Deutscher Apothekertag 2023

Proteste im November geplant

Lagebericht der ABDA-Präsidentin

diz | Ihren Lagebericht zum Apothekertag musste ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening umschreiben: Lauterbach hatte tags zuvor über die Presse seine Pläne zur Umstrukturierung des Apothekensystems in der Tagespresse veröffentlicht. Ein Affront, so die ABDA-Präsidentin. Sie analysierte in ihrem Bericht, was die „völlig verrückten Pläne“ von Lauterbach für den Apothekenmarkt bedeuteten. Am Ende ihrer „fulminanten Rede“, so die einhellige Meinung im Plenum des Apothekertags, stand die Ankündigung einer weiteren Protest­welle im November.

Lauterbach habe mit seiner Vorgehensweise ein „unfass­bares Zeichen verantwortungsloser Undankbarkeit und schwerwiegender Geringschätzung an uns gesendet“, so Overwiening. Statt sich mit der Apothekerschaft über die Zukunft der Apotheken auszutauschen, habe er öffentliche Medien gewählt, um seine Pläne für das Apothekensystem der Zukunft vorab zu streuen. „Ganz unabhängig davon, wie tief der Minister in der Kommunikationskultur inzwischen gesunken ist, enthalten diese Pläne ganz konkrete Inhalte, die mich dazu zwingen, den geplanten Ablauf dieses Apothekertages umzuschreiben“, so Overwiening. Denn: „SPD-Politiker Karl Lauterbach ist als erster Bundesgesundheitsminister dazu bereit, das Apothekensystem, das unsere Bevölkerung seit Jahrzehnten versorgt, gänzlich zu zerstören“, so die erste Einschätzung von Overwiening.

Foto: DAZ/Alex Schelbert
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening stellte die Pläne der ABDA vor und forderte das Engagement aller Apothekenteams für die Proteste im Herbst.
 

Was Lauterbach vorhat

Lauterbachs Vorschläge – z. B. mehr Filialen pro Hauptapotheke, Filialen ohne Labor, ohne Notdienst, mehr Telepharmazie – lassen „Scheinapotheken“ entstehen, so Overwiening. Filialapotheken würden so zu bloßen Arzneimittel­abgabestellen herabgewürdigt. Solche Apotheken würden mit ihrer geringeren Kostenbelastung allerdings den noch teurer finanzierten Hauptapotheken harte Konkurrenz machen können, vermutet Overwiening. Lauterbach werde seine Pläne als Heldentat verkaufen – „das werden wir ihm nicht durchgehen lassen“, versprach die ABDA-Präsidentin. Diese „völlig verrückten Pläne“ würden sich auf die Versorgungspraxis auswirken, z. B. Zunahme des Apothekensterbens, weitere Wege zur nächsten Apotheke, außerdem werde es noch uninteressanter für den Nachwuchs, eine Apotheke zu eröffnen. Overwiening: Mit solchen Vorschlägen kämen Leistungskürzungen für Patientinnen und Patienten auf uns zu. Ihr Zwischenfazit: „Wir werden weiter protestieren, wir werden weiter stark sein, ja, stark sein müssen!“ Ihr wiederholter Appell: „Apotheken stärken. Jetzt!“

Honorarstillstand – Apotheken brauchen 12 Euro Honorar

Gerade vor dem Hintergrund der Lieferengpasskrise wäre es wichtig gewesen, dass Lauterbach die von der ABDA vorgeschlagenen sechs Gesprächstermine nicht ausgeschlagen hätte, so Overwiening weiter: „Wichtig wäre es gewesen, dass er hier und heute persönlich in Präsenz zu uns sprechen und mit uns in den echten Austausch gehen würde.“

