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Rund ums Herz
Die LAK Hessen bildete zur Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen fort
Prof. Dr. Dieter Steinhilber und Dr. Nils Keiner moderierten die Veranstaltung und begrüßten als Erstes Prof. Dr. Carina Hohmann, Apothekerin für Klinische Pharmazie am Klinikum Fulda. Anhand zweier Fallbeispiele aus der Praxis erklärte die Apothekerin den Zuhörern, wann eine Triple-Therapie aus antithrombotischen Wirkstoffen eingesetzt wird: In ausgewählten Fällen kann eine Kombination aus den Thrombozytenaggregationshemmern Acetylsalicylsäure (100 mg) und Clopidogrel (75 mg), sowie einem neuen oralen Antikoagulanz (NOAK) wie Apixaban (2 × 5 mg) indiziert sein. Wegen des hohen Blutungsrisikos ist die Therapie aus drei blutverdünnenden Wirkstoffen aber in der Regel auf eine Woche begrenzt, und kann bis maximal vier Wochen ausgedehnt werden, wenn der Patient ein hohes ischämisches Risiko hat. Eine duale Thrombozytenaggregationshemmung aus ASS 100 mg und einem P2Y12-Hemmer wie Clopidogrel ist indiziert, wenn ein Patient ein akutes Koronarsyndrom erleidet, und er deshalb einen Drug-eluting-Stent implantiert bekommen hat. Denn die Oberfläche des Implantats ist thrombogen. Hat der Patient zusätzlich Vorhofflimmern und ein erhöhtes Risiko für einen ischämischen Schlaganfall aufgrund von Vorerkrankungen, dem Alter oder Geschlecht, sollte er laut Leitlinie außerdem eine orale Antikoagulation mit einem NOAK in Erstlinie erhalten. Diese Triple-Therapie soll je nach Patientenrisiko ein bis vier Wochen nach Stent-Implantation auf eine duale Therapie ohne ASS 100 mg umgestellt werden. Nach sechs oder zwölf Monaten ist dann nur noch eine Monotherapie mit einem NOAK indiziert. In der Apotheke ist es vor allem wichtig abzuklären, ob der Patient weiß, wie lange er welche Arzneimittel einnehmen, und wann er sie absetzen soll. Konkret sollte das Datum von Beginn und Ende der dreifachen und dualen Therapie auf dem Medikationsplan notiert werden, damit Patienten sich nicht zu lange dem erhöhten Blutungsrisiko einer Triple- bzw. anschließend dualen Therapie aussetzen.
Wichtiges zu QT-Zeit-Verlängerungen
Dr. Henning Gockel, Chefarzt für Innere Medizin und Geriatrie am Evangelischen Klinikum Bethel, und Dr. Dirk Keiner, Leiter der Zentralapotheke des Sophien- und Hufeland-Klinikums Weimar, klärten über die Gefahren iatrogener QT-Zeit-Verlängerungen auf. Viele Arzneimittel führen zu einer Verlängerung der ventrikulären Repolarisation, die sich im Elektrokardiogramm (EKG) als eine Verlängerung des QT-Intervalls manifestieren. Das kann in Kammertachykardien vom sogenannte Torsade-de-Pointes-Typ münden. Diese sind zwar meist selbstlimitierend, können aber in Kammerflimmern übergehen und zum plötzlichen Herztod führen. Neben angeborenen Mutationen erhöhen individuelle Faktoren wie ein hohes Alter, weibliches Geschlecht, Bradykardien oder Elektrolytstörungen das Risiko für eine QT-Zeit-Verlängerung und eine Torsade-de-Pointes-Tachykardie. Bei bestimmten Arzneimitteln sollte deshalb genau hingesehen