- DAZ.online
- News
- Politik
- Liegt die Lösung im ...
Nach dem EuGH-Urteil
Liegt die Lösung im Rahmenvertrag?
Nachdem der EuGH geurteilt hat, dass ausländische Arznei-Versender nicht an die deutsche Preisbindung für Arzneimittel gebunden sind, weisen Experten nun auf eine bisher nicht beachtete Regelung im Rahmenvertrag hin.
Die ABDA hat sich auf ihren „Plan B“ festgelegt: Als Reaktion auf das Urteil aus Luxemburg, dass Deutschland ausländischen Arzneimittelversendern Boni und Preisnachlässe nicht verbieten darf, will sie ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erreichen. Doch nicht jeder hält diese Forderung für realistisch. Für die Geschäftsführer des Arzneimittelimporteurs Kohlpharma, Jörg Geller, und der Apothekenkooperation Avie, Dominik Klahn, gehört das Versandverbot ins „Land der Träumerei“. Dabei sei das Verbot gar nicht nötig, denn die Lösung für die Wettbewerbsverzerrung ist in ihren Augen im Arzneimittel-Rahmenvertrag zu finden, wie sie gegenüber DAZ.online erklärten.
Rahmenvertrag fordert Einhaltung der Preisbindung
Im „Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung“ zwischen DAV und GKV-Spitzenverband heißt es nämlich im § 2b, der den Beitritt ausländischer Apotheken zum Rahmenvertrag regelt: „Für Abrechnungen unter den Voraussetzungen nach Satz 1 gelten die Preisvorschriften nach § 78 Arzneimittelgesetz sowie § 7 Heilmittelwerbegesetz (sog. Rabattverbot).“ Der erwähnte § 78 AMG ist die Grundlage für die Arzneimittelpreisverordnung, in ihm ist geregelt, dass die Preisspannen vom Bundeswirtschaftsministerium festgelegt werden. Er enthält auch die Feststellung, dass die deutschen Preisregelungen auch für ausländische Versender gelten, wenn sie Arzneimittel nach Deutschland liefern.
„Eine Rabatt- oder Bonigewährung ist damit ein Verstoß gegen den Rahmenvertrag“, so Geller. Denn alle relevanten ausländischen Versandapotheken, die nach Deutschland liefern, sind dem Rahmenvertrag freiwillig beigetreten, um mit den deutschen Krankenkassen abrechnen zu können. Sie hatten sich diesen Beitritt sogar vor dem Bundessozialgericht erstritten. Die Geltung des deutschen Preisrechts ergibt sich für Geller und Klahn also aus einer freiwilligen vertraglichen Verpflichtung. Gegen Verstöße könnten zwar Wettbewerber nicht vorgehen, sehr wohl aber die Vertragspartner. Laut Rahmenvertrag drohen dann Verwarnungen, Vertragsstrafen bis zu 25.000 Euro oder Ausschluss des Apothekenleiters von der Versorgung für bis zu zwei Jahre.
Unabhängig von Geller und Klahn geht auch die Kölner Rechtsanwältin Dr. Sabine Wesser davon aus, dass ausländische Versandapotheken, die aufgrund ihres Beitritts zum Rahmenvertrag an der GKV-Versorgung teilnehmen, an die rahmenvertraglichen Vorgaben und damit an die Preisvorschriften nach § 78 AMG sowie das Heilmittelwerbegesetz gebunden sind. Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts dürfte hier nicht zum Zuge kommen, weil das Gemeinschaftsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt lasse.
Sollte die rahmenvertragliche Preisregelung nicht eingreifen, dürften laut Wesser die ausländischen Versandapotheken so lange keine Arzneimittel zulasten der GKV abgeben, wie sie nicht mit den Krankenkassen Preisvereinbarungen getroffen haben. Denn gemäß § 3 RahmenV dürfen nur solche Arzneimittel zulasten der gesetzlichen Kassen abgegeben werden, deren Preis entweder durch gesetzliche oder vertragliche Regelungen bestimmt oder zwischen Apotheke und Krankenkasse vereinbart ist.
