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Leser-Debatte über EuGH-Urteil
ABDA und DocMorris batteln sich auf Xing
In einer ungewöhnlichen Debatte stehen sich seit dem heutigen
Donnerstag die ABDA und DocMorris gegenüber: Im sozialen Business-Netzwerk Xing
präsentieren ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz und DocMorris-Vorstand
Max Müller ihre Thesen für das weitere Prozedere nach dem EuGH-Urteil zur
Preisbindung. Die Leser dürfen abstimmen.
Die Diskussion um das EuGH-Urteil ist Teil der Xing-Reihe „Klartext“. Bei diesem Format stellt die Xing-Redaktion eine Frage zu einem aktuellen politischen Thema zur Diskussion. Zwei Experten präsentieren dazu ihre Thesen und Meinungen, die Mitglieder des sozialen Netzwerkes sind dann dazu aufgerufen, die Position der beiden Experten zu kommentieren. Seit 0.30 Uhr ist das erste Thema auf der Klartext-Seite das EuGH-Urteil und seine Folgen. Die Frage lautet: „Nach EuGH-Urteil: Wie fair ist der Apotheken-Wettbewerb?“ Und weiter: „Im Oktober hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ausländischen Versandapotheken erlaubt, Rabatte auf rezeptpflichtige Medikamente zu gewähren – ansässigen Apotheken ist dies jedoch verboten.“
Für DocMorris ist Strategie-Vorstand Max Müller angetreten, der die These in den Raum stellt: „Wir sind keine Bedrohung für Apotheken.“ In seinem Text thematisiert Müller zunächst die Digitalisierung des Gesundheitswesens und die drohende Unterversorgung auf dem Land. „Die technische Entwicklung in der Medizin ist faszinierend. Hausarzttermine per Videoübertragung, Telekonsultation von Spezialisten, Fernbetreuung etwa von Diabetikern – in der Telemedizin ist vieles möglich. Ärzte und Politiker diskutieren schon lange, wie sie am besten eingesetzt werden kann. Etwa um Patienten zu versorgen, die in dünn besiedelten Gebieten fernab von Arztpraxen leben.“
DocMorris: Wir zahlen Boni aus eigener Marge!
Digital sei „vieles möglich“, schreibt Müller. „Außer einer Versorgung mit rezeptpflichtigen Medikamenten“. Die solle nämlich jetzt verboten werden. Müller beschreibt das Szenario, dass sich „Kranke“ ihre Rx-Arzneimittel künftig nur noch „analog“ beschaffen können – bei einer Apotheke. Die Zahlen sprechen aus Sicht des DocMorris-Vorstandes allerdings gegen ein solches Rx-Versandverbot. Denn die Versender hätten gerade einmal einen Marktanteil von 3 Prozent. Müller fragt sich: „Reicht das, um den rund 20.500 Vor-Ort-Apotheken gefährlich zu werden? Wohl kaum. Auch die Apothekerverbände und das Bundesgesundheitsministerium haben nie einen Zusammenhang belegen können, der ein Gericht überzeugt hätte.“
Des Weiteren sei der Online-Handel mit Rx-Medikamenten bereits länger als zehn Jahre etabliert. Rund 40 Prozent aller Deutschen habe schon einmal ein Arzneimittel im Internet bestellt. Aus Müllers Sicht würden in erster Linie die Patienten unter dem Rx-Versandverbot leiden: „Die Leidtragenden eines Verbots sind Chroniker und Menschen, die jeden Euro umdrehen müssen. Ihnen würde der Zugang zu einer preiswerteren Arzneimittelversorgung verboten, da etliche EU-ausländische Versandapotheken ihnen Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren – aus der eigenen Marge.“ Außerdem betroffen wären Menschen auf dem Land, Berufstätige, die erst spät nach Hause kommen sowie Menschen, die nicht mehr mobil sind, schreibt Müller.
Als „besonders ärgerlich“ bezeichnet Müller, dass sowohl das BMG als auch die Apotheker keine Alternativkonzepte vorgelegt hätten, wie man Landapotheken schützen könne. Für unterversorgte Regionen gelte daher: „Wer dort kein Auto besitzt, sich keines leisten oder fahren kann, der hat ein Problem. Und wird im Falle eines Verbots damit allein gelassen.“ Wie schon zuvor, schlägt Müller vor, „gemeinsam innovative Lösungen“ zu erarbeiten.
ABDA sieht Rx-Versandverbot als einzige Lösung
ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz sieht das ganz anders. Schmitz weist zunächst darauf hin, dass schon das Urteil „überraschend“ sei, weil es von der bisherigen Rechtsprechung abweiche, indem der europäische Binnenmarkt über den Gesundheitsschutz gestellt werde. „Nachteilig ist der Richterspruch, weil er das sorgfältig austarierte Gebilde des bewährten deutschen – und auch jedes anderen europäischen – Gesundheitswesens aushöhlt, zu dessen wichtigsten Säulen die hiesige Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) gehört“, schreibt der ABDA-Chef.
