weit davon entfernt, im Parlament besprochen werden zu können. Dank der Linksfraktion hat es am gestrigen Donnerstagabend aber einen kleinen Testlauf für Gröhes Entwurf gegeben.
Live fand die Debatte nicht statt. Die Abgeordneten hatten sich darauf geeinigt, die Diskussion mit schriftlichen Reden zu Protokoll zu geben. Nach Prüfung dieser schriftlichen Beiträge wird einmal mehr deutlich: Von einer gemeinsamen Linie in Sachen Arzneimittel-Versandhandel liegen die Regierungsfraktionen weiterhin meilenweit auseinander. Dabei hatte SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach in der vergangenen Woche doch für Hoffnung bei den Apothekern gesorgt: Er deutete an, dass die SPD dem Rx-Versandverbot zustimmen werde, wenn die Zuzahlungen in Apotheken für Chroniker komplett abgeschafft würden.
Von diesem Kompromiss wollen seine Parteikollegen anscheinend aber gar nichts wissen. Sowohl die in der SPD-Fraktion für das Thema Apotheken zuständige Sabine Dittmar als auch der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Edgar Franke (SPD), blieben bei ihrer Linie: der Versandhandel müsse erhalten bleiben. Dittmar gab zu Protokoll: „Fakt ist, dass die Einführung des Versandhandels unsere von allen hoch geschätzte flächendeckende Apothekenlandschaft nicht gefährdet hat. Im Gegenteil: eine solche Lösung (Anmerk. der Red.: ein Verbot) würde in manchen Bereichen die Versorgung erschweren, wenn nicht verschlechtern.“
Franke: Verbotspläne Gröhes ein „Schnellschuss“
Konkret erklärte die SPD-Politikerin, dass es mit einem Rx-Versandverbot Probleme beim Botendienst geben könnte, weil dafür die Rechtsgrundlage des Rx-Versandes sinnvoll sei. Und: „Derzeit wird die Versorgung mit speziellen Rezepturen und Arzneimitteln zu großen Teilen über einige wenige hochspezialisierte deutsche Versandapotheken sichergestellt. Spina Bifida Patienten, also Patienten, die unter anderem unter eingeschränkter Blasenfunktion leiden, werden derzeit beispielsweise von wenigen deutschen Versandapotheken mit Oxybutynin-Instillationsspritzen versorgt.“
Auch Dittmars Fraktionskollege Edgar Franke sprach sich für den Erhalt des Rx-Versandhandels aus. Das von Gröhe präsentierte Verbot sei ein „Schnellschuss“ und in einer digitalen Welt „ein Rezept von gestern“. Ihm liege außerdem ein Gutachten vor, dass feststelle, dass der Referentenentwurf europarechtlichen Anforderungen nicht genüge. Und: „Der Versandhandel ergänzt gerade die Möglichkeiten für die Patientinnen und Patienten auf dem Land und verbessert damit die Versorgung.“
Beide SPD-Politiker waren sich aber einig, dass die Apotheken vor Ort vor ungerechtem Wettbewerb geschützt werden müssen. Sie warben daher erneut für die Lösung, den Rx-Versand zu erhalten und Rx-Boni hierzulande über das Sozialrecht entweder zu deckeln oder zu verbieten. Sowohl Dittmar als auch Franke äußerten sich allerdings nicht konkret dazu, ob sie nun eine Deckelung oder ein Verbot von Rx-Boni fordern. Dittmar wies darauf hin, dass diese Lösung im Gegensatz zum Rx-Versandverbot schneller ginge – schließlich müsse Gröhes Verbot noch das langwierige Notifizierungsverfahren durchlaufen.
