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Retaxfall des Monats
Entlassrezept oder nicht?
Woran man die Verordnung erkennt
Eine Apotheke berichtet über gleich mehrere Retaxationen durch eine AOK, die offenbar bei Rezepten aus Kliniken ganz genau hingeschaut hat. Der Retaxationsgrund war jeweils: „Entlassmanagement – Überschreitung der maximal zulässigen Belieferungsfrist.“ Das Problem: Keines der (rosa) Rezepte war auf einem für das Entlassmanagement vorgeschriebenen Formular ausgestellt worden. Die Verordnungen stammen aus verschiedenen Krankenhäusern und wurden jeweils zeitnah beliefert. Die für Entlassrezepte vorgegebene Frist, die ja sogar im Rahmen der Corona-Sonderregelungen zeitweise verlängert worden war, wurde letztlich nur um wenige Tage überschritten.
Wie muss ein Entlassrezept aussehen?
In Anlage 8 zum Rahmenvertrag nach § 129 SGB V „Ergänzende Bestimmungen für die Arzneimittelversorgung im Rahmen des Entlassmanagements nach § 39 Absatz 1a SGB V“ ist definiert, wie ein Entlassrezept auszusehen hat:
„Eine Verordnung gilt als Entlassverordnung, wenn die papiergebundene Verordnung auf einem Vordruck erfolgt, der dem Arzneiverordnungsblatt (Muster 16) der Anlage 2/2a des Bundesmantelvertrag – Ärzte (BMV-Ä) in der jeweils gültigen Fassung entspricht, mit der Sonderkennzeichnung ,Entlassmanagement‘ gemäß Anlage 2 – Technische Anlage zum Rahmenvertrag Entlassmanagement von Krankenhäusern nach § 39 Abs. 1a S. 9 SGB V – versehen ist und die Betriebsstättennummer (BSNR) in der Codierleiste mit den Ziffern ,75‘ beginnt. Elektronische Verordnungen sind entsprechend den Vorgaben der Anlage 2b des BMV-Ä gekennzeichnet.“
Da die Rezepte nicht auf dem vorgeschriebenen Formular ausgestellt wurden, fehlte eindeutig eine Voraussetzung, die ein Entlassrezept als solches kennzeichnet – damit galten die vorliegenden Rezepte nicht als Entlassrezepte. Die Apotheke hätte die Rezepte in den fraglichen Fällen allenfalls an der mit 75 beginnenden Betriebsstättennummer sowie der 4 am Ende des Statusfelds erkennen können. Doch ob Apotheken das bei jedem Muster-16-Rezept so genau prüfen, ist fraglich.
T-Rezept: Entlassrezept oder doch nicht?
Lediglich bei BtM- und T-Rezepten muss genauer hingesehen werden, da diese Entlassrezepte in der Tat nur an diesen Ziffern erkannt werden können. Auch hier kann es zu Retaxierungen kommen, wie der folgende Fall zeigt.
Eine Apotheke erhielt im Dezember 2021 an einem Donnerstagabend ein an diesem Tage ausgestelltes T-Rezept, auf dem „Thalidomide Celgene 50 mg 28 Stück“ zulasten einer AOK verordnet war. Alle notwendigen Kreuze waren gesetzt, die Dosierung angegeben. Das Rezept stammte aus einer Uniklinik. Da das Arzneimittel nicht über den Großhandel zu beziehen war, löste die Apotheke noch am selben Abend eine Direktbestellung aus. Am folgenden Montag wurde das bestellte Arzneimittel an die Apotheke geliefert. Diese bedruckte das Rezept mit dem Liefer- und Abgabedatum und versorgte den Patienten am selben Tag mit dem benötigten Arzneimittel. Die Rezeptbelieferung erfolgte damit innerhalb der für T-Rezepte vorgesehenen Frist von sechs Tagen nach Ausstellungsdatum.
Allerdings erhielt die Apotheke Ende November 2022 eine Nullretax der Krankenkasse. Die Begründung lautete auch in diesem Fall: „Entlassmanagement – Überschreitung der maximal zulässigen Belieferungsfrist.“
Das betroffene Rezept wurde im Nachgang von der Apotheke geprüft und dabei wurde festgestellt, dass die BSNR tatsächlich, wie bei einem Entlassrezept gefordert, mit 75 beginnt. Allerdings fehlt die 4 im Statusfeld – damit handelt es sich gemäß den Ausführungen der Anlage 8 des Rahmenvertrags, die definiert, wie ein Entlassrezept auszusehen hat, eben nicht um ein Entlassrezept.
