Europa, deine Apotheken - Beratungs-Special

Was dürfen Apotheker in anderen Ländern?

Berlin - 31.12.2016, 06:00 Uhr

Impfen, Asthma-Beratung, Medikationsmanagement, Präventionsleistungen: In den meisten europäischen Ländern hat der Apotheker neben der Packungsabgabe wichtige Funktionen in der Primärversorgung. (Foto: goodluz / fotolia)

Impfen, Asthma-Beratung, Medikationsmanagement, Präventionsleistungen: In den meisten europäischen Ländern hat der Apotheker neben der Packungsabgabe wichtige Funktionen in der Primärversorgung. (Foto: goodluz / fotolia)


Dass Apotheker mit pharmazeutischen Dienstleistungen die Gesundheit von Menschen verbessern, beziehungsweise Krankheiten verhindern können, ist in Studien belegt. Hierzulande dürfen die Pharmazeuten ihre Kompetenzen neben der Packungsabgabe allerdings nur marginal einbringen. In anderen europäischen Ländern sind Apotheker viel intensiver in die Primärversorgung integriert. Was dürfen die Kollegen in anderen Ländern? Einige Beispiele…

Der Europäische Apothekerverband (PGEU) geht davon aus, dass die Kosten für die nationalen Gesundheitssysteme, die sich durch Probleme bei der Arzneimitteltherapie ergeben, bei etwa 1,25 Milliarden Euro pro Jahr liegen. 69 Prozent aller medikationsbedingten Klinikeinweisungen gehen auf Adhärenz-Probleme zurück. In Europa gibt es etwa 400.000 Offizinapotheker, die in rund 160.000 Apotheken arbeiten. In vielen Ländern ist es neben der Packungsabgabe inzwischen eine Kernaufgabe der Apotheker, den oben genannten Problemen entgegen zu wirken. Aber welche Leistungen bieten die Pharmazeuten in anderen Ländern an?

Die Ausgangslage in Deutschland:

Seit dem 1. Oktober haben bestimmte Patienten erstmals den Anspruch auf einen ausführlichen Medikationsplan. Sie müssen dafür mindestens drei Arzneimittel über einen längeren Zeitraum einnehmen. Ausgestellt wird der Plan vom Arzt, der Apotheker darf Informationen beispielsweise über OTC-Präparate nur auf Wunsch des Patienten hin ergänzen. Bezahlt wird nur der Arzt, der Pharmazeut geht leer aus. Zunächst gibt es den Plan nur auf Papier, später soll er auch elektronisch eingeführt werden. Ein flächendeckendes Medikationsmanagement, also eine pharmazeutische Analyse, der Medikationslisten, ist bislang nicht vorgesehen.

Projekte, in denen Arzt und Apotheker gemeinsam die Therapietreue der Patienten verbessern, gibt es in Deutschland bislang nur auf regionaler Ebene. Beispielhaft ist das Arzneimittel-Projekt ARMIN in Sachsen und Thüringen. Apotheker, Ärzte und die AOK Plus haben es nicht nur geschafft, ein umfassendes Medikationsmanagement auf die Beine zu stellen. Zudem ist es ihnen auch gelungen, eine digitale Kommunikationsplattform zu schaffen, auf der die Heilberufler essentielle Versorgungsinformationen über ihre Patienten teilen können. Aber auch in den Regionen Nordrhein und Westfalen-Lippe gibt es Beratungs-Projekte.

Apotheker impfen

In Irland beispielsweise sind Apotheker umfassend in das Impf-Programm des Gesundheitsdienstes eingebunden. Seit 2011 dürfen die Pharmazeuten Grippeimpfungen verabreichen. In der Saison 2014/2015 wurden laut irischem Apothekerverband mehr als 51.000 Patienten, insbesondere ältere Menschen, gegen Grippe geimpft. 23 Prozent dieser Patienten seien vorher noch nie geimpft worden. Seit 2015 dürfen die Pharmazeuten nun auch gegen Pneumokokken und Gürtelrose impfen.

