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Beratung
Das mineralische Quartett
Vier essenzielle Mineralstoffe, die mit häufigen Krankheitsbildern assoziiert sind
Mineralstoffe im medizinischen Sinn sind lebensnotwendige, anorganische Nährstoffe. Wie die Vitamine sind sie nicht nur da, um „ein wenig zu stärken“, sondern erfüllen lebensnotwendige Basisfunktionen – als Zellbausteine, als Botenstoffe, als Cofaktoren von Enzymen. Dabei werden sie verbraucht, ausgeschieden und müssen regelmäßig zugeführt werden. Je nachdem, ob pro Kilogramm Körpermasse mehr oder weniger als 50 mg enthalten bzw. vonnöten sind, spricht man von Mengenelementen und Spurenelementen. Iod und Selen wirken in „Spuren“. Eisen wird funktional zu den Spuren- oder Mikroelementen gezählt, obwohl die Körperkonzentration 50 mg/kg überschreiten kann [1].
Calcium – Mangel häufiger als gedacht
Der mengenmäßig wichtigste Mineralstoff ist Calcium, von dem das Skelett des Erwachsenen rund ein Kilogramm enthält, 99,5% davon in Knochen und Zähnen. Die schiere Masse täuscht: Da der Knochenspeicher ein nahezu unendliches Calcium-Reservoir darstellt, bleiben die Plasmaspiegel auch bei einer Mangellage im Normbereich. Eine Unterversorgung im Wachstumsalter wird daher oft nicht erkannt, führt aber zu einer suboptimalen Knochenmasse. Die „Peak Bone Mass“ ist maßgeblich für das Osteoporose-Risiko im Alter.
Neben der tragenden Rolle als Baustoff ist Calcium ein wichtiger Faktor der Blutgerinnung. Über spannungsabhängige Calcium-Kanäle ist das Element an der Weiterleitung von Nervenimpulsen, der Signalübermittlung in der Zelle und an der Muskulatur, an Vasokonstriktion und Dilatation und an der Insulinsekretion beteiligt. Am meisten Calcium brauchen wegen des starken Wachstums Jugendliche im Alter von 13 bis 18 Jahren (1200 mg/Tag), gefolgt von Kindern im Alter von zehn bis zwölf Jahren (1100 mg/Tag). Die empfohlene Calcium-Zufuhr für Erwachsene gibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) mit 1000 mg pro Tag an. Die in der Nationalen Verzehrsstudie II (NVZ II) ermittelte mittlere Calcium-Zufuhr liegt im Durchschnitt bei Männern bei 807 mg pro Tag und bei Frauen bei 738 mg pro Tag. Der Referenzwert wird insbesondere von weiblichen Jugendlichen (14 bis 18 Jahre) sowie älteren Männern und Frauen nicht erreicht. Für eine verminderte Knochendichte besonders gefährdet, sind junge Frauen mit Amenorrhö und Essstörungen, Frauen in der Postmenopause und alle, die vollständig auf Milch und Milchprodukte verzichten wie Veganer und Menschen mit Lactoseintoleranz oder Kuhmilchallergie.
Die Calcium-Absorption nimmt mit dem Alter ab, ist bei Schwangeren und Stillenden gesteigert und nach den Wechseljahren erniedrigt. Neben Calcium-reichem Wasser sind fettarme Milch und Milchprodukte die besten Quellen – wegen des hohen Calcium-Gehaltes bei gleichzeitig hoher Resorption von ca. 32%. Rhabarber, Spinat und Bohnen sind zwar Calcium-reich, die Bioverfügbarkeit ist aber wegen des Gehaltes an Phytaten und Oxalaten beschränkt.
Supplemente enthalten meist Calciumcitrat, einzunehmen mit der Mahlzeit, oder Calciumcarbonat, das nüchtern eingenommen werden sollte. Die Absorption ist bei Dosen < 500 mg am besten, 1000 mg sollte man auf zwei Gaben verteilen. Bei gastrointestinalen Nebenwirkungen unter Calciumcarbonat empfiehlt sich der Wechsel auf -citrat. Zu beachten ist ein zeitlicher Abstand von mindestens zwei Stunden zu einer Eiseneinnahme. Eine Reihe von Präparaten kombiniert Calcium mit Vitamin D3 (z. B. Calcium Sandoz® D Osteo, Calcimed® D3 500 mg/1000 IE Kautabletten), außerdem gibt es zahlreiche Kombinationen mit mehreren Mineralstoffen und teilweise weiteren Mikronährstoffen (z. B. von Orthomol, Hevert, Protina, NaturaFit, Queisser).