Einzelverträge eher ungefährlich
In gesonderten vertraglichen Vereinbarungen nach § 140e SGB V zwischen den ausländischen Versandapotheken und (einigen) gesetzlichen Krankenkassen sehen weder Geller/Klahn noch Wesser die akute Gefahr grundlegender Marktveränderungen. Alle drei gehen davon aus, dass in einem solchen Fall die Krankenkasse die Preisnachlässe für sich fordern würde. Für die Gewährung eines Bonus direkt an den Versicherten bliebe dann wohl kein finanzieller Spielraum. Doch damit würde das entscheidende „Lockmittel“ für die Versender wegfallen. Und die Kasse kann ihre Versicherten nicht zum Bestellen bei einer bestimmten Apotheken zwingen, betont die Rechtsanwältin Wesser: „Das Recht zur freien Apothekenwahl nach § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V steht dem entgegen. Und ob die Krankenkassen ihren Versicherten wirtschaftliche Anreize anbieten können, damit diese sich von den ‚wirtschaftlicheren‘ Apotheken versorgen lassen, ist auch fraglich. Denn in den Arzneimittellieferverträgen ist meist vorgesehen, dass die Krankenkassen ihre Versicherten nicht zugunsten bestimmter Apotheken beeinflussen dürfen.“
Was ist mit dem Herstellerabschlag?
Geller weist noch auf einen weiteren Punkt hin: Auch bei der Erstattung der Herstellerrabatte gebe es eine Verpflichtung zur Beachtung deutscher Preisregelungen. Für zulasten der GKV abgegebene Arzneimittel ohne Festbetrag muss der Hersteller der Krankenkasse einen Zwangsrabatt gewähren, den Herstellerabschlag. Dieser wird der Apotheke bei der Bezahlung des Arzneimittels abgezogen, die Apotheke bekommt ihn vom Hersteller erstattet. Für Geller ist ganz klar, dass die Hersteller durch das EuGH-Urteil nicht mehr verpflichtet sind, diese Erstattung an ausländische Apotheken zu leisten, wenn sich diese nicht an die AMPreisV halten. Das habe das Bundesozialgericht bereits 2008 entschieden – damals hatten ausländische Versandapotheken Boni und Nachlässe gewährt. Unter den jetzigen, neuen Vorzeichen gelte diese Regelung wieder, „daran ändert auch ein freiwilliger Beitritt zum Rahmenvertrag nichts“.
Wesser verweist in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach ausländische Versandapotheken, die einen „Herstellerrabatt“ gewähren, zu dem sie nicht aufgrund des Beitritts zum Rahmenvertrag verpflichtet sind, sondern zu dem sie sich „freiwillig“ über eine entsprechende (Einzel-)Vereinbarung mit einer Krankenkasse verpflichtet haben, sich diesen Rabatt nicht beim Hersteller zurückholen können. Das Bundessozialgericht habe wiederholt, zuletzt im Jahr 2013, darauf hingewiesen, dass eine Apotheke nur durch Beitritt zum Rahmenvertrag die Rechtsstellung erwerben könne, die ihr einerseits auf gesetzlicher Grundlage Vergütungsansprüche gegen die Krankenkassen vermittle und sie andererseits durch die Pflichten zur Leistung von Apotheken- und Herstellerabschlag hoheitlich belaste beziehungsweise in den Dienst nehme. Das Gericht benenne in diesem Zusammenhang mehrere Möglichkeiten, wie sich ausländische Versandapotheken an der Versorgung GKV-Versicherter beteiligen könnten. Danach ist eine mögliche Versorgungsform die Belieferung der Versicherten auf Rechnung und deren Verweis auf Kostenerstattung gegen die Krankenkasse. Dies kann gegebenenfalls mit einer zwischen Versandapotheke und Krankenkasse getroffenen „Abrechnungsvereinbarung“ verbunden sein, die eine unmittelbare Abrechnung ermöglicht, sodass die Versicherten nicht in Vorleistung treten müssen. Diese Möglichkeit habe für die ausländischen Versandapotheken unter anderem den Vorteil, keinen gesetzlichen Abschlagspflichten zu unterliegen. Eine weitere Möglichkeit sei die Einbindung in das leistungserbringungsrechtliche System des SGB V, das heißt die Teilnahme am Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Regime des § 129 SGB V. Dies erfordere bei ausländischen Apotheken den Beitritt zum Rahmenvertrag. Dabei sei durch dessen Gestaltung sicherzustellen, dass in- und ausländische Apotheken gleich behandelt würden. Und schließlich könne die ausländische Apotheke unmittelbare vertragliche Beziehungen zu den beteiligten Krankenkassen aufnehmen.
