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Notifizierungsverfahren
Welche EU-Hürden drohen dem Rx-Versandverbot?
In den kommenden Wochen entscheidet sich, ob das vom Bundesgesundheitsministerium geplante Rx-Versandverbot politische Überlebenschancen hat. Dabei wird oft vergessen, dass ein solches Verbot auch auf EU-Ebene noch einige Hürden zu nehmen hätte, bevor es hierzulande in Kraft treten kann. DAZ.online hat analysiert, welche Szenarien dem Gesetz während des sogenannten EU-Notifizierungsverfahrens drohen könnten.
Laut einer EU-Richtlinie sind alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, der Europäischen Kommission und allen anderen EU-Mitgliedern mitzuteilen, wenn sie bestimmte binnenmarktrelevante Gesetzesvorhaben in Angriff nehmen wollen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) geht laut einem Sprecher davon aus, dass der vorgelegte Gesetzentwurf zum Versandhandelsverbot für Rx-Arzneimittel zu diesen anzeigepflichtigen Gesetzesvorhaben gehört. Kurz gesagt: Weil die Bundesregierung eine nationale Regelung ändern möchte, die den EU-Binnenmarkt und andere Mitgliedstaaten beeinflussen könnte, müssen die Länder und die Kommission die Möglichkeit bekommen, sich dazu zu äußern.
In den vergangenen Wochen war in der Branche bereits darüber spekuliert worden, zu welchem Zeitpunkt die Bundesregierung der EU das Rx-Versandverbot vorlegen müsste. Müssen das Bundeskabinett und der Bundestag den Gesetzentwurf erst beschließen, bevor er an die EU verschickt wird? Oder schickt das Ministerium von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) den Entwurf schon früh nach Brüssel, um herauszufinden, welche Überlebenschancen das Versandhandelsverbot in Europa hätte. Ein BMG-Sprecher stellte nun klar, dass der Entwurf nach der Frühabstimmung mit den anderen Ressorts aber VOR dem Kabinettsbeschluss in das Notifizierungsverfahren eintritt.
Erst EU-Abstimmung, dann Kabinettsbeschluss
Schon in den ersten Wochen des Jahres 2017 könnte das Verbot also zur Abstimmung an die EU gehen. Was bedeutet das aber für den weiteren Zeitplan? In dem Moment, in dem ein Gesetz im Rahmen des Notifizierungsverfahrens angezeigt wird, tritt eine dreimonatige „Stillhaltefrist“ in Kraft. Das heißt: Die Bundesregierung verpflichtet sich während dieser drei Monate, das Versandverbot nicht in Kraft zu setzen. Und genau in diesen drei Monaten können die anderen EU-Länder und die EU-Kommission das deutsche Vorhaben prüfen.
Das EU-Notifizierungsverfahren hat streng festgelegte Abläufe. Insofern lässt sich auch jetzt schon sagen, welche Szenarien für das Rx-Versandverbot auf EU-Ebene infrage kommen:
Wie reagieren die anderen EU-Staaten?
- 1] Weder ein EU-Mitgliedstaat noch die EU-Kommission reagieren auf das Papier. In diesem Fall kann die Bundesregierung ihr Vorhaben nach Ablauf der Stillhaltefrist (3 Monate) weiterverfolgen. Auf nationaler Ebene würde dann ein ganz „normaler“ Gesetzgebungsprozess folgen. Das Bundeskabinett könnte den Entwurf beschließen, danach würde das Gesetz zur Beratung in den Bundestag und in den Bundesrat wandern. In beiden Kammern könnte das Gesetz natürlich noch Änderungen erfahren, wobei das BMG derzeit davon ausgeht, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss.
- 2] Ein oder mehrere Mitgliedstaaten oder die Kommission haben Bemerkungen. Solche Bemerkungen könnten fällig werden, wenn ein anderes Land das Rx-Versandhandelsverbot nicht grundsätzlich infrage stellt, aber eine Klarstellung zu seiner Auslegung einfordert. Laut EU-Kommission müsste die Bundesregierung diese Bemerkungen „so weit wie möglich“ umsetzen, um das Gesetz dann nach der oben genannten Stillhaltefrist in den weiteren nationalen Gesetzgebungsprozess zu bringen.