Mineralstoff | Calcium [mg/Tag] | Eisen [mg/Tag] | Iod [µg/Tag] | Selen [µg/Tag] | ||
---|---|---|---|---|---|---|
empfohlene Tageszufuhr (DGE) | männlich | weiblich | männlich | weiblich | ||
Säuglinge | ||||||
0 bis < 4 Monate | 220 | 0,5 | 40 | 10 | ||
4 bis < 12 Monate | 330 | 8 | 80 | 15 | ||
Kinder | ||||||
1 bis < 10 Jahre | 600 bis 900 | 8 bis 10 | 100 bis 140 | 15 bis 30 | ||
10 bis < 15 Jahre | 1100 bis 1200 | 12 | 15 | 180 bis 200 | 45 bis 60 | |
15 bis < 19 Jahre | 1200 | 12 | 15 | 200 | 70 | 60 |
Erwachsene | ||||||
19 bis 51 Jahre | 1000 | 10 | 15 | 200 | 70 | 60 |
> 51 Jahre | 1000 | 10 | 10 | 180 | 70 | 60 |
Schwangere | 1000 | – | 30 | 230 | – | 60 |
Stillende | 1000 | – | 20 | 260 | – | 60 |
Eisen – mehr als ein Spurenelement
Als Zentralatom der sauerstoffbindenden Hämgruppe in Hämoglobin und Myoglobin ist Eisen unabdingbar für den Transport und die Bereitstellung von Sauerstoff in allen Geweben. Als Bestandteil der Cytochrome ist das Spurenelement für die mitochondriale ATP-Synthese notwendig. Eisen-Mangel kann die körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, die Wärmeregulation des Körpers stören und die Infektanfälligkeit erhöhen. Eine dauerhaft erniedrigte Eisenzufuhr führt zu Anämie. Unser Gesamtkörperbestand beträgt 2,5 bis 4 g, wovon zwei Drittel in den Erythrozyten aktiv sind, 5% in Myoglobin und 0,2% in Enzymen. Der überwiegende Rest bildet Eisendepots in der Darmmukosa, in Leber, Milz und/oder Knochenmark. Die komplexe Regulation von Funktions-, Speicher- (Ferritin) und Transporteisen (Transferrin) zielt darauf, auch unter Extrembedingungen die richtige Menge an Eisen verfügbar zu halten.
Mit der Nahrung werden täglich 15 bis 20 mg Eisen zugeführt. Bei einer Resorptionsquote von 15% (Mischkost) bzw. 5 bis 15% (vegetarische Kost) werden 1 bis 3 mg des Spurenelements aufgenommen. In etwa gleicher Menge geht Eisen über abgeschilferte Epithelien oder kleinere Blutverluste verloren. Frauen im gebärfähigen Alter verlieren mit jeder Regelblutung rund 25 mg Eisen. Gleichzeitig erreichen sie zu 75% nicht die empfohlene Eisen-Zufuhr von täglich 15 mg und sind mit etwa 20% am häufigsten von Eisen-Mangel betroffen. Insgesamt liegen laut NVZ II 58% der Frauen und 14% der Männer bei der Eisen-Zufuhr unterhalb der Referenzwerte. Neben menstruierenden Frauen sollten insbesondere Schwangere, Kinder in Wachstumsschüben und Vegetarier/Veganer auf eine adäquate Eisen-Zufuhr achten. Als „Risikofaktoren“ gelten außerdem Diäten, Anorexie, Gastritiden und eine Dauertherapie mit Antazida. Bei Verdacht auf Eisen-Mangel ist keine Selbstmedikation angebracht, sondern stets eine ärztliche Abklärung.
