Aus den Ländern

Lieferengpässe, Fachkräftemangel und notwendige Apothekenstärkung

„Zukunftskongress öffentliche Apotheke“ zurück in Präsenz mit drei großen Themen

jb | Nach zweijähriger Corona-Pause fand am vergangenen Samstag der „Zukunftskongress öffentliche Apotheke“ wieder in Präsenz statt. Über 300 Teilnehmer waren der Einladung des Apothekerverbandes Nordrhein in den alten Plenarsaal des Bundestags nach Bonn gefolgt – laut dem Verbandsvorsitzenden Thomas Preis so viele wie vor der Pandemie.

Im politischen Teil ging es vor allem um drei brennende Themen: Lieferengpässe, Fachkräftemangel und notwendige Apothekenstärkung. Aufgrund der immer schlechter werdenden finanziellen Rahmenbedingungen und angesichts der außer­ordentlich schwierigen Arzneimittelversorgung mit immer mehr Lieferengpässen brauche es unbedingt eine angemessene Honorierung, so Preis. Er appellierte an den Bundesgesundheitsminister, die extreme Mehr­arbeit der Apotheken adäquat zu honorieren und den Apotheken un­bürokratische Handlungsmöglich­keiten für eine schnelle Patientenversorgung zu ermöglichen. Darüber hinaus forderte er, den Apotheken mehr Handlungsmöglichkeiten zu geben, um die Patienten schnell und ohne unnötige bürokratische Hürden versorgen zu können. Dazu gehöre auch, aus der Corona-Pandemie zu lernen und die erleichterten, kompetenzerweiternden Corona-Sonder­regeln bei Nichtverfügbarkeit von Arzneimitteln weiter gelten und nicht zum 7. April auslaufen zu lassen. „Wir brauchen jetzt dringend die Patientenversorgung beschleunigende Austauschregeln und kein Zurück in die Steinzeit der verknöcherten Abgabebeschränkungen, die vor der Pandemie gegolten haben“, so Preis. Anders sei die Versorgung der Patienten unter den aktuellen Rahmenbedingungen, insbesondere der nicht enden wollenden Lieferengpässe, nicht zu stemmen.

Foto: AVNR / Müller

Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein e. V., bei der Eröffnung des Zukunftskongresses öffentliche Apotheke im alten Plenarsaal des Bundestages in Bonn.

Preis‘ Appell an die Bundesregierung, den Bundesgesundheitsminister, den Bundestag und den Bundesrat: „Stärken Sie die Apotheken vor Ort, für die Menschen vor Ort. Wir als Apothekerinnen und Apotheker wollen die bestmögliche Arzneimittel- und Gesundheitsversorgung für die Menschen in Deutschland überall vor Ort auf höchstem Niveau sicherstellen – persönlich, engagiert und leistungsstark. Das geht nicht mit immer schlechter werdenden finanziellen Rahmenbedingungen, sondern, auch angesichts der außerordentlich schwierigen Arzneimittelversorgung mit immer mehr Lieferengpässen, nur mit einer angemessenen Honorierung. Mit einer Honorierung von gestern lassen sich die extremen Anforderungen einer Arzneimittelver­sorgung von heute kaum noch bewältigen, erst recht nicht die Heraus­forderungen von morgen oder übermorgen!“

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, der per Video zugeschaltet war, bekräftigte in seinem Beitrag, dass er sich weiter für die freiberuflichen Strukturen mit Apothekern und Ärzten im Gesundheitswesen aktiv einsetzen werde. Dazu gehöre auch, dass Apotheken als Arbeitsplatz attraktiv sein müssten und für ihre Arbeit fair bezahlt würden, betonte Laumann. Im Hinblick auf den auf Bundesebene vorgelegten Referentenentwurf zur Bekämpfung der Lieferengpässe und dem darin vorgesehenen „Engpass-Ausgleich“ von 50 Cent für Apotheken sagte Laumann, er könne nachvollziehen, dass Apotheken das als Frechheit empfinden. Über konkrete Zahlen wollte er jedoch nicht sprechen. Vielmehr solle der Gesetzentwurf für eine vertiefte Diskussion im Sinne einer Gesamtbetrachtung der Honorierung der Apotheken genutzt werden.