- 3] Während der Prüfung könnte ein anderes EU-Land oder die Kommission feststellen, dass das Verbot Hemmnisse für den freien Warenverkehr auf EU-Ebene hätte. In diesem Fall könnte das andere Land eine „ausführliche Stellungnahme“ zu dem deutschen Gesetzesvorhaben abgeben. Diese würde den nationalen Beschluss im Falle des Versandhandelsverbotes um einen weiteren Monat hinauszögern. Die Bundesregierung ist dann verpflichtet, mit dem beschwerdeführenden Land oder mit der Kommission in Dialog zu treten, um ihre Maßnahmen zu erläutern.
- 4] Das langwierigste und für die Apotheker negativste Szenario wäre ein kompletter Aufschub der Annahme. Ein solcher Aufschub (im Falle des Rx-Versandhandels würden weitere 12 Monate drohen) kann nur durch die EU-Kommission verhängt werden. Die Kommission hat das Recht, diesen Aufschub von der Bundesregierung zu verlangen, wenn sie nachweisen kann, dass im gleichen Gesetzgebungsbereich sogenannte harmonisierende Maßnahmen anstehen oder geplant sind. Am Beispiel des Versandhandelsverbotes würde das heißen: Sollte die EU-Kommission planen, die Regeln zum Versandhandel oder zur Rx-Preisbindung in Europa zu harmonisieren, müsste Deutschland das Verbot zurückstellen. Dies wäre sicherlich das ungünstigste Szenario, ist aber auch relativ unwahrscheinlich.
Deutschland droht Vertragsverletzungsverfahren
Grundsätzlich muss die Bundesregierung die EU benachrichtigen, wenn das Rx-Versandverbot nach einem Notifizierungsverfahren in Kraft tritt. Die EU-Kommission und die Länder haben dann noch einmal das Recht zu prüfen, ob die eventuell eingegangenen Beschwerden auch in das Gesetz eingeflossen sind. Hält sich die Bundesregierung nicht an das oben beschriebene Verfahren, droht ein Vertragsverletzungsverfahren.
Grundsätzlich gibt es auch ein sogenanntes Dringlichkeitsverfahren, wobei der oben beschriebene Prozess schneller durchlaufen werden kann. Dass das für das Rx-Versandverbot gilt, ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Schließlich müsste Deutschland in diesem Fall „dringende, unvorhergesehen Gründe“ oder eine Gesundheitsgefährdung nachweisen können.
Des Weiteren gibt es EuGH-Urteile zum Notifizierungsverfahren, die verdeutlichen, warum sich Deutschland unbedingt an die strengen Vorgaben halten sollte. In einem der Fälle hatte ein Mitgliedstaat eine eigentlich anzeigepflichtige Regelung nicht der EU gemeldet. Der EuGH urteilte in diesem bestimmten Fall, dass das entsprechende Gesetz aufgrund des ausgebliebenen Abstimmungsverfahrens nicht anwendbar für den Einzelen sei (Urteil vom 30. April 1996, Az.: C-194/94).
Übrigens hat sich auch das Bundesverfassungsgericht schon mit derartigen Fragen befasst – sogar im Zusammenhang mit DocMorris. Die niederländische Versandapotheke hatte in einer Verfassungsbescherde gerügt, dass die Regelung im Arzneimittelgesetz, nach der sich die Arzneimittelpreisverordnung auf ausländische Versender erstreckt, hätte notifziert werden müssen. Die Verfassungsrichter nahmen die Beschwerde nicht zur Entscheidung an. Zur etwaigen Verletzung der Notifizierungspflicht führten sie aus, dass eine solche keine Frage des Verfassungsrechts sei und auch nicht die Nichtigkeit der Norm zur Folge habe.
4 Kommentare
EU Notifizierungsverfahren Rx Versandhandelsverbot
von Sylvia Trautmann am 21.12.2016 um 10:09 Uhr
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Wir sind wieder mal zu inkompetent !
von Ratatosk am 20.12.2016 um 18:49 Uhr
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Wissen ist Macht., na ja früher mal.
von Christian Timme am 20.12.2016 um 13:45 Uhr
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Was ist eigentlich...
von Thorsten Dunckel am 20.12.2016 um 10:13 Uhr
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