Mineralstoff | Verbindung | Präparatebeispiele | Gehalt(pro Darreichung) |
---|---|---|---|
Calcium | Calciumcitrat | Pure Encapsulations® Calcium (NEM)* | 150 mg |
Calcium DU-Pharma | 200 mg | ||
Calciumcarbonat | Calcimed®/Calcium-500-dura/Calcium ratiopharm® | 500 mg | |
Calcium Verla® 600 | 600 mg | ||
Calciumcarbonat Abanta | 500 mg | ||
Calcium-D-gluconat – Calciumlactat (2 : 3) 2 H2O und Calciumcarbonat | Calcium Sandoz® Forte | 500 mg | |
Eisen | Fe(II)-fumarat | Ferrum Hausmann® Retardkapseln | 100 mg |
Rulofer® N Filmtabletten | 50 mg | ||
Eisen Verla® plus direkt Granulat | 10 mg (+ Folsäure, Vitamin B12, Vitamin C) | ||
Ferro Aiwa® | 100 mg | ||
Fe(II)-sulfat | ferro sanol® duodenal/duodenal mite (Fe(II)-glycin-sulfat-Komplex) | 50 mg/100 mg | |
Tardyferon® Depot-Eisen(II)-sulfat Retardtabletten | 80 mg | ||
Fe(II)-gluconat | Lösferron Brausetabletten | 80,5 mg | |
Floradix mit Eisen | 36,8 mg | ||
Fe(II)-pyrophosphat | SiderAL Eisen Forte (NEM) | 30 mg | |
Fe(III)-Maltol | Feraccru® 30 mg Hartkapseln (Rx)** | 30 mg | |
Fe(III)-Carboxymaltose | Ferrum Hausmann® Lösung/Sirup | 50/10 mg | |
Iod | Kaliumiodid | Jodinat® | 100/200 µg |
Jodid dura/Hexal/Merck/ratiopharm | 100/200 µg | ||
Selen | Natriumselenit | Cefasel nutri® (NEM) | 50/100/200 µg |
Selenase® 50 AP Tabletten | 50 µg | ||
Selen-Loges (NEM) | 100/200 µg | ||
Selen Verla PurKaps (NEM) | 100 µg | ||
Natriumselenat | Bionops Selenat 100 | 100 µg | |
*NEM = Nahrungsergänzungsmittel; bei nicht entsprechend gekennzeichneten Präparatebeispielen handelt es sich um Arzneimittel **Rx = rezeptpflichtig |
Eisen – problematische Bioverfügbarkeit
Die Haupt-Eisen-Lieferanten sind Vollkornprodukte, Fleisch, Wurstwaren, Gemüse und Hülsenfrüchte. Zweiwertiges Häm-Eisen aus Lebensmitteln tierischer Herkunft kann der Körper besser verwerten als dreiwertiges Non-Häm-Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln, das zuerst zu zweiwertigem reduziert werden muss. Allerdings sind auch ca. 50% des Eisens tierischer Herkunft dreiwertiges Speichereisen (Ferritin). Vitamin C kann die Resorption von Fe(III) jeglicher Quelle durch Reduktion zu Fe(II) und Chelatbildung im sauren Milieu verbessern. Gehemmt wird die Eisen-Verwertung durch die Bindung an Phytate (z. B. in Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten) und Polyphenole (z. B. in schwarzem Tee, Wein) und durch Wechselwirkungen mit zweiwertigen Ionen (z. B. Antazida), komplexbildenden Antibiotika (Tetracyclin, Doxycyclin), Colestyramin und Protonenpumpenhemmern: Die Aufhebung des sauren Milieus verschlechtert die Eisen-Resorption.
Nach oraler Aufnahme einer Anfangsdosis von über 50 mg Fe(II) auf nüchternen Magen klagen viele Patienten über gastrointestinale Beschwerden und Übelkeit. Die Einnahme zu einer Mahlzeit bessert die Verträglichkeit, senkt aber die Resorptionsquote des Eisens um bis zu zwei Drittel. Einen Versuch wert ist auch die Einnahme zwischen den Mahlzeiten oder die Einnahme alle zwei Tage (siehe Beitrag S. 32). Bioverfügbarkeit und Verträglichkeit sind auch entgegengesetzte Pole bei den eingesetzten Supplementen: Gut resorbiert werden Salze wie Eisen(II)sulfate (am häufigsten verwendet), Eisen(II)-fumarate (nahezu geschmacklos) und -gluconate. Eisen(II)-bisglycinat und Eisen(III)-Maltol verursachen relativ selten gastrointestinale Beschwerden; bei Eisen(III)-Polymaltose und -Pyrophosphat ist dies nicht belegt [2]. In der Diskussion ist mit Eisen und Iod doppelt angereichertes Speisesalz, das laut einer Cochrane-Studie die Hämoglobinkonzentration und die Speicherung von Eisen im Körper leicht verbessern und wahrscheinlich die Prävalenz von Anämien senken kann [3].
Iod – Der Mangel kommt zurück!
