Anti-Korruptionsgesetz

Dürfen Apotheker Blutzuckermessgeräte umsonst annehmen?

Berlin - 20.07.2016, 12:47 Uhr

Blutzuckermessgeräte - kostenlos sollten Apotheken sie lieber nicht an Patienten abgeben. (Foto: Schelbert)

Blutzuckermessgeräte - kostenlos sollten Apotheken sie lieber nicht an Patienten abgeben. (Foto: Schelbert)


Welche Fallstricke drohen Apotheken – und wie sind sie zu umgehen?

Nachdem einigen Ärzten Zweifel kommen, ob sie sich mit dieser Praxis vielleicht strafbar machen, gibt es nun offenbar mindestens einen Hersteller, der die Geräte lieber nicht mehr an Ärzte, sondern nur noch an Apotheken weitergibt. Das wirft nun auch bei den Apothekern die Frage auf: Könnte es nach dem neuen Recht strafbar sein, wenn sie die Blutzuckermessgeräte annehmen und an Patienten weitergeben?

Es kann sicherlich als Bestechung (§ 299b StGB) gewertet werden, wenn ein Apotheker die geschenkten Geräte an einen Arzt weitergibt, der sie wiederum Patienten schenkt und sie für den Erwerb der Teststreifen auf diese bestimmte Apotheke verweist. Doch wie realitätsnah diese Konstellation ist, sei dahingestellt.

Nimmt der Apotheker die Geräte an, um sie selbst an Patienten weiterzugeben, wird es hingegen schwer, den Tatbestand der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (§ 299a StGB) auszufüllen. Im Zusammenhang mit dem Bezug von Arzneimitteln und Medizinprodukten wurden die neuen Straftatbestände für Apotheker stark eingeschränkt – im Gesetzentwurf sah dies zunächst noch anders aus. Strafbar könnte der Apotheker nur sein, wenn er einen Vorteil dafür annimmt, dass er „bei dem Bezug von (…) Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind“ einen anderen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt. Doch die Blutzuckermessgeräte wendet der Patient selbst an. Die Tatbestandsvariante passt also nicht – und alle anderen erst recht nicht.

Doch selbst wenn eine Korruptionsstrafbarkeit nicht unterstellt werden kann – Apotheken, die Blutzuckermessgeräte unentgeltlich annehmen und dann an Kunden weiterverschenken, können unter Umständen dennoch gegen bestehendes Recht verstoßen.

Insbesondere ein Verstoß gegen § 7 Heilmittelwerbegesetz – das Zuwendungsverbot – ist hier naheliegend. Werden etwa die Teststreifen verkauft und das passende Gerät kostenlos dazu abgegeben, ist dies keine geringwertige Zugabe mehr, die ausnahmsweise noch zulässig wäre. Das ist auch der Fall, wenn diese Zugabe beim Kauf von Arzneimitteln gewährt wird. Geht es dabei um verschreibungspflichtige Arzneimittel, kann man sogar daran denken, ob es sich möglicherweise um einen unzulässigen Rx-Bonus handelt.

Eine sicherere Variante dürfte es sein, Gerät und Teststreifen gemeinsam zu einem Aktionspreis zu verkaufen. Wer aber eine wirklich saubere Lösung will, sollte dem Arzt raten, dass er dem Patienten ein Blutzuckermessgerät verordnet und die Genehmigung der Krankenkasse hierfür einholt. Für die Kassen ist dies natürlich die teurere Variante. Möglicherweise hat sich die unentgeltliche Abgabe der Geräte deshalb auch geräuschfrei in der Praxis etabliert – und kann dort künftig bestehen bleiben. Wegen des neuen Korruptionsstrafrechts müssen Apotheken jedenfalls nicht alarmiert sein. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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6 Kommentare

Blutzucker Messgeräte und Teststreifen

von Evelyn Hoffmann am 22.06.2019 um 20:22 Uhr

Diese beiden Dinge gehören einfach zusammen und können für einen Diabetiker lebenswichtig sein. Ich muss sogar zu einem Untersuchungstermin in der Endokrinologie in der renommierten Charité Virchow Klinikum mein Gerät mitbringen. Dazu kann ich nur sagen: Wo ist das Gesundheitssystem in unserem "Sozialstaat" gelandet. Ich habe 47 Arbeitsjahre Höhe KV Beiträge in erheblicher Höhe eingezahlt-was habe ich jetzt als Rentnerin davon??? Ich finde diese Regelung unmöglich und werde mich Mal an meine Krankenkasse wenden. Leider ist ja die Qualität und die Dauer der Funktionsfähig nicht für die Ewigkeit. Logisch wie bei vielen Waren, schließlich will ja der Herstellert Profit machen. Grundsätzlich ist zu sagen: Man kann garnicht mehr so viel essen wie man sich übergeben möchte!!!