Hennrich: „Versandapotheken ziehen das umsatzstarke Geschäft mit chronisch Kranken an sich, der Rest ist ihnen egal.“
Für die Unionsfraktion gab unter anderem der Arzneimittel-Experte Michael Hennrich (CDU) seine Rede zu Protokoll. Hennrich übte zunächst heftige Kritik an der Argumentation des EuGH. „Bisher galt – auch nach den europäischen Verträgen – dass die Organisation des Gesundheitswesens den Nationalstaaten obliegt. Mit diesem Urteil hat der EuGH in dieses Recht massiv eingegriffen“, sagte der CDU-Politiker. Der EuGH habe bisher immer anerkannt, dass Arzneimittel ein besonderes Gut seien und dieses nicht einfach handelsübliche Ware sei. „Auch mit diesem Grundsatz hat der EuGH in diesem Urteil gebrochen. Im Urteil wird nur noch von Waren gesprochen.“
Die deutsche Politik müsse daher auf das Urteil reagieren. Andernfalls stelle sich die Frage, „ob die Aufweichung der nationalen Zuständigkeit hin zugunsten einer Regelung auf europäischer Ebene dann nicht auch in anderen Bereichen der medizinischen Versorgung zu ähnlichen Schlussfolgerungen führt“. Hennrich folgt damit in Teilen der Argumentation der ABDA, die schon vor Wochen darauf hingewiesen hatte, dass der EuGH-Entscheid letztlich alle festen Preissysteme im Gesundheitswesen und anderen Branchen infrage stelle.
Hennrich machte außerdem deutlich, dass er vom Arzneimittel-Versandhandel nicht viel hält. Der CDU-Politiker sagte: „Wir wollen nicht, dass die Zukunft der Arzneimitteldistribution irgendwo in Logistikzentren quer durch die Republik liegt und sich der ratsuchende Patient an irgendwelche anonymen Callcenter wenden muss. Die Versandapotheken ziehen das umsatzstarke Geschäft mit chronisch Kranken an sich, der Rest ist ihnen egal.“ Der „einfachste und schnellste“ Weg sei für ihn das Rx-Versandverbot. Hennrich wies darauf hin, dass der EuGH ein solches Verbot 2003 ausdrücklich zugelassen habe.
Rx-Versandverbot: Antrag der Oppositionsfraktion „nur ein paar Tage schneller“ als die Große Koalition
Rein rechnerisch könnte die Union – bei Nicht-Zustimmung der SPD – Gröhes Rx-Versandverbot auch mit den Linken verabschieden. Hennrich erklärte auch, dass er Sympathien für den Linken-Antrag hege. Letztlich sei die Oppositionsfraktion aber „nur ein paar Tage schneller“ als die Große Koalition. Denn: „Wir sind auf einem guten Weg, hier die notwendige Einigung zu erzielen.“ Den Vorschlag des SPD-Politikers Lauterbach, das Verbot zu verabschieden und dafür die Chroniker-Zuzahlungen abzuschaffen, lehnte Hennrich ab: „Wenn wir jetzt auch noch bei chronisch Kranken die Zuzahlung abschaffen, können wir das Finanzierungsinstrument mittel- und langfristig vergessen“, erklärte der CDU-Politiker. Die SPD solle sich daher einen Ruck geben und dem Verbot „ohne Wenn und Aber“ zustimmen.
Eine Brandrede für die Versorgung durch die Apotheke vor Ort hielt die Linken-Politikerin Katrin Vogler. Sie sagte: „Die Linke will die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln nicht global agierenden Handelsketten überlassen. Verschreibungspflichtige Medikamente gehören in fachkundige Hände von Apothekerinnen und Apothekern und nicht in den Pakettransporter.“ In Online-Apotheken bestelle man nur, wenn es zeitlich planbar ist. „Für Notfälle und am Wochenende ist das nichts. Jeder braucht darum eine Apotheke in der Nähe, die auch nachts und an Feiertagen Notdienst leistet.“
4 Kommentare
Spd
von Frank ebert am 20.01.2017 um 10:40 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Korrektur
von Daniel S. am 20.01.2017 um 9:35 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Korrektur
von Benjamin Rohrer am 20.01.2017 um 10:12 Uhr
Digital?
von Anita Peter am 20.01.2017 um 8:28 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.