Anlage 8 zum Rahmenvertrag nach § 129 SGB V „Ergänzende Bestimmungen für die Arzneimittelversorgung im Rahmen des Entlassmanagements nach § 39 Absatz 1a SGB V“ legt in § 2 fest, wie eine ordnungsgemäße Entlassverordnung definiert ist. Punkt 5 beschreibt, wie Entlassrezepte bei BtM- und T-Rezepten ausgestellt werden müssen:„Verordnungen nach § 1 Absatz 2 [red. Anm.: Damit sind BtM- und T-Rezepte gemeint] gelten nur dann als Entlassverordnungen im Sinne von § 39 Absatz 1a SGB V, wenn sie mit der Kennziffer ,4‘ analog Ziffer 1 im Statusfeld gekennzeichnet sind und die BSNR im Personalienfeld mit ,75‘ beginnt. In der Codierleiste ist entsprechend den Bestimmungen der BtMVV oder AMVV keine Betriebsstättennummer auf dem Verordnungsblatt eingedruckt. Die Pseudoarztnummer „4444444“ plus Fachgruppencode nach § 6 Absatz 5 des Rahmenvertrages über ein Entlassmanagement nach § 39 Absatz 1a SGB V ist bei diesen Verordnungen nicht zulässig.“
Hier werden also zwei Voraussetzungen genannt, die ein Entlassrezept erfüllen muss: eine BSNR beginnend mit den Ziffern 75 sowie ein Statusfeld, das am Ende eine 4 trägt. Im vorliegenden Fall sind nicht beide Voraussetzungen erfüllt, das heißt, es ist davon auszugehen, dass es sich dabei nicht um ein Entlassrezept handelte.
Einspruch eingelegt – Ausgang ungewiss
Nun ist weder den Patienten ein Schaden entstanden (ganz im Gegenteil, sie wurden jeweils mit den benötigten Arzneimitteln versorgt) noch der Krankenkasse (so wurde weder die Arzneimittelsicherheit noch die Wirtschaftlichkeit wesentlich tangiert). Dies könnten die Apotheken im Rahmen eines Einspruchs anbringen. Festgehalten ist dies wie folgt in § 6: Zahlungs- und Lieferanspruch des Rahmenvertrags:
„(1) Der durch Normverträge näher ausgestaltete gesetzliche Vergütungsanspruch der Apothekerin/des Apothekers entsteht im Gegenzug für dieErfüllung der öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht mit Belieferung einer gültigen ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung in papiergebundener oder elektronischer Form. Der Vergütungsanspruch der Apothekerin/des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn [...]
c) die Krankenkasse im Einzelfall entscheidet, die Apotheke trotz eines derartigen Verstoßes ganz oder teilweise zu vergüten,
d) es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt.“
Zusätzlich sollte im ersten Fall auf den oben zitierten § 1 der Anlage 8 des Rahmenvertrags verwiesen werden, der definiert, dass ein Rezept nur dann als Entlassverordnung gilt, wenn es auf einem entsprechenden Rezeptformular ausgestellt wurde.
Im zweiten Fall mit dem T-Rezept stellt sich zusätzlich die Frage, wie die Apotheke eine Versorgung des Patienten in der vorgeschriebenen Frist von drei Werktagen hätte umsetzen können. Dies wäre dank der erforderlichen Direktbestellung mit dem dazwischenliegenden Wochenende vermutlich gar nicht machbar gewesen.
Fazit
Diese beiden Fälle zeigen, dass in einigen Krankenhäusern anscheinend noch nicht angekommen ist, wie ein korrekt ausgestelltes Entlassrezept aussehen muss, um Apotheken eine schnelle und unkomplizierte Patientenversorgung zu ermöglichen.
Festzuhalten bleibt, dass Apotheken bei jedem Rezept Detektiv spielen und offenbar auch detailliert die Betriebsstättennummer und die Statusfelder prüfen müssen, um Entlassrezepte als solche zu erkennen, wenn ein falsches Rezeptformular verwendet wurde. Bei BtM- und T-Rezepten ist dies in jedem Fall erforderlich, denn hier gibt es keine eigenen Rezeptformulare fürs Entlassmanagement, sodass die Betriebsstättennummer und das Statusfeld die einzigen Merkmale sind, die ein Entlassrezept als solches kennzeichnen! |
Bei der Rezeptbelieferung sind unzählige Vorschriften zu beachten, sonst droht eine Retaxation. Das DeutscheApothekenPortal (DAP) bietet rund um Arzneimittelabgabe und Retaxprobleme Rat und Hilfe an: www.deutschesapothekenportal.de
Sind Sie von einer Retaxation betroffen oder haben Sie Fragen zur Rezeptbelieferung? Schicken Sie Ihren Fall an abgabeprobleme@deutschesapothekenportal.de
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