Iod ist bekannt als essenzieller Kofaktor der Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3). Diese sind für eine Vielzahl von Prozessen der Organentwicklung, Proteinsynthese und für Stoffwechselvorgänge unentbehrlich. 80% der 15 mg Iod, die der erwachsene Körper enthält, finden sich in der Schilddrüse. Eine sichtbare Auswirkung eines Iod-Mangels ist die Schilddrüsenvergrößerung, die bedeutendste aber die Beeinträchtigung der Gehirnentwicklung und -funktion. Schon bei einem „milden“ Iod-Mangel können die Intelligenz und die Schulleistung von Kindern vermindert sein. Iod-Mangel während der Schwangerschaft geht mit einem erhöhten Risiko für Totgeburten, erhöhter postnataler Mortalität und Missbildungen einher. Der erhöhte Iod-Bedarf macht Schwangere und Stillende sowie Kinder und Jugendliche diesbezüglich zu Risikogruppen, obwohl sich die Versorgung mit Iod insgesamt in den letzten 20 Jahren deutlich verbessert hat. Dies ist ganz überwiegend der breiten Verwendung von iodiertem Speisesalz (15 bis 25 µg Iod/Gramm) geschuldet. Diese eingerechnet, lag in der nationalen Verzehrsstudie II der Median der Iod-Zufuhr von Frauen bei 81 bis 108% der empfohlenen Zufuhr, von Männern bei 108 bis 129%. Trotzdem ist laut dem Arbeitskreis Iod-Mangel die Versorgung in weiten Teilen der Bevölkerung unzureichend. Im unteren Bereich rangieren Jugendliche und junge Erwachsene, die zum Teil um rund die Hälfte unter den DGE-Referenzwerten für Iod liegen. Der Trend zu natürlichen „Kristallsalzen“ begünstige ebenso wie die Warnung vor zu hoher Salzzufuhr den Trend der Wiederzunahme des Iod-Mangels in Nordeuropa, sagt der Ernährungswissenschaftler Professor Konrad Biesalski von der Universität Hohenheim [4]. Die Iod-Ausscheidung über den Urin von 88,8 µg pro Liter bei Heranwachsenden in Deutschland entspricht laut WHO einem milden Iod-Mangel [5] .
Das Grundproblem: Unsere Lebensmittel enthalten von Natur aus zu wenig Iod. Das Spurenelement wird in heimischen Böden und Gewässern Richtung Meer ausgewaschen und kommt in den terrestrischen Lebensmitteln nur in sehr geringen Mengen vor. Reiche Iod-Quellen sind neben Algen nur Seefische wie Schellfisch, Hering, Thunfisch, Seelachs, Scholle oder Kabeljau (50 bis 300 µg Iod/100 g). Gemüse und Obst decken nur etwa drei Prozent der Iod-Versorgung ab, weshalb vor allem Vegetarier und Veganer besonders auf ihre Iod-Versorgung achten sollten. Im Gegensatz zu anderen Mineralstoffen verläuft die Resorption von Iod nahezu quantitativ. Es gibt Höchstwerte für die Zufuhr (Upper Level), die bei Kindern das Zwei- bis Dreifache, bei Erwachsenen das Fünffache der empfohlenen Zufuhr betragen.
Der Arbeitskreis Iod-Mangel empfiehlt ab dem Kindesalter den regelmäßigen Verzehr von Seefisch und Milch sowie die ausschließliche Verwendung von Iod-Salz oder Iod-Salz mit Fluorid im Haushalt. Ist dies nicht umzusetzen, ist die ergänzende Einnahme von Iod-Tabletten der sichere Weg zur Iod-Bedarfsdeckung. Frauen in Schwangerschaft und Stillzeit (Iod-Bedarf: 230 bzw. 260 µg/Tag) wird zusätzlich die ergänzende Einnahme von Tabletten mit 150 bis 200 µg Iod pro Tag empfohlen. Das gilt auch für Frauen mit einer Autoimmunerkrankung wie Hashimoto-Thyreoiditis oder Morbus Basedow in Remission. Wichtig ist, in Absprache mit dem behandelnden Arzt eine „Doppelmedikation“ von Iod zu vermeiden, wenn die Frau Iod-haltige Kombinationspräparate oder Nahrungsergänzungsmittel einnimmt [6]. Entsprechende Präparate kombinieren Vitamine und Mineralstoffe für verschiedene Phasen der Schwangerschaft bzw. schon für die „Babyplanung“ (z. B. Elevit®, Femibion®, FemiBaby®). Auch für vegan Lebende sind Iod-Tabletten eine gute Alternative zur Deckung ihres Iod-Bedarfs. Zu beachten sind Iod-Wechselwirkungen vor allem mit Thyreostatika, Perchlorat und Lithium.