Schmitz‘ Kernthese lautet: „Patienten brauchen die Arzneimittelversorgung vor Ort“. Er fordert daher, dass ein Preis-Dumping-Wettbewerb verhindert werden müsse. Schmitz beschreibt, wie das Apothekenhonorar aufgebaut ist und dass es auf einer Mischkalkulation beruhe, in deren Rahmen die Pharmazeuten auch Nachtdienste leisten, Rezepturen anfertigen und andere Gemeinwohlpflichten vor Ort erledigten. Daher schlussfolgert der ABDA-Chef: „Wenn dieses Prinzip nun – zunächst von einem holländischen Versender, später von vielen, vielleicht auch aus anderen Ländern – bewusst untergraben wird, dann schädigt dies das deutsche Gesundheitswesen und die Arzneimittelversorgung. Warum? Weil dann die Apotheken vor Ort einem immer stärkeren Preis-Dumping-Wettbewerb ausgesetzt sind, wo Beratung eingeschränkt, Personal eingespart und Kompetenz eingebüßt werden. Statt um Qualität ginge es nur um den Preis.“
ABDA-Chef schmiedet Horrorszenarien
Ähnlich wie auf dem Flyer, den die ABDA im Rahmen ihrer neuen Unterschriftenkampagne austeilt, entwirft auch Schmitz in seinem Text Szenarien, die den Kunden drohen könnten, wenn die „Apotheke um die Ecke schließen muss“. Dann sei „die Not groß“, meint der ABDA-Chef. Und weiter: „Wer löst denn das Antibiotikum-Rezept fürs Baby sofort ein? Niemand. Wo ist dann der nächste Notdienst am Samstagabend? Weit weg. Und wer erklärt und zeigt dem älteren Stammkunden zum x-ten Mal in aller Ruhe, warum die blaue vor der roten und die weiße nach der grünen Tablette eingenommen werden muss? Wohl kaum die Hotline.“
Um all das zu vermeiden, „muss der Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln verboten werden“, erklärt Schmitz. Aus Sicht der ABDA ist das auch die einzig denkbare Lösung. Denn: „Weniger restriktive Mittel ließen sich schneller unterlaufen, wären schwer kontrollierbar oder praktisch kaum umsetzbar.“
Wie reagieren die Leser?
Wie kommen also beide Argumentationslinien bei den Lesern an? Bis zum Donnerstagvormittag (Stand 11.00 Uhr) konnte Max Müller leichte Vorteile verzeichnen. Schmitz‘ Thesen wurden rund 1.000 Mal gelesen, 30 Leser drückten anschließend auf „Zustimmen“. Allerdings sind unter den Kommentaren unter dem Artikel des ABDA-Chefs einige negative Beiträge. Einige Leser weisen darauf hin, dass es insbesondere in städtischen Gebieten fast an jeder Ecke eine Apotheke gebe. Selbst wenn davon ein paar schließen würden. Wäre die Versorgung noch gesichert. Deswegen sei eine „gleichmäßigere Verteilung“ vielleicht die Lösung des Problems, findet ein Leser. Eine andere Leserin findet es „super“, dass sie ihre OTC-Medikamente online bestellen kann, würde sich aber sehr ärgern, wenn ihre Apotheke im Dorf schließen würde. Es sei daher „rechtens“, dass diese Apotheken von einem Wettbewerb ausgeschlossen werden, schreibt sie.
Müllers Argumente hingegen wurden bereits mehr als 2.500 Mal gelesen. 53 Xing-Nutzer klickten anschließend auf „Zustimmen“. Und auch hier finden sich einige negative Leserbewertungen unter dem Text. Ob sich DocMoris auch an Nacht- und Notdiensten beteilige, will ein Leser wissen. Eine andere Nutzerin schreibt, dass Apotheken unabhängig bleiben müssten. Andererseits ärgert sich ein anderer Leser, dass Globalisierung und der freie Warenverkehr überall funktioniere – nur bei der „wirtschaftsliberalen Apothekerschaft“ nicht.
Noch einige Tage lang können die Argumente der ABDA und die von DocMorris auf Xing bewertet werden. Zugang zur Diskussion haben allerdings nur Xing-Mitglieder, ein Profil in dem sozialen Netzwerk ist also obligatorisch, wenn man an der Debatte teilnehmen will. Sie finden die Diskussion dann im Abschnitt „News“ und dann weiter auf „Klartext“ drücken.
2 Kommentare
Der einsame Alte auf seiner Hütte?
von Andreas Grünebaum am 17.12.2016 um 9:20 Uhr
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Apothekenwettbewerb?? - Verterrung !!
von Heiko Barz am 16.12.2016 um 13:21 Uhr
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