Schweden

OTC-Preise nach Liberalisierung um bis zu 50 Prozent gestiegen

Berlin - 16.01.2017, 15:30 Uhr

Preissteigerungen mit Apothekenketten: Nach der Liberalisierung des schwedischen Apothekenmarktes sind die OTC-Preise im Land laut dem Fachblatt DagensApotek angestiegen. (Foto: fotolia/Gina Sanders)

Preissteigerungen mit Apothekenketten: Nach der Liberalisierung des schwedischen Apothekenmarktes sind die OTC-Preise im Land laut dem Fachblatt DagensApotek angestiegen. (Foto: fotolia/Gina Sanders)


Vor fast acht Jahren wurde der schwedische Apothekenmarkt auf den Kopf gestellt: Die staatliche Apothekenkette Apoteket wurde zerschlagen und zu zwei Dritteln an Privatunternehmen aufgeteilt. Ein Ziel der Maßnahmen war es, durch mehr Wettbewerb die OTC-Preise sinken zu lassen. Eine neue Untersuchung zeigt: Das Gegenteil ist geschehen.

Die schwedische Regierung hatte die Deregulierung des Apothekenmarktes jahrelang geplant. Eine Sonderkommission sollte untersuchen, wie die folgenden Ziele erreicht werden könnten: Man wollte die Versorgung im ländlichen Norden des Landes dichter gestalten, Öffnungszeiten verlängern, Anfahrtswege verkürzen, Preise durch Wettbewerb sinken lassen und Arzneimittel-Lieferzeiten verkürzen. Im Sommer 2009 gingen dann rund die Hälfte der 930 Staatsapotheken an private Kettenbetreiber.

Seit dem Deregulierungs-Gesetz dürfen in Schweden bestimmte OTC-Arzneimittel auch außerhalb von Apotheken verkauft werden. Mehr als 5.000 Supermärkte, Drogerien, Tankstellen oder andere Geschäfte haben seitdem eine Konzession zum OTC-Verkauf erhalten. Der Gesetzgeber hatte sich durch diese Maßnahme erhofft, dass die Preise in diesem Bereich durch den Wettbewerb sinken.

Fachblatt-Redaktion untersucht OTC-Preise

Etwa acht Jahre später stellt das schwedische Apotheken-Fachblatt „Dagens Apotek“ nun fest: Zumindest die Senkung der OTC-Preise ist nicht wie erhofft eingetreten. Die Redaktion des Magazins verglich die Durchschnittspreise von 105 OTC-Arzneimitteln aus den Jahren 2008 und 2015 miteinander. Das Ergebnis: 94 der untersuchten Produkte sind teurer geworden, nur bei elf Präparaten müssen die Patienten in der Apotheke weniger zahlen.

Die größten Preissprünge gab es bei der Augensalbe Noviform (Bibrocathol), die zur Behandlung von Bindehautentzündungen eingesetzt wird. Die Salbe kostete 2008 59 Schwedische Kronen (etwa 6,20 Euro) und ist im Durchschnitt nun für 116 Kronen zu haben. Ähnlich drastisch war auch der Anstieg beim Hustensaft Theracough (Guaifenesin). Eine Flasche kostete vor dem Deregulierungs-Gesetz 42 Kronen, im vergangenen Jahr kostete sie im Schnitt 68 Kronen.

Laut Redaktion wurde die Inflation in die Durchschnittspreise bereits eingerechnet. Eine Tendenz konnten die Journalisten beobachten: Bei seltener abgegebenen Medikamenten waren die Preissprünge größer. Die Untersuchung erhielt allerdings keine Hinweise dazu, wie die Preisentwicklungen in den unterschiedlichen Vertriebskanälen verlaufen sind. Ob die Preise in den OTC-Shops oder im Versandhandel tendenziell günstiger sind als in der Apotheke vor Ort, beantwortet die Analyse also nicht.

Kritik am Liberalisierungsgesetz

Es ist nicht das erste Mal, dass die Auswirkungen der Liberalisierung in Schweden kritisch diskutiert werden. Auch was die Verteilung der neuen Apotheken im Land betrifft, gab es teils heftige Debatten. Denn die reine Apothekenzahl hatte sich zwar schnell gesteigert (1242 Apotheken im Jahr 2011). Auch die Apothekendichte ist nicht mehr so gering: Inzwischen versorgt eine Apotheke im Schnitt etwa 7000 Bürger. Allerdings zeigt sich, dass die Unternehmen die neuen Standorte insbesondere in den städtischen Regionen im Süden des Landes eröffnet haben. Fast keine Apotheke eröffnete im schlecht versorgten Norden.

Für große mediale Aufmerksamkeit sorgte auch eine Umfrage unter Apothekenmitarbeitern. Die Pharmazeuten beklagten sich beispielsweise über die Arbeitsatmosphäre und den kommerziellen Druck, der auf den Mitarbeitern laste.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Von den Schweden lernen heißt…

von Gunnar Müller, Detmold am 16.01.2017 um 19:04 Uhr

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....auch hier lasse ich den geneigten Lesern (wie bereits beim jüngsten Bericht aus der Schweiz) viel Platz für eigene Gedanken....

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Von den Schweden lernen heißt

von Bernd Jas am 16.01.2017 um 19:55 Uhr

Du meinst wir bekommen dann auch 50%,....wenn wir wieder FDP wählen?
:--D

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