Arzneimittel und Therapie

Weniger COPD-Exazerbationen unter GLP-1-Analoga und Gliflozinen

Typ-2-Diabetiker mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung können profitieren

Das gemeinsame Auftreten von chronisch obstruktiver Lungen­erkrankung (COPD) und Typ-2-Diabetes korreliert mit einem systemischen Entzündungsgeschehen und birgt ein hohes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko [1, 2]. Da Studien bereits einen therapeutischen Nutzen von GLP-1(Glucagon-like pep­tide-1)-Analoga auf den COPD-Verlauf andeuteten, untersuchte nun eine kanadische Forschergruppe den Einfluss neuerer Antidiabetika auf das COPD-Exazerbationsrisiko gegenüber standardtherapeutischen Sulfonylharnstoffen [1].

Zu den neuen Antidiabetika werden folgende Gruppen gezählt:

  • GLP-1-Analoga wie Dulaglutid (Trulicity®), Liraglutid (Victoza®) und Semaglutid (Ozempic®),
  • Natrium-Glucose-Co-Transporter-2­(SGLT-2)-Inhibitoren (Gliflozine) wie Dapagliflozin (Forxiga®), Empagli­flozin (Jardiance®), Ertugliflozin (Steglatro®) und
  • Dipeptidylpeptidase-4(DPP-4)-Inhibitoren (Gliptine) wie Linagliptin (Glyxambi®), Saxagliptin (Onglyza®), Sitagliptin (Januvia®) und Vildagliptin (Galvus®, Jalra®)

In einer populationsbasierten Kohortenstudie wurden folgende COPD-­Patienten mit Antidiabetika-Erstverschreibung zwischen 2007 und 2020 in drei Gruppen verglichen:

  • 1252 Anwender von GLP-1-Analoga mit 14.259 Sulfonylharnstoff-­Anwendern,
  • 2956 Anwender von SGLT-2-Inhibitoren (Gliflozine) mit 10.841 Sulfonylharnstoff-Anwendern,
  • 8731 Anwender von DPP-4-Inhibitoren (Gliptine) mit 18.204 Sulfonylharnstoff-Anwendern.

Die Informationserfassung erfolgte mithilfe von drei miteinander verknüpften Datenbanken.

Als primärer Endpunkt wurden schwere COPD-Exazerbationen mit Krankenhausaufnahme festgelegt. Mittelschwere ambulant behandelte Exazerbationen galten als sekundärer Endpunkt.

Die Anwendung von GLP-1-Analoga zeigte im Vergleich zu Sulfonylharnstoffen ein 30% geringeres Risiko für schwere COPD-Exazerbationen (3,5 vs. 5,0 Ereignisse pro 100 Personenjahre; Hazard Ratio [HR] = 0,7; 95%-Konfidenzintervall [KI] = 0,49 bis 0,99) und ein 37% geringeres Risiko für mittelschwere Exazerbationen (3,3 vs. 5,4; HR = 0,63; 95%-KI = 0,43 bis 0,94).

Auch bei den SGLT-2-Inhibitoren konnte gegenüber Sulfonylharnstoffen eine Risikoreduktion schwerer COPD-Ex­azerbationen von 38% festgestellt werden (2,4 vs. 3,9; HR = 0,62; 95%-KI = 0,48 bis 0,81). Auf das Risiko für mittelschwere Exazerbationen hatten SGLT-2-Inhibitoren jedoch keinen Einfluss.

DPP4-Inhibitoren mit wenig Einfluss

DPP-4-Inhibitoren waren im Vergleich zu Sulfonylharnstoffen mit einem 9% geringeren Risiko für schwere COPD-Exazerbationen verbunden (4,6 vs. 5,1; HR = 0,91; 95%-KI = 0,82 – 1,02); da das Konfidenzintervall den Nullwert einschließt, sind die Ergebnisse jedoch nicht statistisch signifikant. Keine Assoziation ergab sich mit dem Risiko für mittelschwere Exazerbationen.

Mögliche Wirkmechanismen

Für die Verringerung des COPD-Ex­azerbationsrisikos durch GLP-1-Analoga werden mehrere mögliche Mechanismen angenommen. Sowohl im Mausmodell als auch ex vivo zeigten GLP-1-Analoga eine bronchodilatierende Wirkung über den cAMP-abhängigen Proteinkinase-A-Signalweg mit reduzierter Hyperreagibilität [3, 4]. In vitro kam es zu einer Stimulation der Surfactant-Sekretion [5], und bei Patienten mit COPD und Typ-2-Diabetes verbesserte sich die Lungenfunktion [6]. Zusätzlich normalisierte der gewichtssenkende Effekt die durch ab­dominale Adipositas hervorgerufene physisch reduzierte Lungenfunktion [2]. Auch wenn nur eine geringe Wirkung durch DPP4-Inhibitoren gezeigt wurde, lässt sich diese mit dem verminderten Abbau von physiologischem GLP-1 erklären [1].

Die durch SGLT-2-Inhibitoren induzierte Glukosurie verringert die Verfügbarkeit von Glucose als Substrat der endogenen CO2-Produktion, wodurch das Abatmen erleichtert wird [1]. Zudem zeigten Studien ein verringertes Risiko für Lungenentzündungen, das vermutlich mit reduzierter Atemwegs-Glucosekonzentration und Bakterienzahl zusammenhängt [7].

Weitere Studien sind notwendig, um das therapeutische Potenzial neuerer Antidiabetika bei COPD-Patienten mit Typ-2-Diabetes zu klären [1]. |

Literatur

[1] Pradhan R, Lu S, Yin H et al. Novel anti­hyperglycaemic drugs and prevention of chronic obstructive pulmonary disease exacerbations among patients with type 2 diabetes: population based cohort study. BMJ. 2022;379:e071380.

[2] Global strategy for the diagnosis, management, and prevention of chronic obstructive pulmonary disease. Global Initiative of Chronic Obstructive Lung Disease, Stand: 2021.

[3] Rogliani P, Calzetta L, Capuani B et al. Glucagon-Like Peptide 1 Receptor: A Novel Pharmacological Target for Treating Human Bronchial Hyperresponsiveness. Am J Respir Cell Mol Biol. 2016;55(6):804-814.

[4] Zhu T, Wu XL, Zhang W et al. Glucagon Like Peptide-1 (GLP-1) Modulates OVA-Induced Airway Inflammation and Mucus Secretion Involving a Protein Kinase A (PKA)-Dependent Nuclear Factor-κB (NF-κB) Signaling Pathway in Mice. Int J Mol Sci. 2015;16(9):20195-20211.

[5] Vara E, Arias-Diaz J, Garcia C et al. Glucagon-like peptide-1(7–36) amide stimulates surfactant secretion in human type II pneumocytes. Am J Respir Crit Care Med. 2001;163(4):840-846.

[6] Rogliani P, Matera MG, Calzetta L et al. Long-term observational study on the impact of GLP-1R agonists on lung function in diabetic patients. Respir Med. 2019;154:86-92.

[7] Au PCM, Tan KCB, Cheung BMY et al. Association Between SGLT2 Inhibitors vs DPP-4 Inhibitors and Risk of Pneumonia Among Patients With Type 2 Diabetes. J Clin Endocrinol Metab. 2022;107(4):e1719-e1726.

Apothekerin Judith Esch

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