Beratungs-Quickie

Ginkgo bei leichter Demenz

Stuttgart - 24.11.2016, 14:45 Uhr

(Foto: H. Brauer / Fotolia)

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Welche Punkte sind bei der Beratung wichtig? Was für Zusatzinformationen können Apotheker geben? Im „Beratungs-Quickie“ stellen wir jede Woche einen neuen Fall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung über ein Ginkgo-Präparate für einen älteren Herren. 

Formalien Check

Ein älterer Mann betritt die Apotheke und legt ein Kassenrezept über 80 Stück Tebonin Kozent 240 mg mit den Worten vor: „ Was hat die Ärztin denn da schon wieder aufgeschrieben. Ist das das Richtige?“ Er ist ein Stammkunde

Das Rezept, ausgestellt von einer Neurologin, ist zum Zeitpunkt der Einlösung 14 Tage alt und somit gültig. 

Tebonin ist ein apothekenpflichtiges Arzneimittel. Laut Anlage I (OTC-Übersicht) Arzneimittelrichtlinie darf Ginkgo-biloba-Blätter-Extrakt, der wirksame Bestandteil von Tebonin, zur Behandlung der Demenz auch bei Erwachsenen zulasten der Krankenkasse verordnet werden. Für den Patienten, der gebührenpflichtig ist, fallen nur die Zuzahlung und Mehrkosten an. Die Apotheke muss die Diagnose nicht überprüfen.

Ist auf dem Rezept jedoch eine Diagnose vermerkt, darf das Präparat nur zulasten der GKV abgegeben werden, wenn das Mittel für die vermerkte Diagnose erstattungsfähig ist. Mit dem Vermerk „bei Tinnitus“ beispielsweise müsste der Patient die Kosten selber tragen.

Die Ärztin hat den Aut-idem Austausch zugelassen, Rabattverträge sind also zu beachten. Rabattartikel ist in diesem Fall das Verordnete, laut Kundendatei hat der Patient auch bislang immer genau dieses Präparat erhalten.  

Ist ein Präparatewechsel aufgrund von Rabattverträgen notwendig, sollte er aber wohl überlegt sein. Möglicherweise verunsichert das den Patienten. Im Zweifel sind pharmazeutische Bedenken der sichere Weg. Kümmert sich ein Angehöriger oder Pflegepersonal um die Arzneimittel, kann man ein Alternativpräparat eher verantworten. In der verordneten Stärke und Packungsgröße ist ein weiteres Präparat auf dem Markt – Gingium extra 240 mg.

Die 80-Stück-Packung Tebonin trägt keine N-Kennzeichnung. Es handelt sich aber nicht um eine sogenannte Jumbopackung, denn die enthaltene Stückzahl liegt unterhalb von Nmax. Die verordnete Menge darf also beliefert werden. 

Beratungs Basics

Tebonin enthält den Gingko-Spezialextrakt EGb 761®. Die 240 mg sind zugelassen „zur Besserung von (altersassoziierten) geistigen Leistungseinbußen und zur Verbesserung der Lebensqualität bei leichter Demenz.

Die Einnahme erfolgt einmal täglich. Tebonin kann unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden. Die Behandlungsdauer soll mindestens 8 Wochen betragen. Die Tabletten sollten nicht im Liegen genommen werden. Der Patient nimmt das Arzneimittel schon lange ein. Er gibt an, es gut zu erkennen und es auch zu vertragen. Seine Demenz scheint sich noch in einem frühen Stadium zu befinden, er macht den Eindruck gut zurecht zu kommen. Außerdem lebt er bei seiner Tochter und deren Familie mit im Haus, sie ist ebenfalls Stammkundin in der Apotheke.