werden. Zu nennen sind Antiarrhytmika der Klasse IA, IC und III, einige Psychopharmaka und Antidepressiva, sowie Azol-Antimykotika und manche Antibiotika. Gockel und Keiner verwiesen auf die Webseite www.crediblemeds.org der Non-Profit-Organisation Azcert. Anhand von Studiendaten wird dort eine Einteilung des Risikos in bedingt, möglich und bekannt vorgenommen und auf entsprechende Literatur verwiesen. Gockel erklärte, dass vor allem Kombinationen von mehreren potenziell QT-Zeit-verlängernden Arzneimitteln vermieden werden sollten und Risikopatienten regelmäßig durch ein EKG kontrolliert werden müssen. Wer einmal eine QT-Zeit-Verlängerung hat, ist immer potenziell gefährdet. Deshalb sollte diese Information, wenn bekannt, in der Kundenkartei einer Apotheke hinterlegt werden. Dr. Keiner ergänzte, dass gerade bei den pharmazeutischen Dienstleistungen der Risikoaspekt der QT-Zeit-Verlängerung und der Torsade-de-Pointes-Tachykardien berücksichtigt werden sollte. Denn das Risiko für diese steigt durch eine Polymedikation, nach einer Organtransplantation, bei Einnahme oraler Zytostatika und bei einer vorliegenden schweren COPD. Antihypertensiva hingegen verringern das Risiko. Wichtig sei zu hinterfragen, ob dem Patienten Risikoarzneimittel verordnet werden, ob er schon einmal eine QT-Zeit-Verlängerung hatte und wann zuletzt ein EKG aufgenommen, sowie Elektrolyt- und Nieren-Werte kontrolliert wurden.
Was beachten bei Statinen und PCSK-9-Inhibitoren?
Welche Unterschiede es bei Statinen gibt und welche anderen Arzneimittel bei Hypercholesterolämie eine Rolle spielen, erklärte Prof. Dr. Dieter Steinhilber. Auf die Frage, ob eine Cholesterol-Senkung sinnvoll ist, gab er die Antwort, dass wenn 1000 Personen fünf Jahre lang ein Statin einnehmen, bei 18 ein Herzinfarkt vermieden werden kann. Atorvastatin und Rosuvastatin können in höheren Dosen den LDL(Low-Density-Lipoprotein)-Cholesterol-Spiegel über 50% senken. Sie haben im Gegensatz zu anderen Statinen wie Simvastatin eine hohe Hepatoselektivität, dadurch kommt es weniger zu pleiotropen Effekten wie Myalgien und dem Risiko einer Rhabdomyolyse. Ungefähr 10% der Patienten berichten laut einer Studie unter Statin-Therapie von Muskelschmerzen. Als Alternative zu Statinen oder als Add-on bei nicht ausreichender LDL-Cholesterol-Senkung erwähnte Steinhilber unter anderem die Bempedoinsäure, ein Prodrug, das in der Leber aktiviert wird und die ATP-Citrat-Lyase, ein weiteres Enzym der LDL-Cholesterol-Synthese, hemmt. Die Spiegel können durch die alleinige Gabe des Arzneimittels aber nur um 16 bis 25% gesenkt werden. Eine stärkere Senkung der LDL-Cholesterol-Spiegel kann mit den hochpreisigen PCSK9(Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9)-Inhibitoren Alirocumab und Evolocumab erreicht werden. Trotzdem hat die Applikation der Antikörper aber nur einen moderaten Effekt auf die Mortalität und kardiovaskuläre Ereignisse. Das liegt aber auch daran, dass die Studien über einen bisher zu kurzen Zeitraum durchgeführt wurden, um kardiovaskuläre Endpunkte zu bewerten, erklärte Steinhilber.
