Bundestag zum EuGH-Urteil

Entweder Rx-Versandhandelsverbot kommt oder Preisbindung fällt

Berlin - 03.11.2016, 17:10 Uhr

Nur zwei Handlungsoptionen: Aus Sicht der Bundestagsverwaltung gibt es nach dem EuGH-Urteil nur zwei Optionen: Entweder der Rx-Versand oder die Preisbindung kippt. (Foto: dpa)

Nur zwei Handlungsoptionen: Aus Sicht der Bundestagsverwaltung gibt es nach dem EuGH-Urteil nur zwei Optionen: Entweder der Rx-Versand oder die Preisbindung kippt. (Foto: dpa)


Damit die Bundestagsabgeordneten im Dschungel der EU-Richtlinien, EU-Verordnungen und EuGH-Urteile den Überblick behalten, informiert die Bundestagsverwaltung sie über die wichtigsten Vorgänge. Ein Bundestagsreferat hat sich mit dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung beschäftigt und kommt zu dem Schluss: Entweder der Bundestag beschließt ein Rx-Versandhandelsverbot – oder die Preisbindung fällt.

Das Referat PE3 gibt es noch nicht lange im Deutschen Bundestag. Offiziell heißt es: „Referat für Analyse, Prioritätensetzung und Beratung in EU-Angelegenheiten“. Die Kernaufgabe der Mitarbeiter dieses Teils der Bundestagsverwaltung ist die Priorisierung und die Selektion von Informationen. Dabei geht es ausschließlich um Neuigkeiten, die auf EU-Ebene entstehen. Die Referatsmitarbeiter sichten also tagtäglich hunderte EU-Papiere, um zu entscheiden, welche Informationen für die Parlamentarier wertvoll sein könnten. Finden sie eine aus ihrer Sicht wichtige Neuigkeit, schreiben sie für alle Abgeordneten eine Kurzzusammenfassung samt einem Fazit, das alle Handlungsoptionen beschreibt.

In den vergangenen Tagen hat sich das Referat PE3 auch mit dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung beschäftigt. Relativ nüchtern beschreibt die Bundestagsverwaltung in einem Papier, das DAZ.online vorliegt, das Ausgangsverfahren der Deutschen Parkinson Vereinigung und DocMorris. Als „wesentliche Inhalte der Urteilsbegründung“ sieht das Referat einerseits, dass die Preisbindung aus Sicht des EuGH eine Beschränkung des freien Warenverkehrs innerhalb der EU darstellt. Andererseits konnte die Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem EuGH nicht nachweisen, dass Vor-Ort-Apotheken aus Gründen des Gesundheitsschutzes bevorteilt werden müssten.

Rechtsfolge: DocMorris darf Boni wieder anbieten

Als „Rechtsfolge“ sieht das Referat PE3 zunächst nur, dass DocMorris Kunden aus Deutschland ab sofort seine Bonusmodelle wieder anbieten darf. Deutsche (Versand-)Apotheken müssten sich zwar weiterhin an die Preisbindung halten, allerdings entstehe eine „sogenannte Inländerdiskriminierung“, kommentieren die Bundestagsangestellten.

Um das nationale Recht an die EuGH-Entscheidung anzupassen und dieser Inländerdiskriminierung entgegenzuwirken, sieht die Bundestagsverwaltung als Handlungsoption für die Abgeordneten nur zwei Wege. Erstens: das Rx-Versandhandelsverbot. Bereits einen Tag nach dem Urteil habe die ABDA für dieses geworben, heißt es in der Zusammenfassung. Mittlerweile habe auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe erklärt, den Rx-Versand verbieten zu wollen, um „traditionelle Apotheken“ zu schützen. Die Bundestagsabgeordneten werden ferner darauf hingewiesen, dass es 2003 bereits ein EuGH-Urteil gab, demzufolge das Arzneimittel-Versandhandelsverbot mit EU-Recht vereinbar ist  – aus Gründen des Gesundheitsschutzes. Allerdings dürfe sich das Versandhandelsverbot nur auf verschreibungspflichtige Medikamente beziehen.

Wenn Preisbindung weg, dann Höchtpreismodell

Das Bundestagsreferat macht die Abgeordneten aber auch darauf aufmerksam, dass der deutsche Gesetzgeber den Rx-Versandhandel im Jahr 2004 trotz des EuGH-Urteils erlaubt hat. Ob ein eventuelles Rx-Versandhandelsverbot juristisch machbar ist, kommentiert das Referat PE3 eher skeptisch: „Inwieweit sich die Streichung dieser Vorschrift auch mehr als zehn Jahre nach dem betreffenden EuGH-Urteil (und entsprechender entgegenstehender Praxis) noch auf die gleichen Rechtfertigungsgründe stützen kann, wäre zu prüfen“, heißt es in dem Papier. Außerdem sei der EuGH in seinem Urteil von 2003 gar nicht auf die Frage der Preisbindung eingegangen. Ebenfalls fraglich sei es, ob die Versandapotheken sich auf nationaler Ebene auf Grundrechte beziehen könnten und das Rx-Versandhandelsverbot dann lange Bestand hätte.

