Rx-Versandverbot

SPD-Fraktion setzt Lauterbach unter Druck

Berlin - 18.01.2017, 12:00 Uhr

Kritik an Lauterbach: Bei einer Sitzung der gesamten SPD-Bundestagsfraktion wurde Karl Lauterbach damit beauftragt, nun konkrete Lösungen vorzulegen. (Foto: dpa)

Kritik an Lauterbach: Bei einer Sitzung der gesamten SPD-Bundestagsfraktion wurde Karl Lauterbach damit beauftragt, nun konkrete Lösungen vorzulegen. (Foto: dpa)


SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach kann sich nun doch vorstellen, das Rx-Versandverbot gemeinsam mit der Union zu beschließen. In seiner Fraktion stößt er mit seinem Kompromissvorschlag teils auf heftigen Widerstand. Bei einer Sitzung der gesamten SPD-Bundestagsfraktion wurde Lauterbach für sein Vorgehen kritisiert. Der SPD-Gesundheitsexperte soll nun konkrete Lösungsvorschläge vorlegen.

Es ist schon verwunderlich, dass unbedingt Karl Lauterbach in den vergangenen Tagen der Hoffnungsschimmer der Apotheker war. Hatte sich seine Fraktion in den Wochen vor dem Jahreswechsel vehement gegen das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geplante Rx-Versandverbot ausgesprochen, kündigte Lauterbach am Wochenende überraschenderweise an, dass er das Verbot für möglich halte, wenn die Zuzahlungen für Chroniker entfielen.

Warum der SPD-Gesundheitspolitiker diese Aussage tätigte, ist weiterhin völlig unklar: Sein Büro teilte mit, dass er jegliche Presseanfragen von DAZ.online zu dieser Thematik nicht beantworten werde. Auch inhaltlich ist weiterhin nicht klar, wie Lauterbach vorgehen möchte. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) hatte beispielsweise kritisch angemerkt, dass den Krankenkassen durch einen Verzicht der Chroniker-Zuzahlungen Millionenbeträge verloren gehen könnten. Lauterbach hatte sich nicht dazu geäußert, wie er diese „Verluste“ bei den Kassen wieder ausgleichen möchte.

Fest steht derzeit also nur eins: Dass die SPD-Bundestagsfraktion weiterhin keinen klaren Kurs hat, den sie nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung verfolgt. Einige Abgeordnete sprachen das Thema bei der gestrigen Sitzung der Bundestagsfraktion daher spontan an und äußerten Kritik am Vorgehen von Lauterbach. Dem Vernehmen nach sollen mehrere Mitglieder der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD darauf verwiesen haben, dass man sich bereits auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt habe. Zur Erklärung: Im Dezember hatten die SPD-Gesundheitspolitiker sich darauf verständigt, dass man den Rx-Versandhandel grundsätzlich erhalten, Rx-Boni im Sozialgesetzbuch V gleichzeitig aber einschränken oder komplett verbieten will.

Wie soll der Zuzahlungs-Verzicht refinanziert werden?

Auch das Thema der Finanzierung wurde unter den rund 190 SPD-Bundestagsabgeordneten besprochen. So wurde Lauterbach gefragt, wie er den dreistelligen Millionenbetrag finanzieren will, der durch den Verzicht auf die Chroniker-Zuzahlungen entstehen würde. Einen Beschluss soll es in dieser Sitzung der Fraktion nicht gegeben haben. Aber: Dem Vernehmen nach wurde Lauterbach von der Fraktionsspitze am gestrigen Dienstag aufgefordert, bald eine konkrete Lösung zu präsentieren. Einerseits solle er einen Vorschlag unterbreiten, wie der Verzicht auf die Zuzahlungen refinanziert werden könnte. Falls eine Refinanzierung nicht möglich ist, möge Lauterbach einen Kompromiss mit der Union erarbeiten, der den Erhalt des Rx-Versandes vorsieht.

Völlig unklar ist weiterhin, in welchem Zeitraum die SPD ihrem Koalitionspartner nun Lösungsvorschläge vorlegen will. Fest steht: Solange die Sozialdemokraten und die Union auf keinen gemeinsamen Nenner kommen, liegt der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zum Rx-Versandhandelsverbot auf Eis. Denn das BMG dürfte das Notifizierungsverfahren mit der Europäischen Union erst einleiten, wenn es sich sicher ist, dass es im Parlament eine politische Mehrheit gibt.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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6 Kommentare

Notifizierung

von Andreas Flöter am 20.01.2017 um 13:48 Uhr

Trotz meines großen Respekts vor Herrn Gröhes Übersicht, Weitblick und Mut, beschleichen mich gelegentlich Zweifel, ob der Wille, tatsächlich noch in dieser Legislaturperiode eine zielführende gesetzliche Regelung zumindest einzustielen, wirklich so groß ist, wie er (wahlkampfbedingt?) zur Zeit erscheint. Besonders stark werden diese Zweifel immer dann, wenn die keineswegs gut begründete vermeintliche Notwendigkeit, mit diesem Vorhaben ins Notifizierungsverfahren zu müssen, mal wieder ohne zu hinterfragen als gegeben vorausgesetzt wird. Inhaltlich wurde diese Behauptung zwar von Herrn RA Douglas gut begründet widerlegt, damit auseinandergesetzt haben sich aber offenbar auch die Befürworter von Gröhes Projekt bisher noch nicht . Oder wollen sie nicht?
Sind diese Menschen bisher einfach nur dem Notifizierungs-Mantra auf den Leim gegangen, oder sind wir Apotheker mal wieder so naiv, auf ein weiteres taktisches " wir wollten ja aber leider...." Manöver hereinzufallen?
Noch glaube ich an das Gute ;-)