Es besteht eine theoretische Interaktion mit Antikoagulanzien. Seltene Einzelfälle von erhöhter Blutungsneigung seien nicht auszuschließen, heißt es in der ABDA-Datenbank. Und weiter: Nutzen und Risiken der gleichzeitigen Behandlung  von Ginkgoblättern und Arzneistoffen, die die Blutgerinnung hemmen, sind daher sorgfältig abzuwägen. In der Selbstmedikation sollte vorsichtshalber auf Aspirin gegen Schmerzen verzichtet und auf andere Alternativen zurückgegriffen werden, zum Beispiel Paracetamol.

Auch noch wichtig 

Die Therapie sollte regelmäßig überprüft werden. Wenn sich die Krankheitssymptome verstärken, ist vom Arzt zu überprüfen, ob die Weiterführung der Behandlung noch gerechtfertigt ist. Bei Therapiebeginn gilt: Wenn nach 3 Monaten keine Besserung der Symptome eingetreten ist, ist die Therapie zu hinterfragen. Tagesdosen unter 240 mg sind nicht sinnvoll, da eine Wirksamkeit nicht belegt ist.

Hat man in der Apotheke den Eindruck, dass sich der Zustand verschlechtert, dann sollte man Hilfe einschalten. In diesem Fall kann die Familie angesprochen werden. Auch der Hausarzt ist eine Option.

Nebenwirkungen sind selten. Auch dieser  Patient verträgt das Arzneimittel gut. Als Nebenwirkungen beschrieben wurden leichte Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Schwindel oder Verstärkung bereits bestehender Schwindelbeschwerden. Auch allergische Reaktionen sich möglich.

Es gibt Hinweise, dass Ginkgo die Blutungsbereitschaft erhöhen kann. Daher sollte das Arzneimittel vorsichtshalber vor einer Operation abgesetzt werden (36 h). Behandelnde Ärzte sollten über die Einnahme informiert werden.

Darf‘s ein bisschen mehr sein

Die antioxidativen Effekte von Ginkgo biloba gelten als belegt.

Laut der 2016 neu aufgelegten Leitlinie kann eine Behandlung mit Ginkgo erwogen werden bei Patienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz oder vaskulärer Demenz und nicht-psychotischen Verhaltenssymptomen. Bei diesen gebe es Hinweise auf die Wirksamkeit, heißt es. (Empfehlungsgrad 0, Evidenzebene Ia). Die bisherige negative Bewertung wurde also in der neuen Fassung der Leitlinie aufgehoben.

Zur Vorbeugung einer Demenzerkrankung sind Ginkgo-Präparate dagegen zumindest nach derzeitigem Wissensstand nicht geeignet, in diesem Zusammenhang sollte eher auf eine gesunde Lebensweise mit ausreichend Sport und einer ausgewogenen Ernährung hingewiesen werden.

In Studien zum Neuro-Enhancement („Hirndoping“) konnten Ginkgo-Blätter nicht überzeugen. Die Effekte auf Gedächtnisleistung und Vigilanz waren sehr gering.

Unter anderem das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und die Deutsche Alzheimer Gesellschaft stellen auf ihren Internetseiten viele Informationen zur Verfügung, unter anderem ein E-Learning für Personen, die einen an Demenz erkrankten Menschen betreuen und am Anfang der Pflege stehen sowie Ratgeberforen für Betroffene und Angehörige. Auch die Pharmaindustrie hat entsprechende Seiten. Unter alzheimerinfo.de (von der Firma Merz) können beispielsweise Angehörige Erfahrungsberichte einstellen. Die Seite alzheimer.de wird von Novartis zur Verfügung gestellt. 

Im Internet stehen auch Gedächtnistrainings zur Verfügung, zum Beispiel unter:

sowie Selbsttests oder Hinweise auf Warnzeichen:



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Anmerkung zu Tinnitus

von Dirk Lenz am 25.11.2016 um 9:36 Uhr

Interessant finde ich den Hinweis "bei Tinnitus". Ich dachte das Gingko Präparat sei hilfreich bei Gedächtnisproblemen. Welche Präparate werden denn "bei Tinnitus" empfohlen? Ich kenne lediglich Präparate wie Sonosan, die kein Gingko enthalten.

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