Studien mit Nierenkranken fehlen
Herzinsuffizienz, die zu Krankenhauseinweisungen führt, war Thema des ersten Vortrags am Sonntag von Prof. Dr. med. Carsten Jungbauer, Facharzt für Innere Medizin an der Universität Regensburg. Es gibt drei Herzinsuffizienz-Typen, die nach dem verbleibenden Ejektionsvolumen eingeteilt werden in gleichbleibend, mild reduziert oder reduziert. Die chronische Form ist eine der häufigsten Diagnosen der Herzinsuffizienz. Die Sterblichkeit im ersten Jahr nach Hospitalisierung liegt bei allen drei Herzinsuffizienz-Typen bei knapp 20%. Es ist bekannt, dass Veränderungen am Herzen die Nieren beeinträchtigen und umgekehrt. Liegen beide Erkrankungen gleichzeitig vor, spricht man vom kardiorenalen Syndrom. Je nachdem, welche Funktionsstörung zuerst vorlag, wird das kardiorenale Syndrom in fünf Typen unterteilt. Hierbei wird unterteilt, ob chronisch, akut oder ob systemische Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes mellitus, Autoimmunerkrankungen oder eine Sepsis ursächlich für das Syndrom sind. Die Prognose eines kardiorenalen Syndroms ist noch schlechter als bei einer alleinigen Herzinsuffizienz. Gleichzeitig besteht die Schwierigkeit, dass in vielen Studien Teilnehmer mit reduzierter Nierenfunktion ausgeschlossen wurden. Um künftig evidente Therapieempfehlungen für Patienten mit kardiorenalem Syndrom aussprechen zu können, sieht Jungbauer die Notwendigkeit von Studien, die auch Patienten mit einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate, die moderat bis stark verringert ist (< 30ml/min), miteinbeziehen.
Wie die Apotheke in Notfällen reagieren sollte
Wann das Herz akut in Gefahr ist, darüber sprach Dr. Klaus Ude, Leiter Prävention und Gesundheitsmanagement in der Fraport AG. Dabei standen das klinische Bild, die Diagnose und Therapie vom akuten Koronarsyndrom, Schlaganfall, Lungenembolie und brady- sowie tachykarde Arrhythmien im Mittelpunkt. Manchmal ist es nicht einfach, zu unterscheiden, wann eine hausärztliche Versorgung ausreichend ist und wann der Patient ins Krankenhaus eingewiesen werden muss. Besonders spannend war Udes Erklärung, wie Apotheker als erste Ansprechpartner auf Patienten mit entsprechender Symptomatik reagieren sollen. Beispielsweise sollten neuaufgetretene Thoraxschmerzen immer umgehend ärztlich untersucht werden. Bei bekannten Beschwerden hingegen kann eine Anpassung der Vormedikation und Vorstellung beim Hausarzt oder Kardiologen ausreichen. Bei auftretender Dyspnoe sollten immer andere Diagnosen im Blick behalten werden. Wichtige Fragen sind unter anderem, seit wann die Beschwerden auftraten und ob sie nur bei Exposition bestimmter Stoffe oder in der Natur vorkommen, ob Fieber, Husten oder andere Symptome vorhanden sind sowie ob der Patient vor Kurzem operiert wurde oder eine lange Flugreise hinter sich hat. Bei plötzlich aufgetretener Dyspnoe empfiehlt Dr. Ude immer zeitnah eine ärztliche Untersuchung. Auch bei neu aufgetretenen neurologischen Auffälligkeiten sollte der Rettungsdienst gerufen werden, der den Transport in die nächstgelegene Stroke-Unit-Klinik koordiniert. Bei Herzrhythmusstörungen ist unter Berücksichtigung des klinischen Eindrucks sowie der Anamnese der Hausarzt erster Ansprechpartner. Leidet der Patient jedoch unter starker Sprechdyspnoe, hat weitere starke Beschwerden oder ist sonst auffällig, sollte der Rettungsdienst alarmiert werden.