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Und wieder gibts ein Hin und Her

von Sven Larisch am 19.01.2017 um 13:32 Uhr

Was soll man noch zu Herrn Lauterbach verlauten lassen ?
(rhetorische Frage)
Egal wie man es dreht und wendet- das EuGH- Urteil ansich sowie die die fadenscheinige bis haarstreubende Begründung ist ungerecht und unverständlich.
Jetzt müssen die die lokalen Apotheken den Europamist ausbaden.
Alle Macht dem Kapitalismus und den Apotheken-Ketten :-).
Na dann Gute Nacht.

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Politik-Lotterie mit gezinktzen Losen?

von Christian Timme am 18.01.2017 um 14:33 Uhr

Wo Amnesie, Opportunismus und mehr gelebt und sogar noch bezahlt wird, heute so und morgen soso usw. Um was geht es hier überhaupt noch? Sorry, aber die Interessenvertretung einer geschlossene Irrenanstalt könnte man als als Gegenpart zu einem in Berlin tagenden Ausschuss als letzte Alternative wirklich bald in die engere Wahl nehmen. Eins ist sicher, wir schaffen das. Die Frage nach dem wie und warum fällt unter A... und O ... wie im Einführungssatz bereits genannt.

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Lauterbachs "Wandel"

von Dr.Diefenbach am 18.01.2017 um 14:05 Uhr

Nachdem der privilegierte Fliegenträger der SPD irgendeine Eingebung gehabt zu haben scheint(!),stellt sich laut FAZ von heute jetzt ein Teil der CDU quer.!Ausgerechnet von hier kommt plötzlich Gegenwind.Es ist sehr wohl mehr als gerecht ,würde man den Beitragszahlern zuzahlungsmässig wenigstens entgegenkommen .IMan hat den Eindruck dass in der GroKo wirklich immer der eine das Gegenteil vom anderen anstrebt.?Sofern sich Herr Gröhe nicht gegen seine eigenen Parteigenossen durchsetzt,verliert er massiv an Glaubwürdigkeit.Dass die Rechtslage des Verbotes schwierig einzuordnen ist,steht auf einem anderen Blatt.Gröhe sollte DIES aber im Vorfeld geklärt haben

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AW: Lauterbachs "Wandel"

von Hermann Eiken am 18.01.2017 um 23:29 Uhr

Die Zuzahlungen der Chroniker sind pervers. Auch wenn sie bei 1% gedeckelt sind. Es würde dem Gerechtigkeitssinn vieler Menschen und Bürger entsprechen, wenn sie wegfielen. Darum sollte die CDU und CSU darauf eingehen. Man hat die Praxisgebühr auch ohne großes Trara streichen können. Wir Apotheker sparen den Krankenkassen über die Rabattverträge jährlich über 2 Milliarden. Ist das denn nichts?? Man hat fast den Eindruck, es ist kein Wille zum Kompromiss da. Wenn es der SPD so wichtig ist, die Chroniker zu entlasten, und man die flächendeckende Apothekenversorgung erhalten will mit RX- Versandverbot, dann ist es doch nur ein "kleines Stöckchen", worüber beide Regierungsparteien springen müssten. Anscheinend sieht man aber auf beiden Seiten unüberwindbar dicke Bäume auf der Straße liegen, die man nicht aus dem Weg räumen kann, weil keiner Lust hat, die Motorsäge und den Bulldozer zu holen. Es ist ein Trauerspiel.

AW: Lauterbachs "Wandel"

von F. Heider am 19.01.2017 um 16:56 Uhr

Die Zuzahlungen sind pervers?
Also eine Deckelung bei 1% wie sie jetzt existiert finde ich immer noch äußerst fair.
(Chronisch) Kranke können meist nichts dafür, dass sie krank sind aber ein symbolischer Beitrag (und das sind die Zuzahlungen) der betroffenen, auch um zu zeigen, dass ihre Versorgung eben NICHT umsonst ist, halte ich nicht für grundlegend ungerecht. Selbst wenn ich 6 Medikamente täglich nehme, dann zahle ich wahrscheinlich keine 30€/Monat (aufgrund von 3-Monatspackungen etc), und das für meine Gesundheit?

Ich würde die Zuzahlung (aus Apothekersicht) auch gerne einfach abschaffen, da dadurch der administrative Aufwand für mich gemindert wird und das arbeiten stressfreier wäre (weniger dumme Diskussionen - und das auch 10 Jahre nach Einführung der Zuzahlung noch), aber als grundsätzlich "unfair" würde ich die Zuzahlung nicht bezeichnen.

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