Beratungs-Quickie

Insulinpflichtiger Diabetes mellitus

München / Stuttgart - 14.07.2016, 09:20 Uhr

Weil der Urin von Diabetikern süß schmeckt, war dies früher eine bewährte Methode zur Diagnose und auch namensgebend von Diabetes mellitus – der „honigsüßen Harnruhr”. (Foto: Dani Vincek / Fotolia)

Weil der Urin von Diabetikern süß schmeckt, war dies früher eine bewährte Methode zur Diagnose und auch namensgebend von Diabetes mellitus – der „honigsüßen Harnruhr”. (Foto: Dani Vincek / Fotolia)


Welche Informationen sind bei einem Beratungsgespräch in der Apotheke für den Patienten wichtig? Welche hilfreichen Tipps kann der Apotheker zu Arzneimitteln und Therapien geben? Im Beratungs-Quickie stellen wir jeden Donnerstag einen konkreten Patientenfall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung über Insulin Fertigpens und Lanzetten für eine ältere Dame, die an Diabetes mellitus leidet.

Formalien-Check

Die Kundin möchte ihr Rezept einlösen und auch den Blutzucker messen lassen, da sie das Rezept nur kurz vom Arzt geholt hat. 

Darf nicht zusammen: Arzneimittel und Hilfsmittel auf einem Rezept.

Verordnet sind 6 x 3 Insulin Lantus® SoloStar® Fertigpens und 100 Stück Microlet® Lanzetten.

Die gleichzeitige Verordnung von Arzneimitten und Hilfsmitteln auf einem Rezept ist nicht erlaubt. Die Belieferung von Hilfsmitteln ist nur dann möglich, wenn die Apotheke dem Hilfsmittelliefervertrag mit dem jeweiligen Kostenträger beigetreten ist. Die Apotheke muss für die Lanzetten ein neues Hilfsmittelrezept anfordern. Dieses muss im Statusfeld sieben gekennzeichnet sein, die Diagnose und – bei Hilfsmitteln zum Verbrauch – den Versorgungszeitraum enthalten. Auf der vorliegenden Verordnung ist das Hilfsmittel zu streichen, und die Apotheke beliefert hier das Arzneimittel.

Aut idem ist nicht angekreuzt. Ist ein anderes Arzneimittel als das verordnete Insulin-Präparat Rabattartikel, sollten pharmazeutische Bedenken geltend gemacht werden. Preisgünstige Importe wären zu beachten, sind jedoch nicht vorhanden. Abzugeben ist eine Packung Lantus® SoloStar® mit fünf Fertigpens zu je 3 ml, Packungsgröße N1. Das Arzneimittel muss im Kühlschrank gelagert werden. Gerade bei sommerlichen Temperaturen empfiehlt sich der Transport in einer Kühltasche.

Das nachgereichte Rezept ist mit 100 Stück Microlet® Lanzetten zu beliefern. Statt der PZN ist die Verordnung mit der entsprechenden Hilfsmittelnummer zu bedrucken. Lanzetten für Stechhilfen zur Blutentnahme zählen zur Produktgruppe 21 (Messgeräte für Körperzustände/-funktionen). Die Kundin muss den Erhalt der Lanzetten mit ihrer Unterschrift auf der Rückseite des Hilfsmittelrezeptes bestätigen.

Die Kundin ist von der Zuzahlung befreit. Liegt keine Befreiung vor, beträgt die Zuzahlung für Hilfsmittel zum Verbrauch zehn Prozent des Verkaufspreises und maximal zehn Euro pro Monatsbedarf aller zum Verbrauch bestimmten Hilfsmittel. Es gibt keine Mindestzuzahlung.

Ab Ausstellungsdatum ist das vorliegende Rezept einen Monat gültig. Die nachgereichte Hilfsmittelverordnung ist ab Ausstellungsdatum 28 Kalendertage gültig.

Beratungs-Basics

Die Kundin kennt das Insulin; und ihre Blutzuckerwerte sind ganz gut. Sie misst selbst zweimal am Tag. Heute möchte sie jedoch nochmals von der Apotheke ihren Blutglucosewert bestimmen lassen. 