Als zweite Handlungsoption stellen die Bundestagsmitarbeiter den Abgeordneten die Abschaffung der Preisbindung vor. „Eine andere Möglichkeit des Gesetzgebers, auf das EuGH-Urteil zu reagieren, wäre, die deutsche Preisbindung für Rx-Medikamente abzuschaffen und so auch deutschen (Versand-)Apotheken die Möglichkeit zu geben, am Preiswettbewerb teilzunehmen“, heißt es dort. Die Befürworter einer solchen Lösung seien unter anderem die Krankenkassen, die damit ihre Kosten senken wollten. Der Bundestag weist in diesem Zusammenhang darauf hin: „Laut einer 2015 für den GKV-Spitzenverband erstellten Studie liegt das deutsche Arzneimittelpreisniveau über dem  europäischen Durchschnitt.“ Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach habe sich in Medienberichten schon für die Aufhebung der Preisbindung ausgesprochen.

Was passiert aber, wenn die Preisbindung nicht mehr existiert? Dann gäbe es laut Bundestagsverwaltung eine Idee, die die Parkinson-Vereinigung ins Spiel gebracht hatte. Nämlich „die Einführung eines  Systems von Höchstpreisen“. Und weiter: „Aus Sicht der Versandapotheken wäre dies eine den freien Warenverkehr weniger einschränkende Maßnahme.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

RXVV, wie niedlich.

von Christian Timme am 04.11.2016 um 21:55 Uhr



Und es ward und blieb still. Zeit wird unendlich. Wer seinen Frieden bereits gewählt hat, dem fallen noch weitere Friedensakte zu. Weihnachten steht vor der Tür und es wird schon werden ... Apotheker müsste man sein.

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Entweder Rx-Versandhandelsverbot kommt oder Preisbindung fällt

von Anita Peter am 04.11.2016 um 6:05 Uhr

Erinnert an einen Gladiatorenkampf, bei dem einer schon halb tot ( wir Apotheker ) auf dem Boden liegt. Und Gabriel macht jetzt Dauem hoch ( RX Versandverbot ) oder Daumen runter.

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Ach ist das schön,

von Christiane Patzelt am 03.11.2016 um 19:35 Uhr

wenn man überhaupt nicht weiß, was morgen wird. Für einen Unternehmer sind das beste Voraussetzungen, langsam immer mehr Gespenster zu sehen. Meine Angestellten werden ein ganz romatisches Weihnachten haben mit der Prise Spannung, wer bleiben darf und wen ich nicht mehr halten kann.

Ich kenne keinen Unternehmenszweig, der dermaßen der Willkür von aussen unterworfen ist! Jetzt bestimmt über einen kleinen Umweg die dt.Parkinsonvereinigung über mein privates Wohl und Weh...nur zur Erklärung, ich bin Einzelhandelskauffrau und hafte mit meinem kompletten Privatvermögen für meine Apotheke. Das macht zuhause auch richtig gut Stimmung, denn ich habe da auch noch ein paar Kinder....fröhliche Weihnacht überall....Hauptsache der Aktienkurs von DocMorris stimmt und 17 CEO´s können sich noch das 2.Ferienhaus in Florida leisten.

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Alles verpennt!

von Christian Giese am 03.11.2016 um 18:14 Uhr

Wer ein bisschen die Politik kennt, weiss, dass dort komplexere Probleme auf einfachste Entscheiderebenen runtergebrochen werden.
Entscheiderebenen, die auch der Wähler versteht und mit "Wiedergewählt werden" beantwortet. Fakten Check interessiert nicht, sondern nur Stimmungen.
Dies ist viel zuwenig gewürdigt worden, eben alles verpennt!

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Freigabe/Verbot

von Dr.Diefenbach am 03.11.2016 um 17:43 Uhr

Es ist eine Illusion anzunehmen dass die Jungpolitiker auch der CDU ,die ach so "global" denken und genau diese Welt anstreben,sich langfristig für die Apotheke vor Ort stark machen.Ich habe nichts über den Zynismus gelesen,dass wir Notdienst machen sollen,dass wir Rezepturen nach wie vor subventionieren werden,dass Landapotheken ja höhere Preise nehmen können um zu existieren.Ich wundere mich dass der Finanzminister nichts einwendet,wenn ihm große Summen durch externe Versender entgehen.Dass BAK und DAV massive Beitragsprobleme bekommen werden,DAS sehe ich.Wo bleibt der Protest von ADEXA? Tengelmann Mitarbeiter haben große Plattformen in WISO usw.Wir nehmen einen gehässigen Herrn Mihm von der FAZ als Moderator beim Apotag!!!-dafür drischt er bei jeder unpassenden Gelegenheit auf die Pharmazeuten ein.Ach so,dieses Blatt habe ich gerade abbestellt ,spart ca700 Euro pa.Ich kann auch global lesen.UND was ist wenn alles "frei"wird,eigentlich mit dem noch ausstehenden Urteil zu den GH-Konditionen gegenüber Apotheken:DAS ist doch konsequenterweise gut für die Mülltonne.DAS muss ja dann auch alles frei werden.....Oder?

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