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Um die bestehende Arzneimittelpreisverordnung nach dem EuGH-Urteil zu bewahren, wird Rückhalt in der Öffentlichkeit nötig sein. Argumente, mit denen verständlich für diese Position geworben werden kann, stellt Thomas Müller-Bohn vor.
Als Reaktion auf das EuGH-Urteil zur Preisbindung setzt die ABDA auf die Politik. Nicht zuletzt weil sich die Politiker ihren eigenen Handlungsspielraum erhalten wollen, sollten sie dafür sorgen, dass das Urteil das deutsche Arzneimittelversorgungssystem nicht sprengt. Dies in der Öffentlichkeit durchzusetzen, will die ABDA zunächst aber vorrangig der Politik überlassen. Zu groß ist offenbar die Furcht, dass viele Menschen meinen, die Apotheker würden hier um ihre Pfründe kämpfen. Doch wenn die Politik ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel durchsetzen will, braucht sie das Verständnis der Öffentlichkeit. Es gibt keinen anderen Weg, als immer und bei jeder Gelegenheit zu erklären, welche enormen Schäden für die Arzneimittelversorgung drohen. Doch wie lassen sich die komplizierten Zusammenhänge erklären? Die folgenden Ideen sollten dabei helfen.
Erstens sollte betont werden, dass die GKV-Patienten die fraglichen Preise gar nicht zahlen, sondern eine Zuzahlung, die der Gesetzgeber als sozialpolitisches Steuerungsinstrument beschlossen hat. Der EuGH mischt sich also in die deutsche Sozialpolitik ein und erklärt, dass diese die ausländischen Anbieter nicht betrifft. Das ist etwa so, als sollte die Straßenverkehrsordnung für ausländische Autofahrer nicht gelten. Als Begründung könnte angeführt werden, dass sie schon die lange Anreise nach Deutschland hinter sich haben und darum hier nicht zusätzlich drangsaliert werden sollten. Jeder sollte erkennen, dass das Unsinn ist und zu Chaos auf den Straßen führen würde. Bezogen auf die Arzneimittel könnte dies dazu führen, dass Versicherte, die von der Zuzahlung befreit sind, Geschäfte mit ihren Rezepten machen und Boni dafür kassieren, dass sie Arzneimittel erhalten.
Zweitens geht das Geld, das insgesamt für Arzneimittel ausgegeben wird, zum größten Teil an die Hersteller und nicht an die Apotheken. (Der hohe Anteil der Apothekenmarge bei Niedrigpreisern ist politisch gewollt, entscheidend sind die Summen im System.) Die relevanten Preisanstiege bei Arzneimitteln beruhen auf den Hochpreisern und nicht auf der Apothekenmarge. Der EuGH gibt also vor ein Problem zu lösen, das allerdings gar nicht existiert. Die Apotheken erbringen ihre Leistungen weitgehend zu Preisen von 2002 mit einem Mini-Inflationsausgleich. Es gibt bei den Apotheken keine Zuwächse, die abzuschöpfen wären. Schlimmstenfalls droht die freie Preisbildung auf Apothekenebene sogar die wirksamen Preisbildungsinstrumente zwischen Herstellern und Krankenkassen auszuhebeln. Dann würden die Arzneimittel teurer statt billiger.
Und drittens ist zu befürchten: Wenn viele Chroniker ihren planbaren Bedarf bei wenigen besonders preisgünstigen Apotheken oder Versendern decken würden, bliebe für die übrigen Apotheken nur die Eilversorgung in Akutfällen. Dies würde noch mehr verschärft, wenn Krankenkassen selektive Verträge mit Apotheken schließen. Im Gegensatz zum EuGH dürften sich die meisten Menschen vorstellen können, dass damit nur noch große Apotheken an zentralen Standorten bestehen könnten. Die persönliche und wohnortnahe Versorgung, die die Patienten heute schätzen, wäre so nicht finanzierbar.
Letztlich muss eines klar werden: Es geht darum, ob die Arzneimittelversorgung in ihrer bekannten und bewährten Form mit wohnortnahen Apotheken bestehen bleibt.
Politikern,
Journalisten, Patienten und allen anderen, die dieses komplizierte System
besser verstehen möchten, können Sie dann das von mir verfasste Buch „Das
Prinzip Apotheke“ empfehlen.
1 Kommentar
AW. Müller - Bohn
von Heiko Barz am 21.10.2016 um 12:03 Uhr
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