In England gibt es gleich einen ganzen Katalog an pharmazeutischen Dienstleistungen. Im Bereich des Medikationsmanagements bieten englische Apotheker zwei verschiedene Services an. Einerseits gibt es die sogenannten New Medicine Services, von denen Menschen mit einer chronischen Krankheit profitieren, die neu auf eine Dauermedikation eingestellt werden. In Zusammenarbeit mit dem Hausarzt berät der Apotheker den Patienten in mehreren Sitzungen. Ziel ist es, Probleme bei der Therapietreue schon am Anfang der neu eingestellten Medikation zu vermeiden. Laut englischem Apothekerverband haben Apotheker in den Jahren 2014 und 2015 mehr als 770.000 NMS durchgeführt.

Eine weitere Dienstleistung in England sind die sogenannten Medication Use Reviews (MURs). Patienten mit chronischen Erkrankungen, bei denen Adhärenz-Probleme bestehen, können sich an Apotheker wenden. In einem strukturierten Beratungsprogramm analysiert der Apotheker zunächst, welche Medikamente der Patient einnimmt und stimmt dann gegebenenfalls mit dem Arzt ab, welche Änderungen vorzunehmen sind. In den Jahren 2014/2015 haben die Apotheker mehr als 3,1 Millionen MURs angeboten und beim Gesundheitsdienst abgerechnet. Und: Wie in Irland, dürfen auch Apotheker in England gegen Grippe impfen.

Frankreich: Elektronische Medikations-Akten 

In Frankreich ist die sogenannte „pharmazeutische Bildung“ von Patienten eine der im Sozialrecht verankerten Kernaufgaben der Apotheker. Seit 2013 gibt es auch konkrete Beratungsprojekte, bei denen die Apotheker für eine bestimmte Dienstleistung entlohnt werden. Erstens beraten die Pharmazeuten Patienten, die erstmals auf eine Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten eingestellt werden. Allein von dieser Beratung haben seit 2013 bereits mehr als 230.000 Patienten profitiert. Zweitens gibt es ein ähnliches Beratungsprojekt, bei dem die Apotheker Diabetiker beraten, die neu auf mehrere Arzneimittel eingestellt werden. Laut Apothekerverband bieten etwa zwei Drittel aller französischen Apotheken diese Dienstleistungen an.

In Belgien können Asthma-Patienten ihren Apotheker konsultieren, wenn sie erstmals inhalative Kortikosteroide verordnet bekommen. Das Projekt gibt es etwas länger als zwei Jahre. Laut belgischem Apothekerverband haben inzwischen mehr als 36.000 Patienten an einer solchen Beratung teilgenommen.

Was die Zusammenarbeit und Kommunikation mit Ärzten betrifft, sind auch die sogenannten „Dossiers Pharmaceutiques“ nennenswert, die in Frankreich und Belgien landesweit etabliert sind. Dabei handelt es sich um elektronische Medikations-Akten der Patienten, in die Klinikärzte und niedergelassene Mediziner sowie Apotheker alle wichtigen Informationen zur Medikation eintragen. Ziel dieser Dossiers ist die Vermeidung von Neben- und Wechselwirkungen. In Frankreich sind 99,8 Prozent aller Apotheken an das national etablierte System angeschlossen. In etwa 32 Millionen Franzosen haben eine solche Akte. In Belgien gibt es das Projekt noch nicht allzu lange, hier sind rund 50 Prozent der Apotheken an das Server-basierte System angeschlossen, 4,5 Millionen Patienten haben bereits eine elektronische Medikations-Akte anlegen lassen.

Quelle: PGEU

Weitere solcher Versorgungsmodelle gibt es beispielsweise in Norwegen, Italien, Spanien und Portugal. Aus der Grafik wird ersichtlich, wie viele Länder die Apotheker schon in wichtige Teile der Primärversorgung einbinden. In 14 Ländern dürfen Apotheker Folgerezepte selbstständig erstellen. In 20 europäischen Ländern messen Pharmazeuten Blutdruck, in 13 Ländern gibt es ein umfassendes Blutdruck-Management durch den Apotheker.




Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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