Hypertonie im Fokus
Im letzten Vortrag, der gemeinsam von Prof. Dr. rer. nat. Dietmar Trenk, Pharmakologe an der Universität Freiburg, und Dr. phil. nat. Miriam Ude, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation, gehalten wurde, stand die Blutdrucktherapie im Fokus. Mit steigendem Alter nimmt auch die Prävalenz zu, an einer Hypertonie zu erkranken. Es muss beachtetet werden, dass sich das Blutdruckprofil im höheren Alter verändert. Während bis etwa zum 50. Lebensjahr der diastolische Blutdruck das kardiovaskuläre Risiko bestimmt, ist in den Lebensjahren ab 50+ vor allem der systolische Blutdruck für das Risiko verantwortlich. Diese Aspekte müssen insbesondere bei der Festlegung des Zielblutdrucks und der Therapieauswahl beachtet werden. Grundsätzlich gilt: Auch ein zu niedrig eingestellter Blutdruck wirkt sich aufgrund der verminderten Organperfusion ungünstig auf das Risiko durch kardiovaskulären Tod aus. Bei den meisten Patienten sollte die Behandlung mit einer Kombination von zwei Wirkstoffen in Fixkombination (bevorzugt ein RAAS-Blocker [ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptorblocker] plus Calcium-Kanalblocker oder Diuretikum) begonnen werden. Wenn die Therapie nicht ausreichend wirkt, kann die Dreifachkombination aus RAAS-Blocker + Calcium-Kanalblocker + Diuretikum versucht werden. Bei resistenter Hypertonie ist Spironolacton Mittel der Wahl. Monotherapien sollten vor allem auf ältere, gebrechlichere Patienten begrenzt sein. Im zweiten Teil des Vortrags erläuterte Miriam Ude, dass besonders Langzeittherapien von chronischen Erkrankungen, zu denen auch die Hypertoniebehandlung zählt, häufig nicht korrekt eingehalten werden. Dabei muss beachtet werden, dass nicht nur das reine Vergessen der Einnahme, sondern auch Sehstörungen, motorische/sensorische Störungen, Schluckstörungen und Polypharmazie den Therapieerfolg beeinträchtigen können. Umso wichtiger ist es, als Apotheker die Patienten in ihrem Therapiealltag zu begleiten und beratend zur Seite zu stehen. So kann im Rahmen der pharmazeutischen Dienstleistung „Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“, bei der Hypertoniker ihren Blutdruck alle zwölf Monate in der Apotheke überprüfen lassen, eine Gefährdung des Therapieerfolgs relativ früh erkannt und gegebenenfalls interveniert werden. |
Aufruf zum Apothekenprotest in Dortmund
Ursula Funke, Kammerpräsidentin der LAK Hessen, eröffnete die Veranstaltung und richtete sich in einem Grußwort zur aktuellen Lage an die Kolleginnen und Kollegen. „Die aktuelle Situation ist katastrophal. Täglich kämpfen wir Apothekerinnen und Apotheker mit enormen Anstrengungen gegen Lieferengpässe [...]. Gleichzeitig ist unser Alltag in den Apotheken vor Ort geprägt von Fachkräftemangel und überbordender Bürokratie.“ Sie führte fort, dass Lauterbach keinen Dialog mit den Heilberuflern führe und das Apothekensystem kaputt mache. Die „Lauterbach-Filialen“ führten zu einer Zwei-Klassen-Versorgung, denn in diesen geplanten Filialen gäbe es keine Rezepturen, keinen Notdienst und keine Apotheker. Neue Filialen würden auch nicht dort entstehen, wo sie gebraucht werden, sondern dort wo es lukrativ ist. Die Einsparungen, die dem Gesundheitsminister vorschweben, seien unrealistisch, denn er geht unter anderem von niedrigeren Raumkosten aus. Kein Inhaber könnte zu seinem Vermieter gehen und ihm sagen, dass er den Raum für die Rezeptur, das Labor und den Nachtdienst nicht mehr braucht. Die Idee Apotheker durch PTAs zu ersetzen, sei eine Geringschätzung von Apothekern und auch PTAs würden nicht vom Himmel fallen. Aufgaben wie die pharmazeutischen Dienstleistungen oder das Impfen könnten nicht ohne Apotheker funktionieren. Man brauche keinen Wandel, denn das jetzige System ist hervorragend, aber nach zwanzig Jahren bräuchte man mehr Geld, sagte Funke und betonte, wie wichtig es ist, dass sich alle am Protestmonat beteiligen.
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