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Apotheker dürfen Blutzuckermessgeräte umsonst annehmen und umsonst an Patienten weitergeben!

von Andreas P. Schenkel am 28.07.2016 um 22:25 Uhr

Bei der Annahme kostenloser Blutzuckermessgeräte durch Apotheker, die diese dann ebenfalls kostenlos an ihre Kunden weiterreichen, handelt es sich um einen legalen Vorgang.
A) Wie in obigem Artikel bereits festgestellt: Ein Verstoß gegen §299a StGB ist nicht gegeben, da der Apotheker keinen Vorteil aus der Annahme der Blutzuckermessgeräte erhält, da er ja die Blutzuckermessgeräte ebenfalls kostenlos weitergibt, also ohne Gewinn. Dieser "Vorteil", hier nicht vorhanden, wäre jedoch eine Voraussetzung für die Strafbarkeit nach §299a StGB.
B) Ebenso im obigen Artikel geklärt: Ein Verstoß gegen §299b StGB kommt ebenso nicht in Betracht, da der Apotheker die Blutzuckermessgeräte nicht an einen "Angehörigen der Heilberufe im Sinne des §299a StGB" weitergibt, zumindest bei der lebensnah anzunehmenden Direkt-Abgabe an den Kunden/Patienten.
C) Die kostenlose Weitergabe eines kostenlos erhaltenen Blutzuckermessgeräts ist aber auch kein Verstoß gegen § 7 HWG. So lässt es diese Rechtsnorm (exakte Fundstelle § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HWG) zu, dass ein Fachkreisangehöriger (z.B. Apotheker) Zuwendungen u.a. annehmen und [..] gewähren darf, wenn es sich um handelsübliches Zubehör zur Ware handelt. Das Blutzuckermessgerät ist in diesem Sinne ein handelsübliches Zubehör zu den Blutzuckerteststreifen, da die Nutzung der Teststreifen nur durch den Einsatz des Messgeräts möglich ist. Auch werden die Teststreifen, da nicht wiederverwendbar, sehr häufig gekauft, das Messgerät jedoch nur sehr selten (i.d. Regel nach einem Geräte-Defekt) ausgetauscht, was die Zubehör-Eigenschaft zusätzlich unterstreicht. Demnach besteht bei der kostenlosen Weiterreichung von kostenlos erhaltenen Blutzuckermessgeräten keine Gefahr eines Rechtsverstoßes, weder gegen das Strafgesetzbuch noch gegen das Heilmittelwerbegesetz.

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AW: "legaler Vorgang" im Lichte des § 7 HWG..?

von Patrik Müller Hofstede am 02.08.2016 um 11:40 Uhr

Sehr geehrter Herr Schenkel,

Ihre Einschätzung betreffend Punkt c) (kostenlose Weitergabe des Testgerätes durch den Apotheker an seinen Kunden) muß im Lichte des § 7 HWG hinterfragt werden. Die Tatsache, daß ein Produkt häufig, das andere aber selten gekauft wird, macht das eine nicht zum Zubehör des anderen oder umgekehrt. Die Rechtsprechung hat insoweit zur ZugabeV, deren Tatbestände nahezu wortgleich in das HWG übernommen worden sind, bereits in den 60er und 70er Jahren Kriterien entwickelt, was "Zubehör" ist - und vor allem wann dieses (Achtung: 2. Tatbestandsmerkmal der Ausnahme!!) als "handelsüblich" zu gelten hat. Dieses Kriterium beleuchten Sie in Ihrem Beitrag nicht. Ohne Kenntnis der Preise ist das aus meiner Sicht auch schwierig, denn der Wert der Zuwendung entscheidet mit über seine Einstufung als "handelsüblich" im Sinne des § 7 HWG.

Fraglich wäre schon im Hinblick auf die Zubehör-Eigenschaft, was der durchschnittlich informierte und verständige Endkunde eigentlich benutzen will - das Testgerät oder den Teststreifen (das Gerät liegt hier aus meiner Sicht näher). Zwei Gegenstände können nicht wechselseitig als Zubehör des anderen gelten. Gegen eine Zubehöreigenschaft des Geräts spricht m.E. auch, daß es sich bei den Teststreifen im Verhältnis zum Gerät um Verbrauchsmaterial handelt - klassisches Zubehör, wenn Sie mich fragen.

