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Die ABDA setzt alles auf eine Karte. Nachdem der EuGH geurteilt hat, dass für ausländische Versandapotheken die deutsche
Preisbindung für Arzneimittel nicht gilt, will sie ein Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel durchsetzen. Welche Argumente sprechen dafür?
Der Schock nach dem EuGH-Urteil der vergangenen Woche sitzt zwar tief – doch er lähmt nicht. Die ABDA und viele Apotheken vor Ort, die nun mit ihren Wahlkreisabgeordneten in Kontakt treten, machen sich in der Politik für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln stark. Was spricht für ein solches Verbot?
Zu allererst ist das der EuGH selbst. Am 11. Dezember 2003 sprach dieser sein erstes „DocMorris-Urteil“, in dem es um die Frage ging, ob ein EU-Mitgliedstaat den (grenzüberschreitenden) Versandhandel mit Arzneimitteln verbieten könne. Damals entschied der Gerichtshof: Ein nationales Versandhandelsverbot für Arzneimittel schränke zwar den freien Warenverkehr ein – soweit es sich aber auf verschreibungspflichtige Arzneimittel beziehe, könne dies nach den Grundsätzen für einen wirksamen Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sein. Ein absolutes Versandverbot, das auch nicht verschreibungspflichtige in Deutschland zugelassene Arzneimittel umfasst, könne hingegen nicht über den Gesundheitsschutz gerechtfertigt werden.
Und selbst auf Marcej Szpunar, den Generalanwalt im jüngst abgeschlossenen Verfahren zur Preisbindung, lässt sich verweisen. Selbst wenn er dem Gericht empfohlen hat, so zu entscheiden, wie es nun geschehen ist. In seinen Schlussanträgen stellte er sich ganz zum Schluss durchaus die Frage: „Kann man ein solches [Versandhandels-]Verbot befürworten und zugleich eine Maßnahme für nicht geeignet halten, die aus der Sicht des Binnenmarkts das ‚kleinere Übel‘ darstellt?“ Szpunars Antwort lautete: „Ja, man kann“. Seine Begründung: Habe sich ein Mitgliedstaat aus „freien Stücken“ für die Zulassung des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln entschieden, so unterliege diese Maßnahme als solche der Überprüfung auf Geeignetheit, Kohärenz und Stimmigkeit.
Ferner würde ein Rx-Versandverbot die jetzt bestehende Inländerdiskriminierung beenden. Jede Versandapotheke, ob im In- oder Ausland, dürfte nur noch rezeptfreie Arzneimittel verschicken. Für diese gilt ohnehin keine Preisbindung. Es gelten also gleiche Bedingungen für alle.
Auch die faktischen Begebenheiten in Europa sprechen für ein Verbot. Der Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten ist in der überwiegenden Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten nicht erlaubt. Lediglich sieben von 28 Ländern erlauben den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Neben Deutschland sind dies laut ABDA Dänemark, Estland, Finnland, die Niederlande, Schweden und Großbritannien.
Es ist einfach und schnell umzusetzen: Ein Versandhandelsverbot ließe sich in einem der laufenden Gesundheitsgesetzgebungsverfahren, etwa zum ArzneimittelVersorgungsstärkungsgesetz, durch eine Änderung des § 43 Arzneimittelgesetz implementieren. Andere Ideen, etwa die Honorarstrukturen für Apotheker ganz anders zu gestalten, wären weitaus komplizierter umzusetzen. Zudem würden sie voraussichtlich wegen des laufenden Forschungsgutachtens des Bundeswirtschaftsministeriums zur Arzneimittelpreisverordnung in der laufenden Legislaturperiode keine Chance mehr haben.
Es würde helfen, dass die patientennahe Versorgung durch Apotheken vor Ort gesichert bleibt. Die deutschen Apotheken müssten nicht fürchten, dass Rezepte, nicht zuletzt mit hochpreisigen Arzneimittelverordnungen, an niederländische Versandapotheken abwandern. Dieses Rosinenpicken, das den deutschen Apotheken Gemeinwohlaufgaben wie Notdienste oder Rezepturen allein überlässt, könnte so mancher Apotheke die Existenzgrundlage nehmen. Mit einem Versandhandelsverbot bliebe es hingegen bei stabilen Rahmenbedingungen.
Versicherte werden nicht animiert, auf Rezept Geld zu verdienen. Wer heute zuzahlungsbefreit ist und ein hochpreisiges Arzneimittel braucht, kann dafür bis zu zehn Euro pro verordnetem Arzneimittel einstreichen. „Das wäre eine Perversion des Systems, das dafür sorgt, dass jeder Kranke unabhängig von seinem Einkommen die notwendigen Arzneimittel aus der Apotheke seiner Wahl erhält“, heißt es dazu seitens der Standesvertretung der Apotheker.
Ein Rx-Versandverbot kann auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden – auch wenn Juristen hier unterschiedlicher Auffassung sind. Eingreifen würde es zwar in die Grundrechte auf Berufsfreiheit und Eigentum. Doch das ist in bestimmten Grenzen zulässig. Dabei ist zu beachten, dass der Rx-Anteil der Versandapotheken gegenwärtig noch sehr gering ist. Auch handelt es sich nicht um ein Berufsverbot, sondern „nur“ um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, die aus vernünftigen Gründen des Gemeinwohls eingeschränkt werden kann.
Zudem hat das Rx-Versandverbot auch politisch gute Chancen. Bundestagsabgeordnete der Union haben sich bereits klar dafür ausgesprochen. Und mit der Linken ist auch die größte Oppositionsfraktion im Parlament ausdrücklich dafür. Zudem machen die Länder mobil: Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) hat eine Bundesratsinitiative zum Rx-Versandverbot angekündigt. Die Gesundheitsministerien von Hessen und NRW sind bereit, diese zu unterstützen. Andere Länder prüfen die Lage noch und wollen sich bislang nicht festlegen. Ein klares Nein ist aber nicht zu hören.
Und es gibt ein weiteres politisches Argument: Die Regierungskoalition will Online-Arztpraxen
wie DrEd das Handwerk legen. Mit dem 4. AMG-Änderungsgesetz will sie im
Arzneimittelgesetz klarstellen, dass die Abgabe eines verschreibungspflichtigen
Arzneimittels in der Apotheke nur dann erfolgen darf, wenn das Rezept nach
einem persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patient ausgestellt wurde. Die
Londoner „Arztpraxis“ DrEd hat bereits angekündigt, wie sie diese neue Regelung
unterbinden will: Die Rezepte sollen künftig an ausländische Versandapotheken
gehen, die dann deutsche Kunden beliefern. Will Minister Hermann Gröhe das
Phänomen DrEd also wirklich wirksam eindämmen, muss das Rx-Versandverbot
kommen.
6 Kommentare
Internet verschlafen
von R.S. am 05.11.2018 um 13:13 Uhr
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Apotheken-Hasser
von Uwe ietze am 28.10.2016 um 12:48 Uhr
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RX Versandverbot
von Klaus.P am 28.10.2016 um 8:35 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: RX Versandverbot
von Helge Killinger am 28.10.2016 um 12:00 Uhr
RX Versandverbot
von Klaus P. am 28.10.2016 um 5:54 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: RX Versandverbot
von Thomas Brongkoll am 28.10.2016 um 8:09 Uhr
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