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In Deutschland sterben jährlich Tausende von Menschen an multiresistenten Keimen. Am heutigen europäischen Antibiotikatag soll an ein verantwortungsvolles Einsetzen der Wirkstoffe erinnert werden. Aber was machen Länder, in denen weniger Resistenzen auftreten, besser? Verwenden sie tatsächlich weniger Antibiotika oder nur andere?
Am 18. November findet jedes Jahr der europäische Antibiotikatag statt. Er soll das Bewusstsein für das Problem der Antibiotikaresistenzen schärfen und über die umsichtige Anwendung von Antibiotika informieren. Passend dazu stand bereits in der vergangenen Woche das Thema bei der großen Fortbildung der Apothekerkammer Nordrhein auf der Agenda. Professor Michael Kresken von der Paul-Ehrlich-Gesellschaft stellte Resistenzdaten aus Europa vor.
Diese zeigen: Es gibt ein klares Nord-Süd-Gefälle bei der Resistenzbildung. Während in Südeuropa die Situation bedenklich ist, liegt Deutschland im Mittelfeld. Bei einigen Erregern wie den MRSA sind Fortschritte zu verzeichnen. Andere Stämme jene, die gegen das Reserveantibiotikum Carbapenem resistent sind, sind auf dem Vormarsch – allerdings europaweit. Carbapenem sollte wie andere Notfallantibiotika nur dann eingesetzt werden, wenn die meisten anderen Antibiotika nicht mehr greifen. Es gibt aber Länder, die das Problem offensichtlich besser in den Griff bekommen als die Deutschen, zum Beispiel Dänemark, Schweden und die Niederlande.
Was machen diese Länder anders? Laut Kresken kann der absolute Antibiotikaverbrauch in den Kliniken nicht ursächlich sein. So werden beispielsweise in Dänemark insgesamt mehr Antibiotika eingesetzt als in Deutschland. Viel ausschlaggebender ist seiner Ansicht nach, welche Antibiotika wie eingesetzt werden. So kommen in Deutschland deutlich mehr Cephalosporine zum Einsatz als beispielsweise in Schweden. Das ist nach Kreskens Ansicht ein Risikofaktor. Denn der unnötige, breite Einsatz befördert Resistenzen. Im Bedarfsfall hat man dann eine wirksame Alternative weniger. Die Skandinavier bevorzugen Penicilline.
Orales Cefuroxim hat eine Bioverfügbarkeit von nur 50 Prozent
Besonders kritisch sieht der Experte dabei den Einsatz von oralem Cefuroxim. Aufgrund seiner Bioverfügbarkeit von nur 50 Prozent erhöht es den Selektionsdruck im Gastrointestinaltrakt. In manchen Kliniken, zum Beispiel der Universitätsmedizin Mainz, ist dieser Wirkstoff in oraler Darreichungsform gar nicht gelistet.
Kresken stellte daher die Frage, ob Cefuroxim in der ambulanten Medizin, wo es nur oral verabreicht wird, überhaupt gebraucht wird. Und er geht sogar noch weiter und zweifelt nicht nur die Notwendigkeit von Cefuroxim außerhalb des Krankenhauses an, sondern die von allen Cephalosporinen der zweiten und dritten Generation in diesem Bereich. „Brauchen wir die wirklich?“, fragte er. Dänemark zum Beispiel kommt im ambulanten Bereich ganz ohne diese Wirkstoffe aus. „Das ist ein Penicillin-Land“, erklärte er. Eine weitere Wirkstoffgruppe, die hierzulande häufiger verordnet wird, sind die Fluorchinolone. Substanzen wie Ciprofloxacin erzeugen ebenfalls einen hohen Selektionsdruck, weil sie in erheblichem Ausmaß über die Haut und den Gastrointestinaltrakt ausgeschieden werden. Das fördert Resistenzbildung.
Fallende Preise sorgen für steigende Verordnungszahlen
Grundsätzlich ist die Zahl der Antibiotikaverordnungen an sich durch niedergelassene Ärzte Kreskens Ansicht nach in Ordnung. Sie sei auch nicht angestiegen. Aber es würden zunehmend Reserveantibiotika verordnet. Sie stehen dann im Bedarfsfall nicht mehr zur Verfügung. Insbesondere wenn nach einem Patentablauf die Preise fallen, sorgt das für mehr Verschreibungen.
Laut dem aktuellen Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse gibt es aber auch bei der Zahl der Verordnungen Verbesserungspotenzial. Demnach bekommt immer noch jeder Fünfte (20,5 Prozent), der erkältungsbedingt ein bis drei Tage krankgeschrieben ist, Antibiotika verschrieben. Das sind zwar weniger als vier Jahre zuvor – im Jahr 2011 war es sogar noch fast jeder Dritte (28,8 Prozent) – aber eben immer noch zu viele. Seitens der TK vermutet man, dass dieser Verordnungsrückgang im Zusammenhang mit der Diskussion um Antibiotikaresistenzen steht.
Nicht die Menge, sondern die Art und Weise ist entscheidend
Zusammenfassend lässt sich sagen: Es ist nicht allein die Menge der eingesetzten Antibiotika, die dafür verantwortlich ist, ob viele oder wenige Resistenzen auftreten. Es ist vielmehr die Art und Weise, wie die jeweiligen Substanzen eingesetzt werden. Und das machen andere Länder anders – offensichtlich besser als Deutschland. Darüber hinaus spielt im Krankenhaus natürlich auch die Hygiene eine entscheidende Rolle. Grundsätzlich gilt es, Antibiotika nur dort einzusetzen, wo sie wirklich erforderlich sind, und den oft ungerechtfertigten Einsatz von Antibiotika zu vermeiden.
Bei der Anwendung ist darauf zu achten, dass der passende Wirkstoff in der richtigen Dosis über einen ausreichend langen Zeitraum eingenommen wird. Apotheker können hier eine wichtige Rolle spielen. In der Klinik als Teil multidisziplinärer Teams im Rahmen der Antibiotic Stewardship und im niedergelassenen Bereich, indem sie bei jeder Abgabe über die korrekte Einnahme aufklären. Unterstützend wurde von der ABDA für Patienten der Flyer „7 Tipps für den richtigen Umgang mit Antibiotika“ entwickelt.“
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