Letztlich wird ein Gericht entscheiden. Die Rechtsprechung zum Zuwendungsverbot des HWG ist in den letzten Jahren sehr strikt und unnachgiebig geworden. Bei Werbung für Arzneimittel und Medizinprodukte ist heute äußerste Vorsicht geboten. Zum Thema HWG besteht gemeinhin viel Nachholbedarf, nicht erst seit der Verschärfung der Rechtslage durch das Strafrecht. Das Zuwendungsverbot wurde lange Zeit von der Gesundheitsbranche ignoriert. Abschließend möchte ich auf die einschlägigen Veröffentlichungen der Wettbewerbszentrale auf deren Webseite aufmerksam machen, die regelmäßig über erfolgreiche Abmahnverfahren gegen Apotheker berichtet.

Mit freundlichem Gruß
Patrik Müller Hofstede

AW: AW: @Patrik Müller Hofstede / Tja, Zubehör ...

von Andreas P. Schenkel am 02.08.2016 um 20:16 Uhr

Sehr geehrter Herr Hofstede,

vielen Dank für Ihre durchaus erhellende Replik. Die Preise sowohl von Blutzuckermessgeräten als auch von deren Teststreifen sind ohnehin schwer einzuschätzen, es befinden sich im Markt auch recht günstige Teststreifen-Angebote, die jedoch über unsere pharmazeutischen Großhändler in der großen Mehrzahl nicht lieferbar sind; die wenigen lieferbaren sind jedoch bislang nicht gängig, ermöglichen aber ein Preisniveau, das in etwa die Hälfte des bisher üblichen beträgt. Allerdings sind ja gerade jüngst die sehr sehr billigen Geräte und Streifen beim Discounter zurückgerufen worden, wohl wegen allzu niedriger Qualität, wie es scheint.

Zur Frage der Nutzung: Die Nutzung ist nur in Kombination möglich, insofern benutzt der Verwender nicht entweder das eine oder das andere, sondern beides. Die Eigenschaft der Teststreifen als Verbrauchsmaterial macht sie nicht automatisch zum Zubehör. Analog wäre bei einem Kombinationsangebot aus Verbandmull und einer Mullschere dann ja der Verbandmull das Zubehör und die Schere nicht, das klingt nicht besonders lebensnah in meiner Einschätzung.

Was aber deutlich für meine Einschätzung des Blutzuckermessgeräts als das Zubehör der Teststreifen spricht, ist die schiere Naturwissenschaft. So befindet sich auf den Teststreifen das Enzym-Testfeld, das die Glucose zu einem elektrochemisch messbaren Produkt umsetzt. Auch die Messelektroden befinden sich auf dem Teststreifen. Das "Messgerät", wenn man es denn so nennen will, stellt den Strom (eine definierte Spannung) bereit, wertet die Stromstärke aus, ermittelt anhand einer simplen Kalibriergeraden die Blutglucose-Konzentration und gibt auf einem Bildschirm den Wert an den Benutzer aus. Sowohl die Anzahl der stattfindenden Aktionen (enzymatische Umsetzung: wohl ein paar 100.000 bis Millionen einzelne Enzymreaktionen) als auch die dahintersteckende technische Aufwendigkeit sprechen für die Argumentation, dass das "Messgerät" das Zubehör im Sinne eines Grundrechenarten-fähigen Bildschirms ist.

Weiterhin ist es der Zweck des HWG, den Verbraucher (i.S.d. Nicht-Fachkreise-Angehörigen n. § 2 HWG) vor unangemessener Beeinflussung durch heilberufliche Werbung sowie durch Zuwendungen der Heilberufler zu bewahren. Die kostenlose Abgabe eines Blutzuckermessgeräts ist für den Verbraucher ja nicht zwangsläufig mit dem künftigem ausschließlichen Erwerb der Teststreifen in der jeweiligen Apotheke verknüpft, denn die Teststreifen "Zuckerspiegel 3000" der anderen Apotheke passen ja in das Gerät "Zuckerspiegel 3000" der einen Apotheke. Der Verbraucher könnte also in die Adler-Apotheke gehen, das kostenlose Aktions-Gerät abstauben und dann schnurstracks weiter zur Geier-Apotheke, um sich dort das Supersonder-Angebot mit den Teststreifen holen. Dementsprechend ist die unangemessene Beeinflussung des arglosen Verbrauchers durch die kostenlos stattfindende Abgabe hier zu verneinen.

Mit besten Grüßen

Andreas P. Schenkel

Testgeräte verkaufen?

von kay am 21.07.2016 um 7:31 Uhr

Der workaround des Bundleverkaufes dürfte daran scheitern, ebenso die Abgabe zu Lasten der Kasse, dass auf allen Geräten steht: unverkäufliches Testgerät
Im Übrigen ist ein zweiter grosser Hersteller inzwischen auch auf die Apotheken eingeschwenkt.

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Antwort

von Karl Friedrich Müller am 20.07.2016 um 22:50 Uhr

Ja

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