Bei der Podiums- und Plenardiskus­sion glänzten die gesundheitspolitischen Vertreter der Bundestags­fraktionen zum Thema „Arzneimittel- und Gesundheitspolitik der Bundesregierung“ vor allem mit Abwesenheit: Mit Jörg Schneider und Georg Kippels waren lediglich die AfD und die CDU vertreten. Dirk Heidenblut von der SPD kam per aufgezeichnetem Videostatement zu Wort. Die jeweils in ihren Bundestagsfraktionen zuständigen Berichterstatter für Apothekenthemen waren sich einig, dass bei der Bekämpfung der Lieferengpässe dringend gehandelt werden muss. Die Maßnahmen im vorgelegten Gesetzentwurf erachten sie dafür noch nicht ausreichend. Heidenblut sprach sich in seinem Statement für „mehr Flexibilität für Apotheken beim Austausch von Medikamenten wie in der Corona-Zeit“ aus. Der Gesetzentwurf sei hinsichtlich der „Beinfreiheit“ und auch dahingehend, was es an Entschädigung für das Lieferengpassmanagement geben könnte, zu kurz gesprungen. Kippels plädierte dafür, die Verordnung mit den „Corona-Sonder­regeln“ für die erleichterte Abgabe einfach weiterlaufen zu lassen. Das könne der Bundesgesundheitsminister sogar ganz einfach selber anordnen. Auch bei der Apothekenstärkung gab es deutliche Worte von Dirk Heidenblut (SPD): Man wolle den Apotheken wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben mit einem „ergänzenden Apothekenstärkungsgesetz mehr Kraft geben und auch die Wertschätzung erweisen, die Ihnen zurecht zusteht!“ Dazu gehöre sehr klar die Frage der Honorare, die seit vielen Jahren nicht angetastet wurde. Noch vor dem geplanten Gesetz dazu, mit dem aber erst im 2. Halbjahr zu rechnen sei, stellte er den Wegfall der „Nullretax“ in Aussicht. Kippels sprach in diesem Zusammenhang auch den zuvor von Thomas Preis geforderten Wegfall der Präqualifizierung an. Diese sei „aus der Zeit ge­fallen“, so Kippels, und aufgrund der Fachkenntnis der Apotheker absolut verzichtbar.

Foto: AVNR / Müller

Jugendforscher und Keynote-Speaker Simon Schnetzer bei seinem Vortrag über die Nachwuchsgeneration und wie man sie für den Arbeitsplatz Apotheke gewinnt.

Doch nicht nur die Politik kam zu Wort. So erklärte Jugendforscher und Keynote-Speaker Simon Schnetzer, wie die Nachwuchsgeneration tickt und was es zu beachten gilt, sie für den Arbeitsplatz Apotheke zu gewinnen und auch trotz schwieriger Rahmenbedingungen dafür erfolgreich zu binden. Zum Schluss sprach dann Professor Theo Dingermann darüber, warum Apotheken „mehr Pharmazie wagen“ sollten und wie das gelingen könnte. Seine Ausgangsthese: Wolle man über „mehr Pharmazie wagen“ nachdenken, müsse man zwingend „weniger Pharmazie-ferne Tätig­keiten“ fordern. Die herausragenden Leistungen des Berufsstandes in der Corona-Krise analysierte Dingermann als „überraschende Performance eines fehlgeschätzten Systems“, wodurch Apotheken von „schein­baren Verlierern“ zu „Ge­winnern“ wurden.

Zum Abschluss des Kongresstages zog die stellvertretende Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein e. V., Doris Schönwald, ein äußerst positives Fazit. Ein besonderer Dank ging an Ralph Erdenberger für seine Moderation sowie an die Kongresspartner, die mit ihren Informationsständen, Publikations- und Dialog­angeboten die Veranstaltung flankierten. Anwesend waren zum Beispiel die Noweda, Sanacorp, Allergosan, Caelo und die Apobank. |

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