Selen – richtig dosieren
Selen wurde um 1817 im Zusammenhang mit Intoxikationen in Gebieten mit extrem hohen Selen-Konzentrationen in den Böden entdeckt. Noch heute ist oft der Respekt vor Selen größer als die Beachtung der wichtigen Funktionen in unserem Stoffwechsel. Selen ist essenzieller Kofaktor von mindestens 20 Selenoproteinen. Am besten untersucht ist die Glutathionperoxidase, die Peroxide wie H2O2 oder Lipidperoxide reduziert. Im Zusammenspiel mit weiteren Enzymen und den Vitaminen E und C ist Glutathionperoxidase ein wesentliches Agens im antioxidativen System. Es neutralisiert aktivierte Sauerstoffformen, welche durch Umweltgifte, Rauchen, Strahlung, aber auch im normalen Stoffwechsel entstehen. Andere Selenoproteine, die Dejodasen, aktivieren das Schilddrüsenhormon T3. Selen scheint auch die Bildung von Antikörpern, Interferonen, Tumornekrose-Faktor (TNF) und von natürlichen Killerzellen anzuregen.
Frühe Zeichen eines (marginalen) Mangels sind muskuläre Schwäche, Muskelabbau, chronische Entzündungen und die Verstärkung eines gleichzeitig bestehenden Iod-Mangels. Ein manifester Mangel liegt bei der Keshan-Krankheit vor, einer besonderen Kardiomyopathie, beschrieben in einem Selen-armen Gebiet Chinas. Denn der Versorgungsstatus einer Bevölkerung mit Selen korreliert mit dem Gehalt der Böden an dem Spurenelement, der auch in Mitteleuropa und Skandinavien gering ist, mit der Ausnahme Finnlands. In Deutschland wird eine durchschnittliche Selen-Zufuhr von 55 µg (25 bis 85 µg) pro Tag angegeben. Damit ist die Referenzzufuhr (60 bis 70 µg) nicht erreicht.
Organisch gebundenes Selen (Selenomethionin und Selenocystein) kommt in den meisten Lebensmitteln in regional unterschiedlicher Konzentration vor. Paranüsse reichern Selen stark an (bis zu 600 µg/100 g), Hering und Thunfisch sind gute Quellen, auch Leber, Sojabohnen und Vollkornerzeugnisse. Besondere Risikogruppen sind Patienten unter Hämodialyse oder langer parenteraler Ernährung ohne Selen-Zusatz, außerdem Patienten mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung.
Epidemiologische Studien zeigen eine deutliche Risikominderung für Lungen- und Prostatakrebs bei gutem Selen-Status. Interventionsstudien zur Prostatakrebs-Inzidenz mit hohen Selen-Dosen (200 µg/Tag) führten indes zu widersprüchlichen Resultaten; in der SELECT-Studie zeigte sich sogar ein tendenziell erhöhtes Diabetesrisiko. Selen-Dosen von 100 bis 300 µg/Tag verbesserten in einem systematischen Review die Lipidparameter der Patienten ohne signifikanten Effekt auf kardiovaskuläre Ereignisse. Ein eindeutiger Nutzen zeigte sich nur bei HIV-Infizierten: unter Langzeittherapie mit 200 µg Selen kam es zum Sistieren der Viruslast und zu weniger Hospitalisierungen.
Organische Selen-Formen pflanzlicher Quellen sind zu nahezu 90% bioverfügbar. In Supplementen wird in der Regel anorganisches Selenit oder Selenat verwendet, die zu rund 50% aufgenommen werden. Selenomethionin wird anstelle von Methionin in Proteine eingebaut und kann so als Selen-Speicher dienen. |
Literatur
[1] Burgerstein L. Handbuch Nährstoffe. 12. Auflage, Trias Verlag 2012
[2] Farrag K, Lipp HP, Stein J. Neue Optionen der oralen Eisentherapie. Arzneimitteltherapie 2019;37(04):105-112
[3] Baxter J-AB, Carducci B, Kamali M, et al. Fortification of salt with iron and iodine versus fortification of salt with iodine alone for improving iron and iodine status. Cochrane Database Syst Rev 2022; 21(4):CD013463. DOI: 10.1002/14651858.CD013463.pub2
[4 Biesalski HK. Vitamine, Spurenelemente und Minerale. 2. Aufl., Thieme Verlag 2019
[5] Hey I, Thamm M, Thamm R. Monitoring der Jodversorgung bei Kindern und Jugendlichen, Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS Welle 2). 2019, Robert Koch-Institut
[6] Arbeitskreis Jodmangel e. V., https://jodmangel.de
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