Prisma

Mit gedrückter Stimme

Wie KI-Modelle psychiatrische Krankheiten erkennen

Foto: SHArtistry/AdobeStock

mp | Psychiatrische Erkrankungen, wie schwere Depression etwa, sind eher stumme Krankheiten. Die über lange Zeit gedrückte Stimmung und Schuldgefühle führen dazu, dass viele Patienten erst spät ihre Stimme erheben, um sich Hilfe zu suchen. Aber gerade die Sprache der Betroffenen kann dabei helfen, die Diagnose von Depressionen und Schizophrenien zu stellen – einfach und sparsam per App und Sprachaufnahme. Die sprachliche Struktur der Sätze, das zeigen viele Studien, verändert sich bei beiden Erkrankungen. Das ist messbar und erkennbar durch mit maschinellem Lernen trainierte Algorithmen. Derzeit entstehen unzählige Apps, die psychische Erkrankungen per Sprachaufnahme erkennen sollen. Die Maschinen können ein hilfreiches Werkzeug sein, doch durch ihren Einsatz drohen die wichtigsten Erkenntnisse in der KI verborgen zu bleiben. Denn wie genau die Algorithmen Patienten von Gesunden unterscheiden, ist nur schwer nachzuvollziehen.

„Nicht mit uns“, dachte sich ein deutsches Forscherteam aus Psychiatern und Linguisten. Sie versuchten, die KI zu knacken. Sie entwickelten einen Ansatz, mit dem sie erkennen konnten, warum Algorithmen zwischen „Kranken“ und „Gesunden“ unterscheiden. Sie rekrutierten je 20 ge­sunde Probanden und Patienten, die an einer Schizophrenie oder an einer schweren Depression litten. Die Forscher zeigten ihnen mehrere Bilder, die Teilnehmer beschrieben sie. Das Gesprochene wurde aufgenommen. Dann ließen sie mehrere KI-basierte Algorithmen die Aufnahmen auswerten. Die Forscher überprüften, wie sich das Ergebnis der KI ändert, wenn sie eines der Sprachmerkmale zufällig veränderten. So konnten sie nachvollziehen, dass die Sprachkoordination (Komplexität der Syntax) und die Sprachvariabilität für die Entscheidung der KI-Modelle am wichtigsten waren. Die Autoren hoffen, dass diese Werte potenziell als objektive Biomarker für die Diagnose von Depressionen und Schizophrenien dienen könnten. |

Literatur

Berardi M et al. Relative importance of speech and voice features in the classification of schizophrenia and depression. Transl Psychiatry 2023, https://doi.org/10.1038/s41398-023-02594-0

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