Rechtsanwältin Wesser betont, dass das Bundessozialgericht eine Kumulation der Vorteile verschiedener Versorgungsformen im Wege der „Rosinenpickerei“ ausdrücklich ausschließe. Bei einer Versorgung von GKV-Versicherten aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung hat die ausländische Apotheke also nicht die Möglichkeit, sich einen der Krankenkasse gewährten „Herstellerabschlag“ beim Hersteller zurückzuholen. „Damit“, so Wesser, „dürfte es den Kassen weitgehend möglich sein, Wirtschaftlichkeitsreserven der ausländischen Versandapotheken, die jene gerne zum Anlocken von Patienten einsetzen würden, abzugreifen.“
Und was ist mit der PKV?
Für privat bezahlte Arzneimittel gelten die Vorgaben des Rahmenvertrages nicht. Hier sieht Avie-Geschäftsführer Klahn aber ein ganz anderes Problem: Wenn die Patienten die Boni gegenüber ihrer Versicherung verschweigen, könnten sie sich dem Vorwurf des Betrugs aussetzen. Geben sie sie dagegen korrekt an, verliert der Bonus wieder seine Lockfunktion – denn die Versicherung würde ihre Erstattung um den entsprechenden Betrag kürzen, ist sich Klahn sicher.
23 Kommentare
EuGH-Urteil hebt Preisbindung für Medikamente auf
von Maik Preußner am 27.10.2016 um 14:33 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Gute Gedanken
von Ivo Profen am 27.10.2016 um 10:51 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Richtig
von dr.c.m.klotz am 26.10.2016 um 22:03 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Solidarprinzip
von Werner Rusberg am 26.10.2016 um 22:02 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Solidarprinzip
von Michael Völter am 27.10.2016 um 20:00 Uhr
Lösungs-Optionen
von Uwe Hüsgen am 26.10.2016 um 20:45 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten
AW: Geheimniskrämerei
von dr.c.m.klotz am 27.10.2016 um 0:17 Uhr
AW: Lösungs-Optionen/Geheimniskrämerei
von Uwe Hüsgen am 27.10.2016 um 9:33 Uhr
AW: das Bild nicht verstanden
von dr.c.m.klotz am 27.10.2016 um 12:28 Uhr
Die ....
von gabriela aures am 26.10.2016 um 20:37 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Was meinen die ABDA-Juristen?
von G. Wagner am 26.10.2016 um 19:20 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Was meinen die ABDA-Juristen
von Heiko Barz am 27.10.2016 um 11:47 Uhr
Interessanter Ansatz
von Norbert Peter am 26.10.2016 um 19:12 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Interessanter Ansatz
von Norbert Peter am 26.10.2016 um 23:21 Uhr
Neuer Blickwinkel
von Ulrich Ströh am 26.10.2016 um 17:51 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Neuer Blickwinkel
von Daniela Klahn am 26.10.2016 um 18:53 Uhr
so läufts
von Erik Modrack am 26.10.2016 um 17:23 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Herstellerabschlag entscheidend
von Dr. Thomas Müller-Bohn am 26.10.2016 um 17:20 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Herstellerabschlag entscheidend
von Bernd Jas am 27.10.2016 um 13:02 Uhr
Potential
von Daniela Klahn am 26.10.2016 um 17:08 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Oh Mann....
von gabriela aures am 26.10.2016 um 16:44 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Oh Mann
von Frank Zacharias am 26.10.2016 um 17:33 Uhr
AW: Oh Mann
von Karl Friedrich Müller am 26.10.2016 um 19:08 Uhr
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.