Lantus® SoloStar® Fertigpens enthalten 100 IE Insulin glargin pro Milliliter Injektionslösung. Ein Pen enthält drei Milliliter der Lösung. Es handelt sich um ein Insulinanalogon mit Langzeitwirkung von mindestens 24 Stunden. Aufgrund der lang anhaltenden und gleichmäßigen blutzuckersenkenden Wirkung wird das Arzneimittel als Basalinsulin zur Behandlung von Diabetes mellitus eingesetzt. Die Wirkung tritt nach 1,5 bis 3 Stunden ein. Die Anwendung erfolgt meist einmal täglich (immer zur gleichen Tageszeit) als subkutane Injektion. Bei Verzögerungsinsulinen ist dies meist der Oberschenkel. Die Kundin muss die Injektionsstelle innerhalb des gewählten Bereiches täglich wechseln, um eine Lipodystrophie zu vermeiden. Der Insulinpen ist nur mit den passenden Nadeln zu benutzen. Diabetiker sollten für jede Injektion eine neue Pen-Nadel verwenden. 

Insulin ist empfindlich gegen Hitze, Kälte und Licht. Der im Gebrauch befindliche Fertigpen wird bei Raumtemperatur aufbewahrt, Vorräte sind im Kühlschrank bei zwei bis acht Grad Celsius zu lagern. Die Lösung muss klar und farblos sein.

Microlet® Lanzetten sind Hilfsmittel zum Verbrauch für insulinpflichtige Diabetiker. Sie werden zusammen mit der Microlet®-Stechhilfe verwendet und erleichtern die Blutentnahme zur Blutzuckermessung. Die Blutentnahme sollte seitlich auf der Fingerbeere erfolgen.

Auch noch wichtig

Die häufigste Nebenwirkung einer Insulintherapie sind Hypoglykämien. Da sie teilweise auch ohne Warnzeichen zu einem lebensbedrohlichen Koma führen können, müssen Diabetiker regelmäßig ihren Blutzuckerspiegel messen und gut über mögliche Ursachen sowie zu ergreifende Maßnahmen informiert sein. Das Risiko einer Hypoglykämie steigt beispielsweise durch ungewohnte körperliche Anstrengung, Alkohol und unausgewogene oder unregelmäßige Mahlzeiten. Anzeichen für Unterzucker können sein: Innere Unruhe, Kaltschweißigkeit, Herzjagen, Blässe, Heißhunger und Zittern. Später dann Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen, Sprach- und Sehstörungen, schließlich Bewusstseinsstörungen und Krampfanfälle. Die Patientin sollte immer Traubenzucker bei sich haben.

Wechselwirkungen mit verordneten Arzneimitteln und mit der Selbstmedikation sind zu beachten. Bei der Behandlung von Schmerzen sollte die Kundin ASS nur niedrig dosieren oder besser ganz vermeiden. ASS steigert bei einer Tagesdosis von mehr als 1500 Milligramm die Insulinwirkung und somit die Gefahr einer Hypoglykämie.

Allgemein ist auf eine geeignete Darreichungsform von Arzneimitteln zu achten: Arzneisäfte enthalten meist blutzuckerwirksame Zucker und Tropfen meist Alkohol.

Darf`s ein bisschen mehr sein?

  • Die regelmäßige Blutzuckerselbstmessung ist zur Therapieüberwachung besonders wichtig. Blutzuckerteststreifen kann der Arzt bei insulinpflichtigen Diabetikern jederzeit bedarfsgerecht verordnen. Teststreifen beziehungsweise Sensoren zählen zu den Arznei- und Verbandmitteln. Sie sind keine Hilfsmittel.
  • Eine gesunde Ernährung ist eine wichtige Behandlungsmaßnahme für jeden Diabetiker.
  • Regelmäßige Bewegung verbessert die Stoffwechsellage und trägt zu einer Normalisierung des Körpergewichtes bei.
  • Zu den Folgeerkrankungen von Diabetes mellitus gehören unter anderem Nervenschädigungen und Durchblutungsstörungen, die sich häufig am Sehnerv und an den Füßen bemerkbar machen. Regelmäßige Kontrollen beim Augenarzt und professionelle Fußpflege zur Vermeidung von Verletzungen und des diabetischen Fuß-Syndroms sind unerlässlich.
  • Für den Notfall sollten Betroffene immer einen Diabetikerausweis mit sich führen.

Während der Blutzuckermessung passieren Kinder mit einem Eis die Apotheke. Die Kundin blickt etwas wehmütig – wie schön das doch gewesen sei, als ihr Körper den Zucker noch alleine „verdaut” habe und sie ein Eis einfach und gedankenlos genießen konnte.



Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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