Arzneimittel und Therapie

Fibromyalgie-Praxisleitfaden hilft Ärzten und Patienten

Diagnosestellung soll erleichtert werden

Mit einer Prävalenz von 1,4 bis 6,6% der Gesamtbevölkerung gehört die Fibromyalgie zu den häufigen Schmerzerkrankungen. Trotz klarer Diagnosekriterien wird sie meist erst spät diagnostiziert. Ein neuer Praxisleitfaden der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin soll Ärzten die Diagnose einer Fibromyalgie erleichtern und Betroffenen die Zeit bis zur Diagnosestellung verkürzen.

Heutigen Erkenntnissen zufolge liegt der Fibromyalgie wahrscheinlich eine Störung körpereigener Schmerz-Kon­trollsysteme zugrunde. Dadurch können alltägliche Dinge wie beispielsweise leichter Druck als Schmerz fehlinterpretiert und verarbeitet werden. Die Krankheitslast der Patienten ist groß und oftmals haben sie eine jah­relange Leidensgeschichte und eine Odyssee an Arztbesuchen hinter sich. Die Fibromyalgie bzw. ein Fibromy­algie-Syndrom kann inzwischen anhand von Kriterien des American College of Rheumatology (ACR) phänomenologisch, dass heißt ausschließlich auf klinischen Befunden bzw. Beschwerden des Patienten beruhend, eindeutig klassifiziert werden. Dennoch erfolgt die Diagnose nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) „unverändert zu spät“. Im Durchschnitt dauert es 16 Jahre, bis Betroffene eine Dia­gnose erhalten.

Foto: RFBSIP/AdobeStock

Vorbereitung zum Arztgespräch

Leider werden Patienten immer wieder mit Vorurteilen, wie z. B. es gebe keine Fibromyalgie und es handele sich um eine Depression oder Neuropathie, konfrontiert. Mit dem neuen Praxisleitfaden, der die wichtigsten Diagnosekriterien der Leitlinie zum selben Thema kurz zusammenfasst, sollen Vorurteile abgebaut und die Diagnose erleichtert werden. Er richtet sich an alle praktisch tätigen Ärzte, einschließlich Haus- und Fachärzte, aber auch an Vertreter anderer Gesundheitsberufe mit schmerztherapeutischen Behandlungsschwerpunkten und nicht zuletzt an Patienten ab einem Alter von 16 Jahren, die unter chronischen Ganzkörperschmerzen leiden und bei denen ein Verdacht auf Fibromyalgie besteht. Patienten können sich anhand des Leitfadens auf das Arztgespräch vorbereiten und diesen zur Bestandsaufnahme der eigenen Symptome nutzen. So können sie nach Aussage von PD Dr. Michael A. Überall, Autor des Praxisleitfadens und Vizepräsident der DGS, einen Beitrag dazu leisten, dass der behandelnde Arzt „auf die richtige Spur kommt“. Mit dem Ziel, zweckmäßige und praxisnahe Empfehlungen für Ärzte zu geben, die in der Patientenversorgung tätig sind, werden im Leitfaden mög­liche Verfahrensweisen für eine dif­ferenzialdiagnostische Evaluierung von Patienten mit chronischen Ganzkörperschmerzen beschrieben.

Seelische Begleiterscheinungen berücksichtigt

Zu den im Praxisleitfaden aufgeführten Diagnosekriterien gehören lang­anhaltende generalisierte Schmerzen in vier von fünf Körperregionen. Diese sind oft von Abgeschlagenheit, verminderter Leistungsfähigkeit und seelischen Belastungen begleitet. Zusätzlich leiden Patienten vielmals unter Schlafstörungen, die durch häufiges Aufwachen gekennzeichnet und mit einer Tagesmüdigkeit verbunden sind. All dies kann mithilfe des Leitfadens kurzzeitig erfasst werden. Schmerz­topografie und Symptomschweregrad werden dabei anhand des Widespread Pain Index und einer Symptomschwere-Skala bestimmt. Erkrankungen mit klinisch/phänomenologisch ähnlichen Symptomen, die in der Regel nicht dem Vollbild der Fibromyalgie entsprechen, jedoch simultan vorliegen können, werden ebenfalls berücksichtigt. Diese sollten bei unklaren Befunden durch geeignete Untersuchungen ausgeschlossen oder bestätigt und, falls erforderlich, einer ursächlichen The­rapie zugeführt werden. Auch den oftmals mit einer Fibromyalgie verbundenen seelischen Begleiterscheinungen wie z. B. einer depressiven Stimmungslage wird Rechnung getragen, indem sie gezielt hinterfragt und standardisiert erfasst werden, etwa anhand der Depressions-Angst-Stress-Skala (DASS21).

Durch die positive Diagnosestellung –im Gegensatz zu einer auf Ausschlusskriterien beruhenden Diagnose – ­werden Patienten unter anderem ­ermutigt, ihre Beschwerden aktiv anzugehen. Ein zweiter Teil des Praxisleitfadens ist in Arbeit und soll der Therapie der Fibromyalgie gewidmet sein. |

Literatur

DGS-Praxisleitfaden zur Fibromyalgie (Teil 1: Diagnose). Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) e. V., Stand: August 2022

DGS-Praxisleitfaden Fibromyalgie: Vorurteile abbauen, Diagnose erleichtern. Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V., 4. Januar 2023

Apothekerin Dr. Daniela Leopoldt

Das könnte Sie auch interessieren

Fibromyalgie-Patienten zu mehr Lebensqualität verhelfen

Gestörte Schmerzverarbeitung

Aktueller DGS-Praxisleitfaden gibt Hilfestellung bei akuten Kreuz-/Rückenschmerzen

In Bewegung bleiben

Das Fibromyalgie-Syndrom besser verstehen

Rätselhafte Schmerzen

Wissenswertes zur Nebenwirkung Obstipation in zehn Thesen

Wenn Opioide den Darm lahmlegen

Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin

Projekt zur Versorgungsforschung in den Startlöchern

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.