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USA und Europa
Zahl der Arzneimittelzulassungen nahm 2016 deutlich ab
In Amerika wie auch in der EU wurden 2016 weniger Arzneimittel als in den Vorjahren zugelassen: In den USA waren es nur halb so viele, die Europäische Arzneimittelagentur EMA empfahl die Zulassung für 81 statt zuvor 93 Präparate.
Nachdem in den vergangenen Jahren in der EU wie auch in Europa deutlich mehr Arzneimittel zugelassen wurden als in den Vorjahren, sank die Zahl im Jahr 2016 deutlich. Die US-Arzneimittelbehörde FDA genehmigte nur 22 neue Arzneimittel, was die niedrigste Zahl seit sechs Jahren darstellt. 2015 waren es 45, in den Vorjahren lies die Behörde im Schnitt knapp 30 zu. Unter den 2016 zugelassenen Arzneimitteln waren Spinraza® (Nusinersen), das am Tag vor Heiligabend als erstes Arzneimittel für die Muskelerkrankung Spinale Muskelatrophie zugelassen wurde, Exondys 51® (Eteplirsen) für Patienten mit Duchenne Muskeldystrophie oder das Asthma-Mittel Cinqair® (Reslizumab).
John Jenkins, der für die FDA-Abteilungen für Neuzulassungen zuständig ist, hatte Besonderheiten im vergangenen Jahr mit für den zahlenmäßigen Rückgang verantwortlich gemacht: Ende 2015 seien fünf Arzneimittel noch kurzfristig zugelassen worden, die eigentlich für 2016 auf der Liste standen – und bei einigen Präparaten habe es dieses Jahr Verzögerungen gegeben. So beim Multiple-Sklerose-Mittel Ocrevus® von Roche sowie beim Rheuma-Arzneimittel Sarilumab®, das Sanofi und Regeneron zusammen entwickelt haben.
Höchstpreiser unter Druck
Der Rückgang an Neuzulassungen dürfte die Pharmaindustrie dennoch schmerzen. Hinzu kommt, dass auch in den USA der Druck auf die Arzneimittelpreise zunimmt. Zwar wurde in Kalifornien ein Referendum abgelehnt, das für Pharmafirmen mit Milliardenverlusten verbunden wäre, und statt der von Arzneimittelherstellern aufgrund ihres erklärten Sparwillens mit Skepsis begegneten Hillary Clinton ihr republikanischer Kontrahent Donald Trump zum zukünftigen US-Präsidenten gewählt. Doch auch dieser will gegen hohe Arzneimittelpreise vorgehen, wie er mehrfach erklärte.
Da einige der neu zugelassenen Arzneimittel mit äußerst
hohen Preisen einhergehen, dürfte das Thema in den nächsten Monaten an Brisanz
gewinnen. So soll eine Dosis des Arzneimittels Spinraza® für Patienten mit
Spinaler Muskelatrophie mit Kosten von 125.000 US-Dollar (rund 120.000 Euro)
einhergehen, was Kosten in Höhe von 625.000 bis 750.000 US-Dollar im ersten
Jahr und 375.000 Euro in Folgejahren bedeutet, wie die Nachrichtenagentur
Reuters berichtet. Laut Analysten der Unternehmensberatung Leerink würde dies
voraussichtlich „einen Kritik-Sturm verursachen – bis hin zu Tweets des
Präsidenten“.
Auch in Europa gehen die Zahlen zurück
Während die europäische Arzneimittelagentur EMA im Vorjahr 93 Mal die Zulassung eines neuen Arzneimittels empfahl, war dies 2016 nur 81 Mal der Fall. Hierbei ist zu beachten, dass die EMA in ihren Zahlen auch Generika mit berücksichtigt – von den 93 Arzneimitteln in 2015 waren 39 neue Substanzen. Hinzu kamen 59 Indikationserweiterungen für bestehende Arzneimittel. Eine detaillierte Statistik wird die EMA in den nächsten Tagen veröffentlichen.
Doch nicht nur die Zahl der Neuzulassungen sinkt aktuell: Nach einer Analyse der Unternehmensberatung Deloitte nahm in den letzten Jahren die Rendite ab, die die zwölf führenden Pharmafirmen mit Investitionen in Forschung und Entwicklung erzielen können. Lag dieser Wert 2010 noch bei 10,1 Prozent, sank er 2016 auf nur 3,7 Prozent, wie „Reuters“ schreibt.
Experten kritisieren zukünftige Absenkung der Standards
Die Arzneimittelbehörden arbeiten derzeit daran, mit neuen Verfahren die Zulassung von Arzneimitteln zu vereinfachen. Doch die „Adaptive Pathways“ stoßen auf starke Kritik: Wenn Arzneimittel nur an eingeschränkten Patientengruppen zugelassen werden und dann ohne umfassende klinische Studien für weitere Gruppen Anwendung finden, sinkt die Qualität der Zulassung stark, kritisierte beispielsweise der stellvertretende Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gegenüber DAZ.online.
Sowohl in den USA als auch in Europa soll außerdem „Real World Evidence“ vermehrt Anwendung finden – prospektiv erhobene Daten, die nicht im Rahmen von klinischen Studien generiert werden. Im schlimmsten Fall drohten durch falsch angewandte Verfahren „inkorrekte oder unzuverlässige Schlussfolgerungen“, kritisierte der FDA-Chef Robert Califf kürzlich. Seine Behörde soll in den nächsten Jahre Leitlinien erstellen, wie derartige Daten sinnvoll berücksichtigt werden können.
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