Overwiening zeigt auf, was in den elf Jahren Honorar-Stillstand passiert ist: um 60 Prozent gestiegene Einnahmen der GKV, um 30 Prozent höhere Tariflöhne in den Apotheken und ein höherer Verbraucherindex um 38 Prozent: „Allein daraus ergäbe sich schon ein Anpassungsbedarf von 3,14 Euro“, so die Präsidentin. Es sei unergründlich, warum die Bundesregierung ihrer Verantwortung immer wieder ausweiche und nicht bereit sei, das System der wohnortnahen Arzneimittelversorgung über die Apotheken vor Ort weder zu stärken noch zu stabilisieren. Overwiening erneuerte die ABDA-Forderung: Die Apotheken vor Ort brauchen eine Erhöhung der Fixhonorierung von mindestens 12 Euro je abgegebener Arzneimittelpackung, was 2,7 Milliarden Euro jährlich entspreche. Mehr Geld sei auch nötig, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser zu bezahlen und so die Apotheken vor Ort zu stärken. Auch die 160.000 Arbeitsplätze in den Apotheken seien ein Pfund der Apotheken: Die Politik müsse alles dransetzen, die Arbeitsplätze zu stabilisieren.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Weniger Bürokratie, mehr ARMIN

Eine weitere ABDA-Forderung: Der Apothekenalltag muss von überkomplexen, bürokratischen Anforderungen entschlackt werden. Bürokratische Überregulierung wirke auch für viele junge Menschen abschreckend.

Das ARMIN-Projekt habe eindrucksvoll gezeigt – und darauf wies Overwiening besonders hin – dass Apotheken auch Leben retten. Daher müssten die Voraussetzungen geschaffen werden für eine interprofessionelle und sichere Arzneimittelversorgung multimorbider Menschen. Die ABDA-Forderung hier: Es müsse der Rechtsrahmen für das strukturierte Medikationsmanagement nach ARMIN geschaffen werden.

Die ABDA-Präsidentin sprach in ihrer Rede auch den „Auf­reger“ an, dass Lauterbach den Krankenkassen erlauben will, eigene Smartphone-Apps für die Weiterleitung von E-Rezepten in den Markt zu bringen. Testprojekte hätten gezeigt, dass Krankenkassen dadurch auch möglichst viele Informationen über die Medikation ihrer Versicherten sammeln wollten. Appell an das Parlament: „Schützen Sie die Patientinnen und Patienten vor einer Datenkrake GKV!“

Enttäuschende Zusammenarbeit mit der Regierung

Zum Thema Lieferengpässe machte Overwiening darauf aufmerksam, dass Lauterbach bereits eingesteht, es mit der Ökonomisierung zu weit getrieben zu haben. Aber Lauterbach selbst war es, der damals die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt beraten hat, als die Maßnahmen beschlossen wurden, die zu den heutigen Missständen in der Arzneimittelversorgung führen.

Unterm Strich sei die bisherige Zusammenarbeit mit der Bundesregierung vollkommen enttäuschend, erklärte Overwiening ganz offen. Beim Apothekenhonorar würden alle Warnungen ignoriert, man teile mit, dass Apotheken genug verdienten. Und die sinkende Apothekenzahl – derzeit gibt es nur noch 17.830 Apotheken in Deutschland – werde als „Konsolidierung“ des Marktes bezeichnet: „Das ist frei von jeder Wertschätzung!“ Daher, so Overwienings Ankündigung: Wenn Lauterbach keine konkreten Pläne und Handlungsoptionen zur Stabilisierung des Apothekennetzes vorstellt, werde die ABDA sofort die nächsten Protestmaß­nahmen verkünden. Overwiening rief für die optionalen Protestaktionen im Herbst zu großem Engagement aller Apothekenteams auf. Allerdings hält sie nichts von unüberlegten Vorgehensweisen: „Wir hören immer wieder, dass einige von Ihnen am liebsten vehementer, destruktiver und radikaler Druck auf das BMG ausüben möchten. Darin steckt der Glaube, dass nur gehört wird, wer radikal vorgeht. Das ist ein Trugschluss!“ Man wolle dagegen mit Konzept „und nicht ad hoc, quasi aus der kalten Hose“, vorgehen. Und so soll der Protest ablaufen: Der November wird als Protest-November ausgerufen. Ab 8. November werden an jedem Mittwoch dieses Monats Apotheken in unterschiedlichen Regionen Deutschlands (Osten, Norden, Westen und Süden) schließen. Am 29. November soll es dann in Berlin eine große Kundgebung geben. |

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